Reineckestraße
Bahrenfeld (1919): Carl Reinecke (23.6.1824 Altona - 10.3.1910 Leipzig); Komponist, Dirigent, Kapellmeister der Gewandhausorchesters.
Carl Reinecke war der Sohn von Johanna Henriette Reinecke, geborene Wetegrove und des Musiklehrers Johann Peter Rudolf Reinecke.
Seine Schwester war Marie Reinecke (vor 1884 - [nach 1906]), die Musikpädagogin war und eine Musikschule gegründet hatte. „1884 gründete sie – unverheiratet als Fräulein bezeichnet – in Wolfenbüttel eine Musikschule und ein Seminar für unverheiratete Musiklehrerinnen mit angeschlossener Klavier- und Gesangsschule.
Anfang der 1890er Jahre errichtete Maria Reinecke eine ‚Hochschule für Musik‘ in Hannover und wohnte in den dortigen Räumen des Seminars für Musiklehrerinnen im Hause Höltystraße 13. In dieser Zeit unterrichtete sie auch selbst (…).“ 1)
Carl und Marie Reineckes Mutter starb, als Carl Reinecke vier Jahre alt war. Gerhard Hahne schreibt in seiner Biografie über Carl Reineckes Kindheit und Jugend: „Da von schwacher Statur, wurde Carl R. von seinem Vater unterrichtet, wobei die Musik früh eine entscheidende Rolle spielte. Zum Klavierspiel gesellte sich das Geigenspiel, wozu vom 8. Lebensjahr an die Unterweisung in Musiktheorie kam. (…). Als Pianist trat er solistisch zum erstenmal mit 11 Jahren auf einer Veranstaltung des Altonaer Orchestervereins am 14.1.1836 vor die Öffentlichkeit. In diesem Alter erteilte er seinen ersten Privatunterricht in Geige, Gesang und Gitarre, während die Unterweisung an seinem Hauptinstrument, dem Klavier, erstaunlicherweise erst später verlangt wurde, vor allem, da er 1839 konfirmiert worden war und zum Lebensunterhalt der Familie beitragen mußte. Auch komponierte er fleißig.“ 2)
Zum weiteren Fortkommen ging Reinecke nach Kopenhagen, trat dort auf, kehrte zurück nach Altona und reiste von dort nach Leipzig, wo er 1843 erstmals im Gewandhauskonzert auftreten durfte.
Reinecke wurde schnell als Pianist und Kammermusiker bekannt und trat in verschiedenen Städten und bei Hauskonzerten auf. Dabei lernte er Robert Schumann kennen (siehe: Schumannstraße). Schließlich erhielt er eine Anstellung als Hofpianist am Hofe Christian VIII., der Reinicke protegierte. So blieb Reinecke ca. zwei Jahre in Kopenhagen. Nach dem Tod von Christian VIII. reiste Reinecke als Klaviervirtuose durch die Lande. Er konzertierte auch mit Clara Schumann (siehe: Schumannstraße). Durch Vermittlung erhielt er eine Anstellung als Lehrer für Klavierspiel an der Rheinischen Musikhochschule in Köln, wo er von 1851 bis 1854 wirkte. 1854 ging er, wieder durch Vermittlung, nach Barmen, wo er eine Kapellmeisterstelle erhielt. „Als städtischer Musikdirektor und Dirigent verschiedener Chöre bereicherte er Barmens Musikleben beträchtlich. Man betraute ihn mit der Leitung der drei Männerchorfeste in Neuß, Cleve und Krefeld und forderte ihn zur Teilnahme an den Düsseldorfer Konzerten des Niederrheinischen Musikfestes 1856 auf. Zahlreiche Konzerte führten ihn durch Westdeutschland, (…). Eine weitere Zwischenstation war Breslau, wo er 1859/60 als Leiter der Singakademie und Universitätsmusikdirektor tätig war. 1860 wurde R. nach Leipzig berufen, wo er als Dirigent der Gewandhauskonzerte und Lehrer am Konservatorium eine hochgeachtete, wenn auch etwas umstrittene Position einnahm, die er 35 Jahre später unter unschönen Begleitumständen verlassen mußte.“ 3) Neben seiner beruflichen Tätigkeit in Leipzig trat er in vielen deutschen Städten und auch im Ausland als Pianist auf, so in Dänemark, England, Schweden, Petersburg und Moskau. 4)
Als Reinecke finanziell sichergestellt war, ab 1851 war er Dozent für Klavier am Konservatorium in Köln, heiratete er 1852 die von ihm verehrte Betty Hansen. Das Paar bekam drei Kinder. 1860 starb seine Frau. „Es war der erste große Schmerz in meinem Leben. Ihre letzten Worte 'du hast mich unaussprechlich glücklich gemacht' waren wohl schöne Worte, aber es waren ihre letzten!“ 5) Auf der Carl Reinecke Website von Stefan Schönknecht heißt es über das weitere private Leben des Witwers mit kleinen Kindern: „Während des ersten Leipziger Jahres kümmerte sich Reineckes Halbschwester Mathilde um die drei Kinder. Doch nach dem Weggang der Schwester gestaltete sich die Situation für den Kapellmeister als unerträglich: ‚Die Verhältnisse in meinem Hause wurden mit der Zeit unerfreulich. Meine Schwester Mathilde, die mir anfangs in Leipzig mein Hauswesen geleitet und für die Kinder gesorgt hatte, mußte wieder ins Elternhaus zurückkehren, weil die Eltern ihre Kraft nicht länger entbehren konnten. Durch meinen Beruf war ich gezwungen, oft halbe Tage und länger aus dem Hause zu sein, so daß die Kinder zum großen Teile der Vorsorge der Dienstboten anheim gegeben waren. So glücklich ich in den sieben Jahren meiner ersten Ehe gewesen war, umso mehr ersehnte ich mir wieder ein ähnliches Glück und den halbverwaisten Kindern eine zärtliche Mutter.‘ Am 7. Oktober 1860, während des zweiten Abonnementkonzerts Carl Reineckes als Gewandhauskapellmeister, gab eine junge Sängerin aus Berlin, Charlotte Scharnke [1831-1868], ihr Debüt im Gewandhaus. Bereits im August 1861 wurde sie Reineckes zweite Frau: ‚Ein gütiges Geschick führte mir [...] Charlotte Scharnke zu. Die Verbindung mit ihr gereichte den Kindern wie auch mir zum Segen, da sie nicht allein herrliche Eigenschaften als Gattin und Mutter besaß, sondern auch Verständnis sowie Begeisterung für meine Kunst, eine Eigenschaft, die freilich für mich von höchster Bedeutung, ja, unerläßlich war. Sie selber war eine vortrefflich ausgebildete Sängerin, die öfters im Gewandhause gesungen hatte und für die ich u. a. die Konzertarie Mirjams Siegesgesang komponiert habe.‘
Aus der Ehe mit Charlotte Scharnke gingen zwei Töchter und zwei Söhne hervor. (…). Nach sieben Jahren Ehe, im Jahr 1868, starb auch Charlotte [wahrscheinlich bei der Geburt des Sohnes Franz]. Reineckes Schwägerin, die ältere Schwester seiner zweiten Frau, führte von nun an den Haushalt, jedoch kam es erneut zu unüberwindlichen Schwierigkeiten: ‚Sie war eine gute Frau und waltete ihres Amtes nach bester Einsicht, aber vermochte dennoch nicht, mir Haus und Leben angenehm zu machen, zunächst, weil sie mir in fast krankhafter Weise in Allem und Jedem opponierte, den Kindern gestattete, was ich verboten hatte. Im Hause der hochbetagten Eltern war sie als älteste Tochter gewöhnt worden, ein unbeschränktes Regiment zu führen und konnte sich jetzt absolut nicht darein finden, den Ansichten und Wünschen eines Anderen Rechnung zu tragen. Überdies stand sie auf einem ganz anderen Niveau wie ihre verstorbene Schwester und verstand durchaus nicht zu repräsentieren, was in meinem Hause, in dem so viele bedeutende Künstler verschiedenster Nationen ein- und ausgingen, unerläßlich war. Infolgedessen brachte sie mich nicht selten in peinliche Situationen. Da sie aber bei alledem eine herzensgute Frau war, mußte ich mich stillschweigend in's Unvermeidliche schicken.‘ Im Jahr 1872 heiratete Reinecke zum dritten Mal. Interessant ist das entsprechende Zitat aus der Autobiographie, das im Dresdner Exemplar fehlt, aber bei Topusov zu lesen ist, dem – wie bei der Beschreibung der Quellenlage erwähnt – weder das Dresdner noch das Hamburger Exemplar vorlag: ‚Nachdem ich ganze vier Jahre unter dem Regime meiner alten Schwägerin gelebt hatte, durfte ich mich endlich wieder einer glücklichen Häuslichkeit erfreuen, denn Du, für die ich diese Blätter schreibe, und mit der ich nun über 30 Jahre vereint bin, wurdest meine Frau! Ich brauche also über diese Wendung in meinem Lebensgange kein Wort zu verlieren [...].‘ Bereits in einem Brief vom 4. April 1872 aus London hatte der 47jährige Reinecke an seine Eltern geschrieben: ‚Ich sehe jetzt wieder mit froher Zuversicht einer glücklichen Zukunft entgegen, denn am gestrigen Tage habe ich mich mit Margarethe Schifflin [1849-1920] aus Crefeld verlobt. Dass ich sie für ein Mädchen von seltener Vortrefflichkeit halte, brauche ich nicht erst zu sagen, denn Ihr kennt mich genug, um zu wissen, dass ich mich nicht durch Schönheit oder Reichtum zu einem Schritte würde verleiten lassen, bei dem ich ebenso an das Wohl meiner Kinder, wie an mich selbst zu denken habe.‘
Aus dieser Ehe gingen zwei Töchter hervor, so daß Carl Reinecke während seiner drei Ehen insgesamt Vater von neun Kindern geworden ist. Zu Margarethe Reinecke sind sehr negative Äußerungen von Janacek überliefert, der das Auftreten von Reineckes dritter Frau in Konzerten als äußerst abstoßend beschrieb. Leider sind außer Reineckes Aussagen in der Autobiographie keine andere Quellen über Margarethe Reinecke bekannt, die klären könnten, ob Janaceks Charakterisierung zutreffend gewesen ist. (…)“. 6).