Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Beim Schillingstift

Iserbrook (1982), nach der Lage beim Schillingstift


Siehe auch: Warburgstraße, Rotherbaum (1947): Max Warburg (1867-1946)

Dieses Stift heißt korrekt „Hermann und Lilly Schilling-Stift“, wird getragen von der „Hermann und Lilly Schilling Stiftung“ und ist ein christlich geführtes Senioren- und Pflegeheim, 1958 gegründet von dem ehemaligen Staatsfinanzrat der Preußischen Staatsbank und Teilhaber (von 1947-1956) des Bankhauses Brinckmann, Wirtz & Co in Hamburg, Hermann Schilling (15.11.1893 Frankfurt a. M. – 11.1.1961). Gemeinsam mit seiner Ehefrau Aloysia (Lilly) Schilling (gest. 1978) wollte er alten Menschen eine preiswerte und im christlichen Sinne geleitete Unterkunft bieten. Das Altenheim wurde 1960 an der Isfeldstraße im Stadtteil Iserbrook eingeweiht und 2013 modernisiert.

Neun Jahre nach dem Tod Hermann Schillings gründete Aloysia Schilling 1970 die Hermann und Lilly Schilling Stiftung für medizinische Forschung. Mit ihr wird kliniknahe Grundlagenforschung an neurologischen Universitätskliniken finanziert.

Hermann Schilling, gelernter Bankkaufmann und von 1923 bis 1933 Leiter der Frankfurter Filiale der Commerzbank, arbeitete von 1932 bis 1945 als Staatsfinanzrat unter dem preußischen Finanzminister Johannes Popitz (1884 - hingerichtet in Berlin-Plötzensee am 2.2.1945). Ab 1933 war Hermann Schilling Mitglied der Generaldirektion der Preußischen Staatsbank (Seehandlung). Die Preußische Staatsbank „verwaltete und verwertete ab 1938 im großen Umfang von antisemitisch Verfolgten zwangsweise veräußerte oder zur Begleichung der ‚Judenvermögensabgabe‘ in Zahlung gegebene ‚börsengängige Aktien und Kuxe‘“, 1) schreiben Susanne Meinl und Jutta Zwilling in ihrem Buch „Legalisierter Raub. Die Ausplünderung der Juden im Nationalsozialismus durch die Reichsfinanzverwaltung in Hessen“. Und sie erklären weiter: 1941 wurden alle „zum amtlichen Börsenhandel oder zum geregelten Freiverkehr zugelassenen deutschen Aktien, Kuxe und Kolonialanteile“2) Reichseigentum und an die Preußische Staatsbank abgeführt. „Diese veräußerte die Wertpapiere zunächst zu Gunsten des Oberfinanzpräsidenten Berlin und später für die jeweiligen Finanzämter“. 2)

Außerdem wurde Schilling 1933 „Vorstandsmitglied der Vereinigten Elektrizitäts- und Bergwerks AG (=Preußische Gesellschaften), der Holding-Gesellschaft für den Industriebesitz des Landes Preußen“. 3) Schilling trat 1933 in die NSDAP ein (Mitgliedsnummer 2395683). 4)

Popitz, der 1937 Mitglied der NSDAP wurde, begann, ebenso wie Hermann Schilling, sich 1937/38 gegen das NS-Regime aufzulehnen. „Popitz reichte daher 1938 ein Rücktrittsgesuch ein, das jedoch abgelehnt wurde. Daraufhin begann sich der monarchistisch und nationalkonservativ geprägte Popitz in Widerstandskreisen zu engagieren, unter anderem mit einzelnen Mitgliedern der Mittwochsgesellschaft, einer konservativ-oppositionellen Gruppe von hohen Beamten und Wissenschaftlern.“ 5)

Popitz stand in Beziehung zum Widerstandskreis um Claus Schenk Graf von Stauffenberg (siehe: Stauffenbergstraße) und den „Männern des 20. Juli 1944“ und wurde nach dem gescheiterten Attentat auf Hitler verhaftet, vom Volksgerichtshof unter Roland Freisler zum Tode verurteilt und in Plötzensee gehängt.

„Hermann Schilling bekam über Popitz Kontakt zu diesem Widerstandskreis. Auch er wurde nach dem gescheiterten Attentat vom 20. Juli 1944 verhaftet. Er kam in das Berliner Zellengefängnis Lehrter Straße 3, wurde dort Sprecher der Gefangenen und versuchte noch am selben Tag seiner Entlassung, dem 21.4.1945, aus dem Gefängnis, die Entlassung der Gestapo-Häftlinge zu erreichen,“ 6) äußert Johannes Tuchel in seiner Abhandlung „…und ihrer aller wartete der Strick.“ Das Zellengefängnis Lehrter Straße 3 nach dem 20. Juli 1944.

1947 wurde Schilling nach dem Tod von Paul Wirtz – in Absprache mit Erich Warburg (siehe: Warburgstraße) - als persönlich haftender Gesellschafter im Bankhaus Brinckmann, Wirtz & Co. eingestellt. In dieser Zeit ging es auch um die Wiedergutmachungsleistungen des Bankhauses an die Warburgs. Die Verhandlungen hierzu führten Brinckmann und Schilling mit den Warburgs.

1938 hatte die Warburgbank die Firma zwar an die Vertrauten Rudolf Brinckmann und Paul Wirtz, aber unter dem Zwang des Nationalsozialismus, abgegeben, d. h. Brinckmann und Wirtz wurden persönlich haftende Gesellschafter und die Bank in eine Kommanditgesellschaft umgewandelt. Nun stritten sich die Warburgs mit Brinckmann und Schilling im Rahmen der Wiedergutmachungsleistungen um die Entschädigungssumme. „Im Mittelpunkt stand die Bewertung der Goodwill- und Nutzungsschäden. Weitgehende Einigung herrschte darüber, dass den Warburgs als Entschädigungsleistung eine Unterbeteiligung an dem Bankhaus Brinckmann, Wirtz & Co. eingeräumt werden sollte. Lediglich die Höhe der Beteiligung war umstritten. Während Siegmund und Erich Warburg einen 30-prozentigen Anteil an dem Kapital der Bank von rund 15,5 Millionen RM einforderten, hielt Brinckmann zehn Prozent für ausreichend, um die Ansprüche der Geschädigten angemessen abzudecken. Dem Hinweis der Warburgs, dass das Bankhaus 1938 zwar an einen Vertrauten, dennoch aber unter Zwang abgegeben worden sei und sie selbst nie eine Gegenleistung für den immateriellen Firmenwert des 150-jährigen Traditionsunternehmens erhalten hatten, stellte Brinckmann entgegen, dass trotz alledem nicht von einer ‚Arisierung‘ im eigentlichen Sinne gesprochen werden könne. Da das Bankhaus bereits durch die Bankenkrise geschwächt war und sich 1938 weitere Geschäftseinbußen ergaben, war laut Brinckmann zum Zeitpunkt der Übergabe längst kein Goodwill mehr vorhanden. In fast schon klassischer Art und Weise übernahm er das weit verbreitete Argumentationsmuster, dass er als Erwerber erst durch eigenes Engagement ein krisengeschütteltes ‚jüdisches‘ Bankhaus wieder auf Erfolgsspur gebracht habe. Ihm und nicht den ehemaligen Inhabern müsse somit auch ein Großteil der von dem Unternehmen in der Entziehungszeit erwirtschafteten Gewinne zugestanden werden,“ 7) schreibt Ingo Köhler in seinem lesenswerten Buch „Die „Arisierung“ der Privatbanken im Dritten Reich. Verdrängung, Ausschaltung und die Frage der Wiedergutmachung.“

Schließlich kam es 1949 zu einem Rückerstattungsvergleich, der „weitestgehend die ursprünglichen Forderungen der Geschädigten bestätigte“. 8) Warburgs erhielten eine 25-prozentige Kommanditbeteiligung. Gleichzeitig wurde ihnen eine Aufstockung der Beteiligungsquote innerhalb der nächsten fünf Jahre auf 50% angeboten, wovon die Warburgs – wahrscheinlich aus finanziellen Gründen - keinen Gebrauch machten. Dies sollte sich in den folgenden 1950er-Jahren als Handicap erweisen, als nämlich Erich Warburg den Wunsch äußerte, als aktiver Partner in das Bankhaus wieder einsteigen und der Bank den alten Namen wiedergeben zu wollen. „Insbesondere Hermann Schilling plädierte wiederholt gegen eine Aufnahme Warburgs in die Geschäftsleitung und versuchte die Kommanditisten für seine Position zu mobilisieren. Zu einem vollständigen Bruch zwischen Schilling und Erich Warburg kam es 1952, als jener, unterstützt von einem Teil der Anteilseigner, jedoch ohne Abstimmung mit Brinckmann, eine vertrauliche Erklärung vorlegte, in der die Warburg-Familie aufgefordert wurde, ihren Geschäftspartnern nicht noch weitere Wiedergutmachungslasten abzuverlangen. In einem höchst provozierenden Tonfall hieß es u. a.: ‚Für die Kommanditisten bedeuteten die bisherigen Leistungen bereits ein erhebliches Opfer, da sie – anders als die Familie Warburg [sic!] – vermögensmäßig bereits unter den Kriegs- und Kriegsfolgeschäden schwer zu leiden haben‘. Hiermit stilisierten sich die eigentlichen Nutznießer der Verfolgung selbst zu Opfern von Krieg und Wiedergutmachung und taten die Vermögensverluste der Geschädigten im Vergleich als vernachlässigbar ab. Ebenso unverständlich musste Erich Warburg die Argumentation erscheinen, dass der Name Warburg für die Bank keinen Goodwill mehr darstellen, sondern sich im Gegenteil die Aufgabe der Firmenbezeichnung Brinckmann, Wirtz & Co. negativ auf das Geschäft auswirken würde, weil sie nun den erfolgreichen Aufstieg der Bank nach 1945 symbolisiere. Während die Auseinandersetzung zwischen Warburg und Schilling in einer gegenseitigen Androhung rechtlicher Schritte eskalierte, zog sich Brinckmann auf die Position zurück, dass er über einen Beitritt eines Warburg-Vertreters und die Frage der Namensgebung verhandeln würde, ihm aber durch die ablehnende Haltung der Gesellschafter-Gruppe um Schilling die Hände gebunden seien (…),“ 9) so Ingo Köhler. Schilling wollte offenbar „den offenen Bruch mit den Warburgs. (…) 1956 verließ Hermann Schilling angesichts der unüberbrückbaren Differenzen das Bankhaus. Die frei werdende Position wurde Erich Warburg angeboten, der damit sein langjähriges Ziel verwirklichen konnte“, 10) schreibt der Wirtschaftshistoriker Ingo Köhler in seinem Buch „Die ‚Arisierung‘ der Privatbanken im Dritten Reich. Verdrängung, Ausschaltung und die Frage der Widergutmachung“.

1953 bekam Schilling das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland.

Die Wochenzeitschrift „Die Zeit“ schrieb 1961 in einem Nachruf auf Hermann Schilling: „Mit ihm verliert die deutsche Wirtschaft einen Mann, der sich nach dem Kriege an maßgeblicher Stelle innerhalb der Kreditwirtschaft um ihren Wiederaufbau bemüht und – dies ist jetzt keine Phrase – dabei einen großen Teil seiner Gesundheit geopfert hat. Seine Doppelstellung, er war von 1947 bis 1956 persönlich haftender Gesellschafter im Bankhaus Brinckmann, Wirtz & Co, Hamburg, und fühlte sich als Hüter des noch übrig gebliebenen preußischen Staatsbesitzes, hat letzten Endes seine Arbeitskraft verzehrt. Als er 1956 bei Brinckmann, Wirtz & Co ausschied, tat er es, um sich nur noch den Gesellschaften zu widmen, denen er sich entweder in seiner Eigenschaft als Vorstand oder als Aufsichtsrat verbunden fühlte. Dazu zählen u. a. die Vereinigte Elektrizitäts- und Bergwerks AG (VEBA), die Muttergesellschaft der Preußischen Elektrizitäts AG (Preag), die Bergwerksgesellschaft Hibernia und auch die Preußische Staatsbank (Seehandlung). (…) Schilling war ein sozial denkender Mann im besten Sinne des Wortes. Ein Jahr vor seinem Tode schuf er in Hamburg die ‚Hermann und Lilly Schilling-Stiftung‘, (...). Unvergessen sind die von ihm abgehaltenen Pressekonferenzen, in denen er mit ungewöhnlich großer Offenheit Einblick in die von ihm geleiteten Betriebe gab (…), weil er sich der Öffentlichkeit verantwortlich fühlte.“ 11)