Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Vorwerkstraße

St. Pauli (1957): Georg Friedrich Vorwerk (27.4.1793 Hildesheim - 4.2.1867 Hamburg), Kaufmann, Handelsrichter, Kommerzdeputierter.


Siehe auch: Beim Amsinckpark

Georg Friedrich Vorwerk war der Sohn von Johann Heinrich Wilhelm Vorwerk (1763-1847), Advokat und Notar und Henriette Katharina Charlotte, geb. Fricke (1763-1837).

Georg Friedrich Vorwerk war Kaufmann. Drei Jahre bevor er heiratete, hatte er 1823 gemeinsam mit Hermann Hochgreve, mit dem er einst zusammen eine Kaufmannslehre absolviert hatte, eine eigene Firma „Hochgreve & Vorwerk“ gegründet. Sie exportierten Englische Baumwollwaren und deutsches Leinen und importierten Kaffee, Tabak, Zucker, Gewürze, Farbhölzer zum Beispiel aus Lateinamerika (Chile). Später handelte Vorwerk, der ab 1846 Alleininhaber der Firma war, auch mit Kupfer und Salpeter. Siehe zum Thema Salpeter und dessen Abbau sowie zu den Arbeitsbedingungen unter: Slomanstraße. Seit 1847 hatte er eine Niederlassung in Valparaiso. Hinzu kam ab Mitte des 19. Jahrhunderts ein Reedereibetrieb mit eigenen Segelschiffen. Außerdem beteiligte sich Vorwerk 1872 an der Gründung der Dampfschifffahrts-Gesellschaft "Kosmos", die einen Linienbetrieb zwischen Hamburg und der Westküste Südamerikas betrieb. Wegen all dieser kaufmännischen Aktivitäten kann Georg Friedrich Vorwerk als Kolonialakteur bezeichnet werden. Deshalb wird er auch unter Koloniale Spuren im öffentlichen Straßenraum www.google.com/maps/d/viewer?mid=19ofi7hSFkKY0Ixjar9GjarxBgyg&hl=de&ll=53.623809000000016%2C10.029569000000038&z=11 aufgeführt.

In dieser Zeit, als Vorwerk sich kaufmännisch mit seiner Firma stark im Lateinamerikahandel engagierte, hatte der hamburgische Handel mit Lateinamerika einen besonderen Impuls bekommen. Chile hatte um seine Unabhängigkeit von den Kolonialmächten erfolgreich gekämpft. Das bedeutete für die Hamburger Kaufleute, dass sie ihre Waren nicht mehr über die Kolonialmächte wie Spanien nach Chile transportieren brauchten, sondern der Warenaustausch konnte nun direkt mit den lateinamerikanischen Ländern erfolgen. Dieser Tatbestand führte bei Martin Haller, dem damaligen Präses der Commerzdeputation (der späteren Handelskammer) zu dem Ausspruch: „Wir können auch sagen: Hamburg hat Kolonien erhalten.“

Georg Friedrich Vorwerks Privatleben
„Hätte er in einer Zeit gelebt, in der das Korsett von Moral und Sittlichkeit nicht ganz so eng geschnürt gewesen wäre, man hätte ihn einen Schürzenjäger genannt. Schließlich, ‚als Amor bei Laune war‘, traf er auf Dorothea de Voss, (1809-1885) ein Geschöpf aus der Nachbarschaft [Katharinenstraße 23], Tochter des Kaufmanns Gerhard de Voss. Die Hochzeit wurde anberaumt,[sie fand im Februar 1826 statt] doch nur wenige Monate danach starb die junge Frau Vorwerk [im Alter von 25 Jahren am 22. 8. 1826] am Fieber. Der untröstliche Fritz fand, ‚dass meine geliebte Doris zu zart für diese Welt‘ war, entwickelte aber bald darauf eine ‚zarte Beziehung‘ zu ihrer Schwester Christiane [1809-1885], die er dann auch prompt zwei Jahre später heiratete.“ 1)

Zum Tode seiner ersten Frau schrieb Vorwerk in seinem Nachruf auf sie: „Die dahin geschiedene zeichnete sich vor Vielen ihres Geschlechtes durch seltene Tugenden der christlichen Frömmigkeit und Sanftmuth aus. So wie sie durch tugendhafte Eltern in ihrer Jugend geleitet war, wandelte sie später bey gereiftem Verstande selbst den Pfad der Liebe, der sanften versöhnlichen Duldung. (…) Ihrem in die Ewigkeit vorangegangenen Vater war sie, vielleicht mit einiger Aufopferung ihrer Gesundheit, eine kindliche Pflegerin in den ersten Tagen seiner schweren Leiden. Als Braut war sie durch die Krankheit ihres Erwählten [Vorwerk litt einige Zeit vor der Hochzeit an einer Halsentzündung, R. B.] geprüft und zeigte wiederum eine zärtliche hülfreiche Theilnahme, eine himmlische Geduld. Mutter und Geschwister haben jeder Zeit viele Beweise ihrer aufopfernden Liebe genossen. Nach ihrer Verehelichung hing sie mit der größten Zärtlichkeit an ihrem Gatten; sie war ganz geschaffen, um häusliches Glück vollkommen zu machen, sie ebnete, wo sie konnte, mit stiller Sanftmuth die Lebensbahn. Der gütige Himmel schenkte ihr bey anscheinend blühender Gesundheit die Aussichten auf nahe Mutterfreuden, und erhöhte dadurch die frohen Erwartungen von der Zukunft dergestalt, daß der harte Schlag ihres Todes zu schmerzhaft fühlbar werden musste! Der Höhe der schönsten Ehe und Vaterfreuden plötzlich in die tiefste einsame Trauer herab!. (…)“ 2)

Mit seiner zweiten Ehefrau Christiane bekam Georg Friedrich dreizehn Kinder. „Christiane und ich pflegten es so zu halten, dass alle zwei Jahre ein Kind geboren wurde.“ Die ersten beiden Söhne starben bereits im Kleinkindalter.

Im Sommer lebte das Paar mit seinen Kindern in einem Gartenhaus in Bahrenfeld, später in einer Villa in Klein Flottbek in der heutigen Baron-Voght-Straße 19. Im Winter wohnte es in der Katharinenstraße 25. „Die Wohnräume waren hier so verteilt, daß sich im ersten Stock nach der Straße zu zwei Wohnzimmer befanden; daran schloß sich der über der Diele liegende große Vorplatz, der später zu einem Tanzsaal ausgebaut wurde; und dann im Mittelhaus über dem Comptoir das Eßzimmer, in dem um vier Uhr nachmittags gegessen wurde. Im oberen Stock lagen die Schlafräume.“ 3)

Das Ehepaar Vorwerk unternahm viele Reisen, auch ins Ausland. Die Kinder wurden derweil von Erzieherinnen beaufsichtigt und erzogen.

Vorwerks wirtschaftspolitische und soziale Betätigung
Der vielfache Vater betätigte sich neben seiner Kaufmannstätigkeit als Handelsrichter (1833-1836), Präses der Commerzdeputation (ab 1840). In dieser Funktion sorgte er für die „Herabsetzung bzw. Abschaffung der Zölle, insbesondere des Stader Zolls und der Elbzölle, (…) die Hafenerweiterung und die Vertiefung des Fahrwassers, den Bau der ersten Eisenbahn von Hamburg nach Bergedorf und den Neubau der Börse (…).“ 4)

1848 wurde er als Abgeordneter Hamburgs zum Vorparlament nach Frankfurt a. M. entsandt.
Georg Friedrich Vorwerk betätigte sich auch als Stifter. 1854 gründete er die „Georg-Friedrich-Vorwerk-Stiftung“. Sie unterstützte finanziell bedürftige Eltern aus dem Katharinenkirchspiel bei der Ausbildung ihrer Kinder. Auch war er Stifter des 1866 ins Leben gerufenen „Asyls Vorwerk“, das über 34 Freiwohnungen für Arme verfügte und an der heutigen Vorwerkstraße lag.

Im Alter von 72 Jahren kaufte Vorwerk ein neues Haus an der Alsterglacis 8. Zwei Jahre später verstarb er.

Das Leben der Witwe Vorwerk
Nach dem Tod ihres Gatten erbte seine damals 59-jährige Frau das gesamte Vermögen (ca. 11 Millionen Banko sowie zwei Häuser am Wallgraben und ein Haus in Flottbek). „Sie übernahm die Rolle als strenge und zugleich gütige Matriarchin, die ihre Schwiegersöhne siezte, von ihren Enkelkindern geliebt und von allen geachtet wurde.“ 5)

„Dem Wunsche ihres verstorbenen Gatten nachkommend, vereinigte sie allsonntäglich, am ersten Weihnachtstage und am Neujahrstage die in Hamburg befindlichen Kinder und Kindeskinder zum Mittagsmahl in ihrem Hause, im Winter am Alsterglacis und im Sommer in Flottbek, und wußte so die Familie zusammenzuhalten. (…) Die außerhalb Hamburgs lebenden Familienmitglieder wußte Frau Christiane dadurch an sich zu fesseln, daß sie in jedem Sommer eine große Rundreise auf die Güter ihrer Schwiegersöhne und ihres Sohnes Gustav unternahm. (…) Sie behielt aber auch die hübsche Sitte ihres Mannes bei, die auswärts wohnenden Familien alljährlich auf längere Wochen nach Hamburg einzuladen, wo dann die ganze Familie in ihrem geräumigen Haus untergebracht wurde. (…).

Ihre Lebenshaltung war hochherrschaftlich, ihre Kleidung, die sie aus Paris bezog, stets sehr elegant. (…) Bei den sonntäglichen Familientagen wurde ein genaues Zeremoniell eingehalten. Die Gesellschaft versammelte sich in den Salons und spazierte dann paarweise eingehakt unter Vorantritt des Bürgermeisters Weber, der als Würdigster seine Schwiegermutter führen durfte, in den Speisesaal; so ging dieser Zug am Alsterglacis aus der ersten Etage die Treppe hinab durch die große Halle. Bei dem vorzüglichen, mit guten Weinen und Champagner gewürzten Mahl, an dem die konfirmierten Enkelkinder teilnehmen durften, ging es infolge des lebhaften und geistsprühenden Wortwechsels zwischen Wilhelm und Bürgermeister Weber häufig geräuschvoller zu, als der alten Dame lieb war. Nach Tisch wurde ihr dann zum Kaffee im kleinen Salon ein Tablett mit ‚Schuhsohlen‘ gereicht. Jetzt mußten alle Enkelkinder, die vorher unter Hannchens Aufsicht Milch und Kuchen erbaten und dann gespielt, auch wohl verbotenerweise auf den Teppichen geglitscht hatten, einzeln bei der Großmutter vorbeidefilieren, um aus ihren weichen gütigen Händen eine ‚Schuhsohle‘ in Empfang zu nehmen, wobei sie in Augenschein genommen und gegebenenfalls angesprochen wurden. (…)

Dem Umfang der Hausstandsführung und des Wirtschaftsbetriebes entsprach naturgemäß auch der Domestikenstab. Da waren zunächst als Hauptpersonen das kleine geschäftige Hannchen und der Silberdiener Fritz, dann die dicke Mamsell Margret, der korpulente Hausdiener Ebert, der lange Kutscher Tegtmeyer und der emsige Gärtner Gerhard. Diese Domestiken (…) führten (…) das Kommando über das übrige Personal. Auch dieses, bestehend aus mehreren Hausangestellten, Gartenarbeitern und Stalljungen, wechselte selten, da Frau Christiane sehr gut mit ihren Leuten umging. Es war auch immer still und ordendlich in ihrer Umgebung. (…)

Ihre Ausfahrten machte Frau Christiane stets im zweispännigen Wagen, kerzengerade sitzend; auf dem Bock thronte neben dem würdigen Tegtmeyer der Diener Fritz, der aber natürlich immer zum Türöffnen und –schließen herabklettern musste. Bei diesen Spazierfahrten liebte Frau Christiane es, gelegentlich auszusteigen und ein Stückchen zu Fuß zu gehen, während der Wagen langsam folgte. Begegnete sie dann Bekannten, so grüßte sie diese mit der ihr eigenen kleinen Verbeugung, einem würdevollen und höflichen Verneigen, um das sie von mancher Dame beneidet wurde. (…)
Frau Christiane war (…) zweimal wöchentlich auf die Eckloge im ersten Rang des Stadttheaters abonniert.“ Die Billets nutzen auch die Töchter und Schwiegertöchter. (…)

Im persönlichen Umgang mit ihren Enkelkindern glückte es ihr (…) nicht, deren Gegenliebe in dem Maße zu erwecken, wie es sonst der Fall zu sein pflegt. Dafür trat bei ihr das erzieherische Moment zu sehr in den Vordergrund. Dies kann nicht wundernehmen, da sie sich von ihrem 19. Lebensjahr ab der Kindererziehung gewidmet hatte. Hatte sie doch selbst 13 Kinder zur Welt gebracht und war schon vor der Geburt ihres Jüngsten ihr erstes Enkelkind erschienen, an das sich zahllose andere reihten, bis deren Anzahl schließlich auf 61 gestiegen war. Wenn man hierzu berücksichtigt, daß ihr Ehemann eine ebenso strenge Kindererziehung für richtig gehalten und durchgeführt hatte, wodurch sie naturgemäß mit beeinflußt worden war, so ist verständlich, daß sie im höheren Alter nicht mehr besonders zu Zärtlichkeiten und freundlicher Teilnahme an kindlichen Interessen neigte, sondern die Kinder eher mit kritischen Blicken musterte und gelegentlich durch ein mahnendes Wort zurechtwies. (…)

So konnte im allgemeinen keine rechte Vertrautheit aufkommen. An anderer Stelle trat eine gewisse Scheu vor der Respektsperson, dem gestrengen Haupt der Familie.“ 6)

Anna Marie Vorwerk: die Nichte, Pädagogin
Anna Marie Vorwerk (geb. 12.4.1839 Königslutter-?), Tochter von Georg Friedrich Vorwerks Bruders Wilhelm, erhielt von ihrem Onkel Vorwerk im Jahre 1863 eine Schenkung von 10.000 Courantmark. Anna Vorwerk „wurde Mitbegründerin der aus einem Kindergarten entwickelten Wolfenbüttler Schloßschule und später die langjährige Leiterin der gesamten, aus Elementarklassen, höherer Töchterschule und Lehrerinnen-Seminar bestehenden ‚Schloßanstalten‘ zu Wolfenbüttel, welche sich eines hervorragenden Rufes und großen Zuspruchs erfreuten.“ 7)