Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Schumannstraße

Barmbek-Süd, seit 1876, benannt nach dem Pianisten und Komponisten Robert Schumann. 2001/2002 ergänzt um die ebenso bedeutende Ehefrau Clara Schumann. Neuer Erläuterungstext: benannt nach dem Musikerehepaar Clara Sch. (13.9.1819 Leipzig–20.5.1896 Frankfurt a. M.), Pianistin und Komponistin, Herausgeberin der Werke ihres Mannes, und Robert Sch. (1810–1856), Pianist, Musikschriftsteller und Komponist


Siehe auch: Bettinastieg
Siehe auch: Droste-Hülshoff-Straße
Siehe auch: Geschwister-Mendelssohn-Stieg
Siehe auch: Brahmsallee
Siehe auch: Bülowstieg
Siehe auch: Stockhausenstraße
Siehe auch: Chamissoweg

Ganz im Sinne patriarchaler Denkstrukturen wurde 1876 die Schumannstraße nur nach Robert Schumann benannt, obwohl Clara Schumann zu Lebzeiten eine der bedeutendsten Vertreterinnen der musikalischen Romantik in Deutschland gewesen war – also genauso bekannt wie ihr Gatte Robert. Doch in Erinnerung sollte nur er bleiben – eben ganz im Sinne eines patrriarchalen Gesellschaftssystems. Erst gut 130 Jahre später wurde die Straße dann auch nach der ebenso bedeutenden Ehefrau Clara Schumann mitbenannt.

Clara Wieck, später verheiratete Schumann, erhielt bereits im Alter von fünf Jahren durch ihren Vater, einen bekannten Leipziger Klavierpädagogen, der mit Klavieren handelte, eine Musikalien-Bibliothek unterhielt und ein Internat für Musikschüler betrieb, eine Ausbildung zur Pianistin. Im selben Jahr trennten sich die Eltern. Clara und ihre beiden älteren Brüder blieben beim Vater. Die Mutter zog mit dem ihr noch verbliebenen Sohn und dessen Vater nach Plauen.

Vater Wieck konzentrierte „sein ganzes Lehrtalent auf Clara, die das Ebenbild seiner geschiedenen Frau war (...)“. 1)

Als Clara neun Jahre alt war, hörte sie der damals 18-jährige Robert Schumann in einem Hauskonzert spielen. Schumann, Student der Rechtswissenschaft und „eine äußerst sensible, gespaltene Persönlichkeit, die zwei Seelen in der Brust trug, denen er die Namen ‚Eusebius‘ und ‚Floretan‘ gegeben hatte, [war] frustriert vom Studium der Jurisprudenz [und] beschloß (…), Musikunterricht bei Vater Wieck zu nehmen“. 2)

Clara trat als Wunderkind bereits ab ihrem elften Lebensjahr im Leipziger Gewandhaus auf. Sie schrieb eigene Kompositionen, machte Konzertreisen durch Deutschland und spielte auch vor Goethe (siehe: Goetheallee) in Weimar, der sie mit den Worten lobte: „Dies Mädchen hat mehr Kraft als 6 Knaben zusammen!“ 3)

Clara betrachtete Robert Schumann als großen Bruder und er sie als Schwester – bis er sich mit der Wieck-Schülerin Ernestine von Fricken verlobte, die damals 16-jährige Clara Wieck eifersüchtig darauf reagierte und Schumann dadurch in ein Gefühlschaos geriet. Jetzt erkannten Clara und Robert ihre Liebe zueinander. Schumann löste die Verlobung, und als Clara volljährig wurde, heiratete das Paar 1840 – allerdings gegen den Willen des Vaters. Er, der seine Tochter als sein Kunstwerk betrachtete, befürchtete, dass Schumann es zerstören würde. 4)

Sieben Jahre vor der Hochzeit hatte Schumann einen psychischen Zusammenbruch erlitten, wobei ihn das Gefühl übermannte, „den Verstand zu verlieren“. Er schrieb damals in sein Tagebuch: „(…) damals lief ich denn auch (…) zu einem Arzt und sagte ihm alles, daß mir die Sinne oft vergingen, daß ich nicht wüßte, wohin vor Angst, ja, daß ich nicht dafür einstehen könnte, daß ich in so einem Zustand der äußersten Hilflosigkeit Hand an mein Leben lege (…). Der Arzt tröstete mich liebreich und sagte endlich lächelnd: ‚Medizin hülfe hier nichts: suchen Sie sich eine Frau, die kuriert‘“. 5)

Die Liebe zu Clara schien zu helfen. Nun von Angst befreit, glücklich verliebt, schuf Schumann allein im ersten Ehejahr hundert Lieder und beide, Clara und er, vertonten zwölf Gedichte. Doch: „Mit der Zeit brachte der Alltag für zwei so ausgeprägte Künstlernaturen außergewöhnliche, aber verständliche Probleme. ‚Wenn Robert komponierte, schloß er sich ein, war nicht ansprechbar, gereizt und einsilbig.‘ Und Clara konnte nicht üben, da die Wände zu hellhörig waren.“ 6)

Das Paar bekam im Laufe ihrer Ehezeit acht Kinder. Neben der vielen anfallenden Haus- und Mütterarbeit gab Clara weiterhin Konzerte, organisierte Tourneen durch Deutschland und komponierte zahlreiche Lieder, ein Klaviertrio und Klavierstücke.

Schumann begleitete sie oft auf ihren Tourneen. Wurde er jedoch dabei nicht genügend beachtet und stand im Schatten seiner Ehefrau, reiste er unverzüglich ab. Nach solch einem Vorfall schrieb er ihr einmal: „Soll ich denn mein Talent vernachlässigen, um Dir als Begleiter auf der Reise zu dienen? Und Du, sollst Du Dein Talent ungenutzt lassen, weil ich nun mal an Zeitung und Klavier gefesselt bin? Wir haben den Ausweg getroffen. Du nahmst eine Begleiterin, ich kehrte zum Kind zurück und zu meiner Arbeit.“ 7)

Doch ohne Clara konnte Schumann nicht schöpferisch wirken, nicht komponieren und verfiel in Trübsinn. Nur Clara vermochte ihn da heraus zu holen, pflegte ihn, wenn er wieder an seinem Nervenleiden erkrankte und wollte ihn, den Künstler – wie sie schreibt: „verschonen von aller Prosa, wie sie nun doch einmal im ehelichen Leben nicht ausbleibt“. 8)

Clara nahm sich als Künstlerin zurück. Im Vordergrund stand für sie, ihrem Ehemann ein seiner „Kunst geweihtes Leben [zu] schaffen“. 9) Und er? Er erkannte zwar, „daß Clara zu wenig Gelegenheit hatte, um ihre technischen Übungen am Klavier zu machen, da sie auf sein Komponieren Rücksicht nahm, doch wollte er daran auch nicht rütteln: ‚Daran bin ich schuld, und kann es doch nicht ändern. Clara sieht das auch ein, daß ich mein Talent zu pflegen habe (…)‘“. 10)

Die Geldsorgen, die die junge Familie Schumann oft plagten, wurden gelindert, als Robert Schumann 1842 eine Anstellung als Lehrer für Komposition, Klavier und Partitur Spielen am Leipziger Konservatorium bekam, das auf Betreiben von Felix Mendelssohn (siehe: Geschwister-Mendelssohn-Stieg) errichtet worden war.

Wenige Monate nach der Geburt der zweiten Tochter – die Säuglinge wurden einer Amme übergeben – bereitete Clara eine Tournee mit Robert durch Russland vor. „Während Clara, von ihren Erfolgen getragen, aufblühte, (…) erkrankte Robert (…). Wiederum litt er darunter, im Schatten seiner bewunderten und vielbeachteten Frau stehen zu müssen. (…) Schumann konnte in der Hektik dieser Reise natürlich nicht komponieren, dafür fand er viel Zeit und Anlaß, sich gekränkt zu fühlen. Er litt an Angstzuständen und Depressionen.“ 11)

Doch bald wendete sich das Blatt: Zurück in Deutschland, zog das Paar 1844 nach Dresden. „Während Clara feststellen musste, daß bei ihren Konzerten in Berlin, Wien und Dresden das gewohnte große Echo ausblieb (…), begann für Robert eine äußerst schöpferische Phase. (…) Durch ihren hingebungsvollen Einsatz förderte Clara das Schaffen ihres Mannes. (…)

Auch die Familie wuchs in dieser Zeit: vier Kinder kamen in Dresden [zwischen 1845 und 1849] zur Welt. (…) In seiner freien Zeit war Robert ein liebevoller ‚Kindervater‘. Er ging auf seine Kinder ein, spielte mit ihnen alle möglichen Spiele (…).

Clara war inzwischen 30 Jahre alt geworden. Die häufigen Schwangerschaften konnten ihrer Vitalität offensichtlich nichts anhaben, sie machten sie für ihren Mann und die Kinder häuslich. Aber der äußere Eindruck vom Glück der kinderreichen Familie täuschte, denn innerlich vollzog sich in Clara eine Wandlung. Der Egoismus des Künstlers und Menschen Robert Schumann – er knüpfte Beziehungen zu Jünglingen an, trank und forderte von Clara, daß sie ihr Kindermädchen und eine Köchin entließ, weil er sie nicht ausstehen konnte – verletzte sie tief.“ 12)

1854 wurde Robert Schumann in eine Nervenheilanstalt eingeliefert. Hilfreich zur Seite stand Clara damals der Musiker Johannes Brahms (siehe: Johannes-Brahms-Platz), der mit Clara eine Hausgemeinschaft bildete, denn er war im Alter von 21 Jahren zu den Schumanns nach Düsseldorf gekommen. Ging sie auf Tournee, hütete Brahms das Haus und die Kinder, die damals zwischen dreizehn und einem halben Jahr alt waren, und besuchte Robert Schumann in der Heilanstalt. „Das Erscheinen des jungen Brahms und Claras Beziehung zu ihm bedeutete den Bruch in der Ehe (…).“ 13)

Am 29. Juli 1856 starb Robert Schumann. Clara reiste mit zweien ihrer Söhne – in Begleitung von Johannes Brahms und seiner Schwester Elise – an den Vierwaldstädter See. „Ein Sommerurlaub, wie ihn sich der liebende Brahms mit der geliebten Clara vorstellte, wurde es nicht. Der Tod Schumanns hatte die Gedanken und Gefühle in andere Richtungen gelenkt. Clara schrieb an ihre Freundin Emilie Liszt (…): ‚Ich finde nur Mut in dem Gedanken, nach seinem Sinn zu leben! Mein Unglück ist so schwer und groß, aber ich fühle auch mit ganzem Herzen das Glück, das Gott mir in der Kunst, den Kindern und meinen Freunden verliehen.‘

Zwischen Clara Schumann und Johannes Brahms gab es nicht den Brückenschlag, den er sich wohl gewünscht hatte, nur eine geistig-seelische Übereinstimmung, keinen Ehebund. (…) Tatsächlich war es das Ende einer Liebesromanze, nicht aber das Ende einer lebenslangen Freundschaft.“ 14)

Nach dem Tod von Robert Schumann musste Clara den Lebensunterhalt für sich und ihre zahlreichen Kinder selbst bestreiten. 1862 kaufte sie ein Haus bei Baden-Baden, in dem all ihre Kinder, damals im Alter zwischen 22 und neun Jahren, die bisher wegen Claras Tourneen teils bei Freundinnen, befreundeten Ehepaaren oder in Internaten gelebt hatten, nun ein gemeinsames Zuhause erhalten sollten.

Clara Schumann trat weiterhin auf – trotz Rheumaanfällen in der rechten Hand und im rechten Arm. 1873 zog sie mit zwei Kindern nach Berlin und 1878 schließlich nach Frankfurt am Main, wo sie eine Professur für Klavier am Hoch’schen Konservatorium bekommen hatte. Unterstützt wurde sie von ihren beiden Töchtern Eugenie und Marie. Eugenie (1851–1938), die als Musikschriftstellerin tätig war, brachte ihre Lebensgefährtin, die Sängerin Marie Fillunger, mit in den Haushalt ihrer Mutter. Diese lebte dort elf Jahre, bis es zu einem Konflikt zwischen Clara Schumann und ihr kam, in Folge dessen Marie Fillunger nach London zog und Eugenie verzweifelt in Frankfurt zurückblieb. (Später fand das Paar Marie Fillunger und Eugenie Schumann wieder zueinander.)

1888, als Clara Schumann 69 Jahre alt war, trat sie zum letzten Mal öffentlich auf. Mit Unterstützung Johannes Brahms’ gab sie nun den Nachlass ihres Mannes heraus.

Clara musste der Tod einiger ihrer Kinder beklagen. Nach dem Tod ihres Sohnes Ferdinand, nahm sie ihren Enkel Ferdinand in ihren Haushalt auf. Er hatte das musikalische Talent der Schumanns geerbt. Claras Töchter Eugenie und Marie sorgten für die Mutter und den Enkel.

1892 gab Clara Schumann ihre Position am Konservatorium auf. Sie hörte immer schlechter und das Rheuma machte ihr sehr zu schaffen. Im März 1896 erlitt sie in kurzen Abständen zwei Schlaganfälle, an denen sie im Mai verstarb.

Clara Schumann hinterließ ein Werk von 25 Opus-Zahlen: Klaviermusik, Lieder und ein Klavierkonzert. Sie war eine der bedeutendsten Vertreterinnen der musikalischen Romantik in Deutschland. Zehn Monate nach ihrem Tod verstarb auch Johannes Brahms.

Das siebte der acht Kinder der Schumanns: Eugenie (1.12.1851 Düsseldorf – 25.9.1938 Bern) wurde Pianistin, Klavierpädagogin und Autorin. In Wikipedia heißt es über sie: „Sie stand künstlerisch zeitlebens im Schatten ihrer Mutter. Dennoch ermöglichte Clara Schumann ihr als einzigem Kind ein ‚offizielles Musikstudium‘.

An der Königlichen Hochschule für Musik in Berlin lernte Eugenie Schumann die Sängerin Marie Fillunger, genannt ‚Fillu‘, kennen, die ihre Lebensgefährtin wurde. 1878 zog Eugenie Schumann zusammen mit ihrer Mutter und Schwester Marie (1841–1929) von Berlin nach Frankfurt am Main, wo Clara Schumann in den folgenden Jahren als Klavierlehrerin am Hoch'schen Konservatorium unterrichtete. Eugenie und Marie Schumann lehrten dort als Assistenz-Lehrerinnen ihrer Mutter. 1888 kam es zu einem Bruch zwischen Marie Fillunger, die seit 1882 im Schumann’schen Hause wohnte, und Clara Schumann. Im Januar 1889 zog Marie Fillunger aus und siedelte nach London über. Eugenie Schumann zog 1892 zu ihr nach London und wirkte dort als Klavierlehrerin.

1918 verließ sie England, um ihre Schwester Marie, die seit 1897 in Interlaken in der Schweiz lebte, zu unterstützen. 1925 veröffentlichte sie ihre Autobiographie Erinnerungen und 1931 eine viel beachtete Biografie über ihre Familie, die in mehrere Sprachen übersetzt wurde.“ 15)

Und in dem Buch „Berühmte Frauen aus vier Jahunderten steht über Eugenie Schumann folgendes geschrieben: „Eugenie war zwar in die musikalische Laufbahn gedrängt worden und empfand ihren Beruf lebenslang als Qual, aber die Ausübung der Musik ermöglichte es ihr, tiefer in das Lebenswerk ihrer Eltern und anderer musisch schöpferischer Menschen ihrer Zeit einzudringen. Mit der Mutter Clara Schumann, ‚der Krone des Hauses, der Sonne unseres Daseins, der Licht- und Wärmespenderin‘, teilte Eugenie die Notjahre nach dem tragischen Tode des Vaters und die leichteren Jahre im Gartenhaus in Baden-Baden, wo sich Brahms, Fanny Lehmann, Anselm Feuerbach [siehe: Feuerbachstraße], Pauline Viardot-Garcia, der Russe Iwan Turhenjew und viele andere Große der Zeit als Gäste enfanden. Eugenie hat sie alle in ihren Memoiren mit liebenvollen, doch porträtscharfen Strichen gezeichnet (…).“16)