Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Vera-Brittain-Ufer

Hammerbrook, seit 2014, benannt nach Vera Brittain (29.12.1893 Newcastle-under-Lyme – 29.3.1970 Wimbledon), englische Schriftstellerin, Pazifistin und Feministin; hat während des Zweiten Weltkriegs in Großbritannien gegen die Flächenbombardements der deutschen Städte protestiert und insbesondere die Zerstörung Hamburgs angeprangert


Siehe auch: Kollwitzring, Suttnerstraße

„Ähnlich wie Käthe Kollwitz (siehe: Kollwitzring) setzte sich Vera Brittain für den Frieden ein. In ihren autobiographischen Schriften, besonders im ‚Testament of Youth‘, 1933, vermittelt sie ihrer eigenen und späteren Generationen ein Bild der Qual und des Schreckens des Krieges. In ihrem lebenslangen Kampf für die Ausschaltung des Krieges half Vera Brittain durch ihre Werke und Vorträge nicht nur der Bildung der englischen pazifistischen Bewegung [nach dem Ersten Weltkrieg], sondern sie war auch Vorsitzende der Peace Plegde Union (1945–1951) [Friedensschwur-Union, der sie 1937 beigetreten war. Im selben Jahr trat sie auch in die anglikanische Pazifistenbewegung ein] und nahm an den Kundgebungen [und Demonstrationen] der Kernwaffengegner der fünfziger Jahre [gegen die atomare Aufrüstung] teil. Zusammen mit ‚Die Waffen nieder!‘ [von Bertha von Suttner, siehe: Suttnerstraße] steht ‚Testament of Youth‘ (eine auf Fakten beruhende Autobiographie im Gegensatz zu Suttners fiktiver Darstellung) in der Reihe der einflussreichsten Antikriegsliteratur.“ 1)

Vera Brittain entstammte der britischen upperclass – ihre Familie besaß Papierfabriken in Hanley und Cheddleton. Gemeinsam mit ihrem Bruder verbrachte sie eine behütete Kindheit. Als sie dreizehn Jahre alt war, kam sie in das Internat St. Monica’s in Kingswood (Surrey), das von ihrer Tante geleitet wurde. Nach dem Schulabschluss studierte sie englische Literatur am Sommerville College in Oxford. Doch bevor sie dort ihren Abschluss machte, begann der Erste Weltkrieg und Vera Brittain nahm an ihm als Krankenschwester teil. Ihr Verlobter und ihr Bruder sowie einige ihrer Freunde wurden als Soldaten im Krieg getötet.

Nach dem Krieg begann Vera Brittain ein Geschichtsstudium in Oxford, gleichzeitig entwickelte sich zwischen ihr und der Schriftstellerin und Journalisten Winifred Holtby eine tiefe Freundschaft. Dadurch kam auch Vera Brittain dazu, sich schriftstellerisch zu betätigen.

Mit 32 Jahren heiratete Vera Brittain 1925 den Politikwissenschaftler und Philosophen George Catlin (1896–1979). Das Paar bekam einen Sohn, der später Maler, Autor und Geschäftsmann wurde, und eine Tochter, die später zur Politikerin und Ministerin (Liberal Democrats) avancierte.

Neben dem bereits erwähnten „Testament of Youth“ schrieb Vera Brittain, die ihren ersten Roman „The Dark Tide“ 1923 herausgeben hatte, 1940 „Testament of Friendship“, 1944 gab sie das Heft „Massacre by Bombing“ heraus und 1957 „The Testament of Experience“.

In ihrem „Massacre by Bombing“ prangerte sie die Flächenbombardements deutscher Städte an, wofür sie in England harte Kritik einstecken musste. Doch ihre konsequente pazifistische Einstellung erlaubte es ihr nicht, Unterschiede zwischen „berechtigten“ und „unberechtigten“ Bombardements herzustellen.

Im Vorwege dieser Straßenbenennung kam es zu heftigen Diskussionen darüber, inwiefern es sich mit dieser Benennung nicht um Geschichtsrevisionismus handele. „Kritiker witterten eine revisionistische Agenda und fürchteten, dass Hamburg sich einen neuen Aufmarschplatz für die NPD schafft.“ 2) Denn: „die rechtsextreme National-Zeitung (…) feierte sie [Vera Brittain] für ihre Bombenkritik [Bombardierung Hamburgs 1943] als ‚Leuchtturm der Menschlichkeit‘. Der Sohn des verstorbenen DVU-Vorsitzenden Gerhard Frey nannte sie seine historische ‚Lieblingspersönlichkeit‘. Im Juni lobte zudem die in Hamburg herausgegebene Preußische Allgemeine Zeitung (…) die Benennung des Vera-Brittain-Ufers und geißelte zugleich das geplante Denkmal für Wehrmachtsdeserteure“, so Oskar Piegsa in seinem Artikel: „Kampf am Kanal. Eine Straße wird nach einer britischen Pazifistin benannt. Ist das Geschichtsrevisionismus?“ Der Autor endet seinen Artikel mit dem Satz: „Es bleibt der Eindruck, dass Geschichte nicht vergessen ist, solange wir über sie streiten. Und die Hoffnung, dass etwas hängen bleibt, wenn in Zukunft mehr Hamburger Neonazis die Texte der britischen Pazifistin lesen.“ 3)