Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Von-Hutten-Straße

Bahrenfeld (1950): Ulrich von Hutten (21.4.1488 Burg Steckelberg bei Schlüchtern – 29.8.1523 Insel Ufenau/Zürichsee), Humanist, Reichsritter.


Ab 1890 hieß die Straße Burgstraße; ab 1940 Gravelenbarg und ab 1950 dann Von-Hutten-Straße.
War Ulrich von Hutten wirklich ein Mann oder eher eine Frau? 2016 wurden die Gebeine, die Zeichen von Syphilis, an der Hutten verstarb, aufzeigen und deshalb 1968 Ulrich von Hutten zugeschrieben wurden, exhumiert. Der Anthropologe Martin Häusler konnte sofort feststellen, dass es sich bei diesem Skelett um eine Frau handelte. Dennoch meinte Häusler, das viel dafür spräche, dass es sich bei diesem Skelett, um das von Hutten handeln müsse. Denn: „Die pathologische Untersuchung des Skeletts stimmt grösstenteils mit den von Ulrich von Hutten beschriebenen Erkrankungen überein. Dies betrifft Veränderungen an den Schien- und Wadenbeinen, am linken Oberschenkel sowie an der rechten Elle und weiteren vier Stellen. (…).“ 1) Auch an den Zähnen konnte festgestellt werden, dass dieser Mensch: „im mittleren Deutschland aufgewachsen sein muss. Ulrich von Hutten wurde auf der Burg Steckelberg bei Schlüchtern geboren. Schlüchtern liegt im Südosten Hessens. (…)

Auch die Ergebnisse der verschiedenen Methoden zur Bestimmung des Sterbealters passen: Mitte dreißig. Ebenso die Grösse – 145 cm, denn Hutten wurde mehrfach als von kleiner Statur beschrieben.“ 2) Nun müssen ja nicht immer Männer vom Größenmaß länger sein als Frauen. Martin Häusler vermutet auf Grund seiner Untersuchungen von bestimmten Skelettteilen, dass Ulrich von Hutten biologisch eine Frau mit AGS (Adrenogenitales Syndrom) war. „Darunter versteht man eine angeborene Störung der Hormonbildung der Nebennierenrinde, die bei weiblichen Kindern zu einer gewissen Vermännlichung führt. Je nach Ausprägung gehört eine stark vergrösserte Klitoris zu den Symptomen, die als sehr kleiner Penis interpretiert werden kann. Zudem bleibt nicht selten die Regelblutung aus. Häusler geht daher davon aus, dass Ulrich von Hutten nicht bewusst war, dass er eine Frau ist“ 3), schreibt Hélène Arnet in ihrem Artikel „Dieser berühmte Ritter war wohl eine Frau – und damit kein Einzelfall“ über Ulrich von Hutten. Und gibt als ein weiteres Beispiel für AGS Paracelsus an (siehe: Paracelsusstraße).

Über Ulrich von Hutten ist viel geschrieben worden. An dieser Stelle soll auf den WDR Beitrag von Jutta Duhm-Heitzmann in „WDR Zeitzeichen vom 7.4.2016, unter: www1.wdr.de/radio/wdr5/sendungen/zeitzeichen/vonhutten100.html hingewiesen werden, in dem das Leben von Hutten beschrieben wird.

Huttens Wirken schätzt Hutten Biograph Eckhard Bernstein u. a. wie folgt ein: „Ulrich von Hutten – Reichsritter, Humanist, kaiserlich gekrönter Dichter, wortgewaltiger Verfasser deutscher politisch-reformatorischer Pamphlete, militanter Kritiker der Papstkirche, unbequemer Parteigänger Martin Luthers; an keiner der großen deutschen Persönlichkeiten des 16. Jahrhunderts haben sich die Geister so geschieden wie an ihm. Keiner ist so angefeindet, keiner so bewundert worden. Jahrhundertelang versuchten katholische Historiker ihn als unmoralischen und gefährlichen Revolutionär zu diskreditieren. (…) Auch den Lutheranern war der ritterliche Rebell nie ganz geheuer. In obrigkeitsgläubiger Orthodoxie erstarrt, spielten sie zunächst sein reformatorisches Engagement und revolutionäres Temperament herunter und betonten stattdessen sein brillantes, aber ungefährliches Talent als neulateinischer Dichter. (…)

Keine andere Figur des Reformationszeitalters wurde aber auch so verehrt (…). Seitdem Johann Gottfried von Herder [siehe: Herderstraße] 1776 in einem einflußreichen Essay im ‚Teutschen Merkur‘ eindringlich auf den ‚Aufwecker teuschter Nation‘ und unerschrockenen und opferbereiten ‚Märtyrer der teutschen Freiheit‘ hingewiesen hatte, thematisierte man das ereignisreiche Leben des Ritters in unzähligen Dramen, Gedichten, Romanen und Biographien, wobei sich jede Epoche und jede Ideologie in Hutten jene Züge aussuchte, durch die sie ihre eigenen literarischen und politischen Vorstellungen untermauern und damit legitimieren konnte.“ 3)

Ulrich von Hutten war der Sohn von Ottilie von Eberstein zu Brandenstein und Ulrich von Hutten-Gronau zu Steckelberg. „Obwohl ihm als Erstgeborenem eigentlich das Erbe zustand, wurde er 1499 von seinem Vater Ulrich in das Benediktiner-Kloster Fulda verfügt, wo er nach Erreichen des entsprechenden Alters Mönch werden sollte. Diese Maßnahme traf die Familie wohl hauptsächlich aus praktischen Erwägungen: Der junge Ulrich schien sich aufgrund seiner körperlichen Verfassung nicht für den Dienst als Ritter zu eignen und sollte daher eine geistliche Laufbahn einschlagen, die Versorgung und zahlreiche Aufstiegsmöglichkeiten versprach,“ 4) heißt es in Wikipedia.
Ulrich von Hutten tat aber nicht wie von seinem Vater geheißen, sondern begann 1503 ein Universitätsstudium. Er studierte an verschiedenen Universitäten und wandte sich dabei den Humanisten zu.

Im Historischen Lexikon der Schweiz wird von Huttens weiterer Lebensweg wie folgt kurz beschrieben: „(…) 1517 vom Kaiser noch zum poeta laureatus gekrönt, wuchs H. bald zum Satiriker und scharfzüngigen Kritiker von Staat, Kirche (v.a. von Papst und Kurie) und Bildungswesen (‚Dunkelmännerbriefe‘, auf lat. publiziert zwischen 1515 und 1517) [Satire über die scholastische Bildung an den Universitäten] heran. Seine Verwicklung in den Putschversuch des Franz von Sickingen zwang ihn ins Exil. Huldrych Zwingli nahm den gebannten und geächteten H. im Mai 1523 in Zürich auf, ermöglichte ihm einen Badeaufenthalt in Pfäfers und ab August Asyl auf der Insel Ufenau. Gepflegt von Pfarrer Johannes Klarer starb er dort an Syphilis.“ 5)

In der Neuen Deutschen Biografie wird der Grund, warum von Hutten sich immer mehr politisierte, erklärt. Von Hutten, der beim Erzbischof von Mainz in Dienst war, war: „Durch Herkunft mit der fränk. Ritterschaft verbunden und von Haus aus auf politischen Einfluß bedacht, [deshalb] drängte H. nach einer eigenen politischen Rolle für seine mit einem Schuß Reformkatholizismus versehenen Reichsreformpläne. Mit ihrer ausgesprochen nationalstaatlichen Tendenz, der Stärkung der kaiserl. Zentralgewalt und Eindämmung des Territorialfürstentums konnten sie bei der Kurie keinen Anklang finden. Im Aug. 1519 schied H. aus dem aktiven Dienst in Mainz aus und begann systematisch eine nationale Opposition aufzubauen. Seine Übernahme in den Dienst bei des Kaisers Bruder, Erzhzrg. Ferdinand in Brüssel, von dem er eine Förderung seiner Reformpläne erhoffte, wurde Sommer 1520 durchkreuzt. Die kirchliche Inquisition verfolgte H. wegen antiröm. Schriften (Inspicientes, Trias Romana). Obwohl er kein Ketzer war, verfiel er dem Kirchenbann. Im Sept. 1520 fand er auf der Ebernburg bei dem aufsteigenden Franz v. Sickingen Zuflucht. Mit einer Flut von Veröffentlichungen, nunmehr in deutscher Sprache (geschichtliche Belege, Reimgedichte, Sendschreiben, Mahnungen, Klagen, Invektiven), wandte er sich gegen Papst, Kurie, die Kurtisanen und ‘ungeistlichen Geistlichen‘ und gegen die ihnen beistehenden Landesfürsten an das breite Volk, (…). Seine lebendigen, in einnehmendem hoffränk. Deutsch abgefaßten Aufrufe|an die Nation, um deren Verwirklichung es ihm ging, fanden schnell und weithin Gehör und Widerhall, so daß er schon bei Beginn des Wormser Reichstages 1521 als ein meinungsbestimmender, politisch mitentscheidender Faktor im Reich galt. Dabei blieb stets sein etwas nativistisch-konservativer Nationalbegriff mit dem humanistischen Bildungsgedanken, dem geistigen Fluidum von Freiheit und Gesittung, verbunden. (…).“ 6)

In der Zeit, als sich von Hutten vom Dienst bei Kardinal Albrecht beurlauben ließ, soll von Hutten Heiratspläne gehabt haben. Hutten-Biograph Franz Rueb zitiert von Huttens Brief an einen Freund, den Domherrn Friedrich Fischer, in dem von Hutten schreibt: „mich beherrscht jetzt eine Sehnsucht nach Ruhe, in die ich mich künftig begeben möchte. Dazu brauche ich eine Frau, die mich pflege. Du kennst meine Art. Ich kann nicht wohl allein sein, nicht einmal bei Nacht. Vergebens preist man mir das Glück der Ehelosigkeit, die Vorteile der Einsamkeit an. Ich glaube mich nicht dafür geschaffen. Ich muß ein Wesen haben, bei dem ich mich von den Sorgen, ja auch von den ernsten Stunden erholen kann. Mit dem ich spielen, Scherze treiben, angenehme und leichtere Unterhaltung pflegen kann. Wo ich die Schärfe des Grams abstumpfen, die Hitze des Kummers mildern kann! Gib mir eine Frau, mein Friedrich, und das du wissest, was für eine: laß sie schön sein, jung, wohl erzogen, heiter, züchtig, geduldig. Besitz gib ihr genug, nicht viel. Denn Reichtum suche ich nicht, und was das Geschlecht betrifft, so glaube ich, wird diejenige adelig genug sein, welcher Hutten die Hand reichen wird. (…).“ 7)

Eine Frau fand sich nicht, stattdessen drohte Verfolgung aus Rom, denn von Huttens Polemik gegen das Papsttum, hatte die Papstkirche „auf Zinne gebracht“. Um auch das „gemeine Volk“ über die üblen Machenschaften der Kirche aufzuklären, übertrug von Hutten seine in Latein publizierten Werke in die deutsche Volkssprache. „Mit dieser Übertragung radikalisierten sich Huttens literarische Fehden gegen Rom, Prälaten und Pfaffen; er wurde gewissermaßen zum politischen Agitator. Die große Wirkung blieb jedoch aus, da den Dialogen immer noch etwas Ritterliches und Adeliges anhaftete. Huttens Vorbild folgend, griffen auch andere Autoren der damaligen Zeit zur deutschen Sprache, sodass um 1520 eine revolutionäre öffentliche Meinung in Deutschland entstand. (…).

Mit seiner Schrift Vermahnung an die freien und Reichsstädte deutscher Nation (1522) versuchte Hutten, Städte und Ritter zu einer Vereinigung zu überreden. Seine Kritik an der Papstkirche und der nur konfessionell-theologischen Reformation (er wollte vielmehr eine politische Reichsreform) äußerte sich vor allem in seinem programmatischen Gedicht Ain new lied her Ulrichs von Hutten, in dem er verdeckt zum bewaffneten Widerstand aufrief“, 8) schreibt Manfred Orlick in Literaturkritik.de.

Als von Hutten 1522 Franz von Sickingen dabei unterstützte, Krieg gegen das Kurfürstentum Trier zu beginnen, womit sich von Hutten nun auch gegen die kaiserliche Macht stellte, „wurde Hutten in Reichsacht geschlagen. Unter dem Schutz des Reformators Huldrych Zwingli (1484-1531) floh er in die Schweiz, wo er eine letzte Demütigung erleben musste: Erasmus von Rotterdam weigerte sich in Basel, ihn auch nur zu empfangen.“ 9)

Wie bereits erwähnt, starb von Hutten auf der Klosterinsel Ufenau im Zürichsee an Syphilis, die er sich im Alter von 20 Jahren zugezogen hatte. Er wurde 35 Jahre alt.

2023 kam Michael Lemster zu dem Schluss: „Huttens Ruf nach Freiheit als Freiheit des souveränen Geistes hat in Zeiten einer neu aufkommenden rückwärtsgewandten Bildungsfeindlichkeit nichts an Relevanz verloren. Vielleicht aktueller aber noch ist in einer Epoche grassierender Hoffnungs- und Mutlosigkeit sein Aufruf zur Hoffnung auf eine bessere Zukunft.“ 10)