Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Herderstraße

Uhlenhorst (1865): Johann Gottfried Herder (25.8.1744 Mohrungen/Ostpreußen – 18.12.1803 Weimar), Dichter, Theologe, Philosoph. Freimaurer.
Ergänzt 2017 um seine ebenso bedeutende Ehefrau Maria Karoline Herder, geb. Flachsland(1750-1809)
Neuer Erläuterungstext, benannt nach Johann Gottfried H. (1744-1803), Dichter, Theologe, Philosoph, und dessen Ehefrau Maria Karoline H. (1750-1809), eine der überragenden Frauengestalten des Weimarer Kreise im 18. Jahrhundert, Lektorin und Autorin


Siehe auch: Jean-Paul-Weg

1226 Johann Gottfried Herder
Porträt des Johann Gottfried Herder; Quelle: Anton Graff (Maler), gemeinfrei, via Wikimedia Commons

Bezug zu Hamburg: 1783 war Johann Gottfried Herder in Hamburg und lernte Klopstock (siehe: Klopstockstraße, Klopstockplatz, Klopstockterrasse) kennen und besuchte auch Matthias Claudius (siehe: Claudiusstraße).

Herder entstammte einer armen Kantorsfamilie in Ostpreußen. Sein Vater war der Glöckner, Kantor und Mädchenschullehrer Gottfried Herder (1706 - 1763). Er starb, als Johann Gottfried Herder 19 Jahre alt war. Seine Mutter war die zweite Ehefrau seines Vaters, hieß Anna Elisabeth, geb. Peltz (1717-1772) und starb, als Herder 28 Jahre alt war.

1226 Herder Karoline
Karoline Herder, geb. Flachsland; Quelle: Kopie von Anna Gerhardt, nach einem Aquarell aus dem Jahr 1770, gemeinfrei, via Wikimedia Commons

Ein Jahr nach dem Tod seiner Mutter heiratete Herder in Darmstadt am 2. Mai 1773 Maria Karoline Flachsland (28.1.1750 Reichenweier/Elsass – 15.9.1809 Weimar). Sie war bereits verwitwet. 1766 hatte sie den Amtmann Phil. Jacob Gull geheiratet.

Herder und Karoline Flachsland hatten sich 1770 durch Johann Heinrich Mercks Vermittlung in Darmstadt kennengelernt. Herder war damals auf der Durchreise. Sehr bald verlobten sie sich, und Herder reiste weiter nach Straßburg. Ihr Briefwechsel in dieser Zeit „gehört zu den wichtigsten Zeugnissen der Zeit, zeigt aber auch im Ringen der beiden Liebenden um eine Entscheidung die Zwiespältigkeit ihrer Charaktere.“ 1)

Karoline Flachsland hatte früh ihre Eltern verloren. Ihr Vater, ein Pfarrer, starb, als sie 5 Jahre alt war; ihre Mutter, als Karoline 15 Jahre alt war. Nach dem Tod der Eltern lebte sie im Haushalt ihrer „Schwester Friederike Katharina (1744-1801) in Darmstadt, die dort 1761 den Beamten Andreas Peter Hesse (1728–1803, 1770 geadelt) geheiratet hatte. Hier wurde sie Mitglied des Darmstädter Kreises, der zu den bedeutendsten Formationen der Empfindsamkeit gehört. Johann Wolfgang von Goethe, der bald ihr Freund wurde, (…) [auch] ihr zukünftiger Ehemann Johann Gottfried Herder gehörte (zeitweilig) diesem Kreis an.“ 2)

In der Neuen Deutschen Biographie heißt es über Karoline Flachslandin dieser Zeit: „Im Kreise um die ‚Große Landgräfin‘ (Goethe) Karoline von Hessen-Darmstadt und in der ‚empfindsamen‘ ‚Gemeinde der Heiligen‘ empfing sie entscheidende geistige und seelische Anregungen; die Eindrücke der verfahrenen Regierung und die Begegnung mit Friedrich Karl von Moser bestimmten ihr kritisches politisches Urteil noch lange Zeit. Franz Michael Leuchsenring und Johann Heinrich Merck standen ihr damals freundschaftlich nahe, Goethe nannte sie noch später oft seine ‚Schwester‘.“ 3)

Nach der Hochzeit im Jahre 1773 lebte das Paar in Bückeburg, wo Herder eine Stelle als Konsistorialrat und Hofprediger bekleidete. 1776 zog das Ehepaar durch Vermittlung Goethes nach Weimar, wo Herder Konsistorialrat am Weimarer Hof und Direktor des Wilhelm-Ernst-Gymnasiums wurde.

Das Paar bekam 7 Söhne und eine Tochter. Das erste Kind wurde 1774, das letzte 1790 geboren.

Karoline Flachsland arbeitete unermüdlich an der Reputation ihres Mannes. Sie war eine der überragenden Frauengestalten des Weimarer Kreises des 18. Jhds., blieb aber stets im Schatten ihres Mannes. Sie lektorierte und redigierte seine Schriften, ordnete nach seinem Tod den Nachlass und gab seine Werke nach seinem Tod heraus. Auch schrieb sie eine Biographie über ihren Mann.

In der Neuen Deutschen Biographie heißt es über das Wirken Karoline Herders: „Nach Herders Berufung nach Weimar 1776 öffnete sich hier für die Frau ein neuer Wirkungskreis im Kreise ihrer wachsenden Familie und der Freunde ihres Mannes; auch nahm sie an seiner amtlichen und schriftstellerischen Arbeit stets Anteil. Sie wurde die ‚Theano‘ der ‚Gott‘gespräche (1787), war auch Helferin beim Entstehen vieler Werke Herders (der ‚Volkslieder‘, der ‚Ideen‘, der ‚Zerstreuten Blätter‘) und führte besonders in späteren Jahren als seine ‚Secretaire‘ seine umfangreiche Korrespondenz. Vor allem aber galt ihre ganze Fürsorge, obwohl die früh Erschöpfte selbst oft krank war, dem alternden, hinsiechenden Manne. ‚Ohne Karoline kein Johann Gottfried Herder‘, rühmte Gleim von ihr. (…). Nach des Gatten Tode 1803 galt ihre Sorge nur noch ihren unter schwierigen Verhältnissen lebenden Söhnen, der Herausgabe von Herders sämtlichen Werken, die sie schließlich allein mit Johann Georg Müller bei Cotta seit 1805, freilich nicht ohne Mängel, durchführte, und der unermüdlichen Werbung für seine Gedanken.“ 4)

Auch die finanziellen Sorgen, die das Paar drückten, versuchte Caroline selbst zu tragen und Auswege daraus zu finden. So schrieb sie 1797 an J. G. Müller: „Ich bin nicht so glücklich wie jene Ameise, die zehn Heuschrecken auf sich laden und mit Muth forttragen kann. Mein Wille ist ganz gut, ich lade mir gern auf, aber am Ende will mir oft die Seele ausgehen …. Die Kinder, die Krankheiten meines Mannes, seine große Krankheit, die Reise und langwierige Krankheit seiner Schwester, hundert Dinge, die unser Stand nothwendig macht, haben endlich eine Bürde auf mich gewälzt, die mir gerade jetzt sehr drückend ist … Wollten Sie mir wohl durch Schortmann in Nürnberg 60 Carolins in Silbergeld auf vier Jahre verschaffen, und sich bei ihm für mich verbürgen? Ich und Gottfried [Herders ältester Sohn] unterschreiben es. Die Zinsen schicke ich alle Jahre gehörig an Schortmann. Nach diesen vier Jahren wünsche ich das Capital nach und nach abzahlen zu dürfen, nämlich 20 Carolins jedes Jahr…. Können Sie es thun, so werden Sie es thun, das weiß ich. Aber bald, bald, darum bitte ich angelegentlich. Haben Sie die Liebe, mir wo möglich mit rückkehrender Post zu schreiben…. Den Brief adressiren Sie gerade an mich. … Aus diesen Vorkehrungen sehen Sie freilich, daß mein Mann nichts davon weiß. Was soll ich ihn damit quälen. Er würde es nicht zugeben, daß ich Ihnen das ansinne….
Ach, liebster Freund, dieser Brief ist mir sauer geworden zu schreiben. Ich schrieb ihn gestern vor Schlafengehen und weinte mich satt im Bette. … Indessen sind in den letzten zwei Jahren meine Haare fast grau geworden, und ich verberge Vieles vor meinem Manne, um ihn heiter zu erhalten bei seinen Arbeiten.“ 5)

Herders Einstellung zu Frauen
Mit Herders Einstellung zum weiblichen Geschlecht hat sich Birgit Nübel beschäftigt: „In Herders fragmentarischer Frühschrift von 1765 Wie die Philosophie zum Besten des Volks allgemeiner und nützlicher werden kann finden wir unter der Rubrik 'Frauenzimmer' die stichwortartigen Bemerkungen ‚Ein Philosoph denke doch an ihre Auferziehung - Ist wichtig‘ und: ‚Haben keine Mittel; nicht Akademien; nicht Schulen; nicht Umgang; nicht Schriften‘. Doch aus dieser Analyse zur Bildungssituation der Frau folgt nicht etwa ein koedukatives Äquivalent zu einem schulreformerischen Entwurf für die männliche Jugend, wie in Herders Journal meiner Reise im Jahr 1769 (…), die Forderung, daß der Staat ‚den Weibern Cabinette, Hörsäle, Comptoire und Werkstätten‘ öffnen solle. Vielmehr heißt es in dem skizzenhaften Entwurf: ‚werde nicht Philos[ophinnen] - nicht gelehrt – (…) lerne nicht auswendig, lerne nichts Männliche, Fremde: Kriege – Politik‘. Die stakkatoartigen Sentenzen lassen die Stoßrichtung der Argumentation nicht im Unklaren: Die grundlegende Unterscheidung ‚zwischen einem gelehrten Mann und Frau‘ - wohlgemerkt nicht jene zwischen dem Typ des gelehrten Mannes und der gelehrten Frau, sondern zwischen dem gelehrten Mann auf der einen Seite und 'der Frau' auf der anderen Seite - führt auch ohne den ausgeführten Begründungszusammenhang zum Ausschluß der Frauen, vor allem jener ‚Daciers‘, welche trotz Berufsverbot die Gelehrsamkeit professionell betreiben, aus öffentlich-staatlichen Bildungsinstitutionen und Wissenschaftsbetrieb. Den gehäuften Negationen steht als Position der Imperativ entgegen: ‚lerne schön denken‘. Der männlichen Gelehrsamkeit korrespondiert nicht die weibliche, sondern der 'schöne Verstand'. (…)“ 6)

Birgit Nübel forschte noch nach weiteren Äußerungen Herders über das weibliche Geschlecht, und sie fand noch mehr: „In der dritten Sammlung der Fragmente Über die neuere deutsche Literatur von 1767 stellt Herder die 'gelehrte' bzw. 'philosophische' und die 'gemeine' bzw. 'aestetische' Sprache einander gegenüber: ‚Ein Frauenzimmer, das gut, nicht aber gelehrt, erzogen ist, wird über Dinge, die in ihrer Sphäre sind, mit einer Geläufigkeit, ungekünstelten Bestimmtheit, und naiven Schönheit sprechen, daß sie gefällt; kömmt aber ein Schulgelehrter, der ihre Worte wägen will: so wird sie schüchtern werden; will er philosophische Erklärungen und Bestimmungen; so wird sie stammeln - nochmals stammeln, und endlich dasselbe Wort wiederholen; will er jetzt aber grammatische Zierlichkeiten lehren, wie sie es besser hätte sagen können: so wird sie sich loswinden, und ihn von weiten anhören: / als ob der graduierte Mann / mit einem Zauberfluche / sie zu beschwören suche. / Warum? sie ist gewohnt, über ihre Welt klar, aber nicht logischdeutlich zu denken, verständlich und schön, aber nicht gelehrt und abgezirkelt zu sprechen‘.“7)

Birgit Nübel interpretiert dieses Weltbild Herders von Frau und Mann wie folgt: „Zwischen der logisch-deutlichen und der sinnlich-schönen Sprache, denen jeweils die Konzepte 'Männlichkeit' resp. 'Weiblichkeit' zugeordnet sind, soll jedoch - so Herder - kein ‚Zaun‘ errichtet werden. Er beschreibt beide Erkenntnisformen bzw. Kommunikationsebenen als zwei nicht konzentrische Kreise ohne gemeinsamen Mittelpunkt, jedoch mit einer gemeinsamen Schnittfläche. Die Frau darf zwar von ihrer Seite des Zauns nicht den ‚schönen Garten‘ des häuslichen Zirkels verlassen, ‚nie über die Grenzen ihres Geschlechts hinaus[treten]‘. Doch der Mann kann versuchen, seinen Gesichtspunkt dem Mittelpunkt der Frau anzunähern, um gleichsam über den Gartenzaun hinweg in ihrer Sprache mit ihr zu sprechen. Die ‚Enzyklopädie der Frauenzimmerwissenschaften‘ bzw. ‚das Lehrbuch zu ihrer Bildung‘ darf dem nach nicht ‚nach gelehrtem Zuschnitt sein: es muß statt eines Skeletts von Schulweisheit sich ihrem Verstande bequemen: und weil in der Welt der Damen immer die Worte gleichsam die Hüllen sind, in denen sie denken: so ist es das sicherste Zeichen, daß man dies erreicht, wenn man in ihrem Bezirk mit ihnen sprechen gelernt‘. (…).“ 8)

Mit diesen Vorstellungen von Frauen- und Männerbildung ging Herder auch auf Brautschau. Er „wünscht sich seine junge Braut durchaus bildsam, aber nicht gelehrt, belesen, jedoch nicht verbildet“ 9), schreibt Birgit Nübel und präsentiert die entsprechenden Zitate aus dem Munde Herders: „‘wie sehr reizt an einem Frauenzimmer Bescheidenheit und Blödigkeit. Sie ist Gewand und die Mine der Unschuld, wie die Schaamröthe davon die Farbe ist‘. (…)
: ‚alle Sachen, alle Materien, alle Wißenschaften sind nie für die Weiber, und über viele können sie in ihrem Leben nicht anders als schiefe Urteile fällen‘, (…), ‚allein desto beßer für sie, daß nicht für sie sind. Für sie bleibt nur das, was bildet, was die Seele Menschlich aufklärt, die Empfindungen Menschlich verfeinert, und sie zur Zierde der Schöpfung, zum Reiz der Menschlichen Natur, zum höchsten Gut der Glückseligkeit eines fühlbaren, würdigen Jünglings, zu immer neuen, immer angenehmen Gattin eines würdigen Mannes, zum Vergnügen einer guten Gesellschaft und zur Erzieherin guter Kinder macht!‘“ 10)

Herder und Antisemitismus
Der Historiker Felix Sassmannshausen schreibt in seinem für das Land Berlin verfassten Dossier über Straßen- und Platznamen mit antisemitischen Bezügen in Berlin: „Der Aufklärungsphilosoph Herder artikulierte im dritten und vierten Teil seiner Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit frühantisemitische Motive.“11) Sassmannshausen gibt die Handlungsempfehlung für den Umgang mit diesem Straßennamen: „Digitale Kontextualisierung.“ 12)