Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Behaimweg

Billstedt (1948): Martin Behaim (6.10.1459 Nürnberg – 29.7.1507 Lissabon), Kosmograph


Bereits in der NS-Zeit wurde der Behaimweg als neuer Straßenname (alter Straßenname: Wiesenweg) in der Liste „Umbenannte Straßen“ aufgeführt. Die Liste wurde im Hamburger Adressbuch von 1943 veröffentlicht und listet alle in der NS-Zeit umbenannten Straßen auf, auch diejenigen, bei denen die konkrete Umbenennung noch nicht vollzogen wurde. Bereits umbenannte Straßen wurden mit einem Stern gekennzeichnet.

Nach der Einführung des Groß-Hamburg-Gesetzes im Jahre 1937, durch das z. B. Altona, Wandsbek, Harburg-Wilhelmsburg, Lokstedt, Niendorf, Schnelsen, Rahlstedt, Bramfeld, Lohbrügge und andere Gebiete, die heute Hamburger Stadtteile sind, nach Hamburg eingemeindet wurden, ergaben sich bei den Straßennamen häufig Doppelungen.

Viele der für eine Umbenennung in Frage kommenden alten Straßennamen wurden in der NS-Zeit aber nicht mehr umbenannt. Eine Umbenennung nach den 1943 aufgelisteten neuen Straßennamen erfolgte für diverse Straßennamen dann nach der Befreiung vom Nationalsozialismus. So wurde der Behaimweg 1948 benannt.

Dass der Name Behaim auf die Liste der in der NS-Zeit benannten Straßen aufgenommen wurde, hat sicherlich auch etwas mit dessen Vereinnahmung durch die Nationalsozialisten zu tun. So schreibt das Martin-Behaim-Gymnasium Nürnberg: „Die NS-Ideologie vereinnahmt die ehemalige freie Reichsstadt Nürnberg als ‚Stadt der Reichsparteitage‘, und Martin Behaim wird zum deutschen Kolonialpionier gemacht. Man behauptet, auf seiner Kongoexpedition habe Behaim als erster Deutscher diejenige Küste gesehen, an der 400 Jahre später die deutsche Kolonialgeschichte durch den Großkaufmann Lüderitz ihren Anfang fand.
Seit 1936 setzt eine Flut kolonialistischer Literatur ein, die sich wegen ihres Bezuges auf afrikanische Gebiete immer wieder mit Behaim befaßt.
1937 wird unter Generaldirektor Kohlhaußen im Germanischen Nationalmuseum die Ausstellung ‚Nürnberg, die deutsche Stadt‘, mit dem gerade angekauften Globus [siehe dazu weiter unten im Text] im Mittelpunkt, eröffnet.
Noch 1943 wird der Globus trotz beginnender, kriegsbedingter Knappheit technischer Mittel umfassend fotografisch dokumentiert.“ 1)

Martin Behaim war der Sohn von Agnes, geb. Schopper (geb. etwa 1440, gest. 1487) und des Patriziers und Händlers Martin Behaim (10.11.1437 - 6.8.1474). Er war das älteste Kind von insgesamt 13 Kindern, von denen aber nur sieben Kinder das Erwachsenenalter erreichten. Agnes Behaim muss aus einer reichen Familie gestammt haben, denn sie bewohnte mit ihrem Mann und ihren Kindern ein ihr gehörendes großes Haus am Nürnberger Hauptmarkt Nr. 15.

Nach dem Tod des Vaters, Martin Behaim war damals 15 Jahre alt, heiratete Agnes Behaim nicht wieder und deshalb musste ein Mann die gesetzliche Vormundschaft über die noch unmündigen Kinder übernehmen. Bei Martin Behaim übernahm ein Onkel die Vormundschaft.

Auch Martin Behaim wurde – wie sein Vater – Kaufmann und begab sich „auf Handelsreisen für sein väterliches Haus, vor allem in Flandern, und erwarb sich gute astronomische Kenntnisse, (…). Nach verschiedenen Reisen nach Lissabon (1479, 1481, 1484) an den Hof König Johanns II. von Portugal wurde er in dessen Junta für die nautischen Entdeckungen gezogen und nahm als Kosmograph 1484-85 an der Expedition des Diego Cão teil, bei der die Westküste Afrikas an der Kongomündung sowie bis zum Kap Negro und zur Walfischbai nach Süden aufgeklärt wurde. Nach glücklicher Rückkehr hochgeehrt, wurde B. Ritter des Christusordens und ließ sich auf den Azoren nieder“ 2) und zwar auf Fayal.

Behaims Motiv für seine Portugalreise erklärt Reinhard Jakob in seinem Aufsatz über Behaim folgendermaßen: „(…) angezogen von einer ritterlich-höfischen Lebensform, getrieben von der Neugier nach fremden Ländern und von der Hoffnung, Ehre im ‚Heidenkampf‘ erwerben zu können (…)“. 3) Der „Heidenkampf“ wurde damals gegen AfrikanerInnen und Mauren, die als „Ungläubige“ galten, geführt und zwar bevorzugt von Adligen, die Ruhm und Ehre erlangen wollten. 4)

In Portugal heiratete Behaim Joana de Macedo (geb. 1475), Tochter von „Jobst de Hurtere und der illegitim geborenen Adligen Brites de Macedo, (…)“. 5) Der aus Brügge stammende Hurtere war Gouverneur der Azoreninseln Fayal und Pico.

Behaim bekam mit seiner Frau ein Kind, den Sohn Martin, geboren 1488, gestorben 1506 oder 1507.

„1490 tauchte Martin Behaim wieder in Nürnberg auf, um das Erbe seiner Mutter Agnes zu regeln. Durch Behaims lange Abwesenheit geriet seine Familie in eine peinliche Situation, da sie bei mehreren Gläubigern aufgelaufene Schulden begleichen musste. (…)“ 6)

Während seines Aufenthaltes in Nürnberg „schuf er 1492 nach einer verlorengegangenen Weltkarte den berühmt gewordenen ersten Erdglobus, den er selbst Erdapfel nannte (jetzt im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg), unterrichtete andere in der Konstruktion solcher Globen und gab damit der mathematischen Geographie und Kartographie des Entdeckungszeitalters einen wichtigen Anstoß.“ 7)

Dieser „Erdapfel“: „dokumentiert zweierlei: die portugiesischen Entdeckerfahrten als europäische Leistung und die Kolonialisierung der afrikanischen Küste. (…) Auf dem Globus erscheint die Welt, wie man sie sich im europäischen Überlegenheitsgefühl vorstellte. Doch war dies nur eine Frage der Perspektive: In China etwa galten die Europäer als Barbaren und als Piraten, die kleine Kinder verspeisen. (…)

Der Behaim-Globus versammelt das damalige Wissen über die Welt, er ist aber auch ein Dokument für eines der dunkelsten Kapitel in der Geschichte der Globalisierung: die Erfindung des interkontinentalen Sklavenhandels im Dreiecksgeschäft.

Europa lieferte Feuerwaffen, Stahl und Bronze, Tuch, Glasperlen und Manufakturwaren an die westafrikanische Küste. Diese Waren wurden gegen Sklaven eingetauscht, die dann verschifft und auf die Zuckerplantagen verkauft wurden. Aus dem Erlös kaufte man groben Rohrzucker, Rum und Melasse, später auch Baumwolle und exportierte die Produkte nach Europa. Entwickelt wurde dieses Geschäft auf den 1471 und 1472 eroberten Inseln San Tomé und Principes im Golf von Guinea. 1485 siedelte man dort Strafgefangene aus Portugal und Sklaven aus dem südlichen Afrika, aber auch Kinder von aus Spanien vertriebenen Juden an, um Zuckerrohr anzubauen. Im 17. Jahrhundert erfolgte die transkontinentale Ausweitung dieses Handels nach Brasilien und in die Karibik.“ 8)

„1493 kehrte Martin Behaim auf dem Seeweg nach Portugal zurück und reiste bereits Anfang 1494 im Auftrag des Königs nach Flandern. Dabei geriet er nach seinem eigenen Bericht mit Dienern und Reisekasse in Gefangenschaft und wurde nach England gebracht, wo er schwer erkrankte. Ein Seeräuber soll ihm dabei geholfen haben zu entkommen. Im Mai 1494 befand er sich wieder in Portugal.

1495 verstarben sein Gönner König João II. und sein Schwiegervater, die ihm großen Rückhalt am portugiesischen Hof geboten hatten. Neben diesen Verlusten hatte ihn seine Frau während seiner Abwesenheit zusätzlich in eine heikle Lage gebracht; aus ihrem Ehebruch mit einem einflussreichen Mann resultierte ein Machtkampf, der sich bis zum Königshof auswirkte.“ 9) Reinhard Jacob schreibt dazu: Behaims Frau hatte „Ehebruch mit Fernão d’Evora, Schildknappe und seit 1492 königlicher Gefängnisverwalter auf den Azoren, begangen. Schwager Josse de Hurtere ließ ihn dafür in Eisen legen. Mit einer Geldstrafe wurde sein Vergehen gesühnt. Behaim hielt sich wohl damals in Lissabon auf.“ 10)

„Behaim scheint beim neuen König keine Gunst gefunden zu haben, er starb am 29. Juli 1507 völlig verarmt in Lissabon [an der Pest]. Sein Sohn zog später nach Nürnberg.“ 11)

Joana heiratete nach Behaims Tod erneut und zwar Henrique de Noronha, lebte fortan auf Madeira und bekam ein Kind namens Francisco de Noronha. 12) Der Sohn Martin aus der Verbindung mit Behaim soll bei Joanas Schwester gelebt haben.

„Das aktuelle Behaim-Bild
Der zum Entdecker, Seefahrer und Wissenschaftler hochstilisierte Behaim wird erst seit einigen Jahren nüchterner gesehen.
Nach heutiger Erkenntnis war Behaim ein findiger Kaufmann, der hauptsächlich weder Nautiker noch Astronom war, und dessen Interesse an der Kartographie vor allem wirtschaftlichen Zwecken diente, da er auf Gewinne aus Fahrten in ferne Länder hoffte.“ 13)