Schmidt-Rottluff-Weg
St. Pauli (1987): Karl Schmidt-Rottluff (1.12. 1844 Rottluff (Stadtteil von Chemnitz) – 10.8.1976 Berlin), Maler, Graphiker.
Siehe auch: Rosa-Schapire-Weg
Siehe auch: Kirchnerweg
Rosa Schapire war eine Unterstützerin von Schmidt-Rottluff und seiner Werke. Er gestaltete z. B. zwei Räume in ihrer Wohnung an der Osterbeckstraße 43.
Über Schmidt-Rottluffs Herkunft heißt es in Wikipedia – wobei die Mutter, ohne die Schmidt-Roffluff nicht geboren wäre – nicht erwähnt wird: „Schmidts Vater war der Mühlenbesitzer Friedrich Schmidt. Karl Schmidt wurde im Wohngebäude der Mühle in Rottluff bei Chemnitz (Sachsen) geboren und nannte sich seit 1905 Schmidt-Rottluff.“1) Schmidt-Rottluff schuf 1916 einen Holzschnitt von seiner Mutter (siehe mehr dazu weiter unten).
1905 gründete er, so heißt es in ARTinWORDS: „gemeinsam mit Ernst Ludwig Kirchner (1880–1938), seinem Jugendfreund Erich Heckel (1883–1970) und Fritz Bleyl (1880–1966) die Künstlergruppe ‚Die Brücke‘ (…). Schmidt-Rottluff gab (…) das 1905 begonnene Architekturstudium in Dresden auf. (…). Der Künstlergruppe ging es um die ‚unmittelbare‘ und ‚unverfälschte‘ Wiedergabe des subjektiv Empfundenen, was sie in Landschaften, Porträts und Figurenbildern auszudrücken versuchten. Karl Schmidt-Rottluff fand auf der Suche nach einer natürlichen ‚ursprünglichen‘ Lebensweise in Dangast (Oldenburg) einen geeigneten, weil paradiesischen Ort, um mit seinen Modellen nackt am Teich zu posieren. Zwischen 1907 und 1912 hielt sich Schmidt-Rottluff jeden Sommer dort zu Malaufenthalten auf. Zwischen 1905 und 1910 entwickelte die Gruppe, (…), zum ‚Brückestil‘, der sich durch monumentale, weil vereinfachte Formen mit starken Konturen und eine leuchtende, weil großflächige Farbigkeit auszeichnet.
Ab 1907 hielt sich Karl Schmidt-Rottluff häufig in Hamburg auf, wo er eine Gruppe von Kunstinteressierten und Förderern um sich scharen konnte. Dazu zählten u.a. Rosa Schapire (1874–1954) und Gustav Schiefler (1857–1935).“2)
Überhaupt spielten Frauen als Mäzeninnen und Dialogpartnerinnen für die Brücke-Künstler eine wichtige Rolle. Dazu schreibt Regina Freyberger am 28.8.2019 im städelblog: „Kirchner, Heckel und Schmidt-Rottluff standen nicht nur mit Sammlern wie Carl Hagemann oder Gustav Schiefler in Kontakt, nicht nur mit Museumsmännern wie Ernst Gosebruch, Max Sauerlandt oder Georg Swarzenski, mit Galeristen wie Ludwig Schames und Kunsthistorikern wie Will Grohmann oder Wilhelm Niemeyer. Stets tauschten sie sich auch mit selbstbewussten, freidenkerischen Frauen aus, die die Künstler nicht nur als Musen und Modelle oder als Lebensgefährtinnen unterstützten, sondern vielmehr als Mäzeninnen und Dialogpartnerinnen. (…). Rosa Schapire, Nele van de Velde und Hanna Bekker vom Rath waren drei dieser bedeutenden Frauen im Umkreis der Künstler.“ 3)
Über die Frauen, die Schmidt-Rottluff malte, schreibt Simone Rebert 2016 anlässlich der damaligen Ausstellung „Karl Schmidt-Rottluff. Bild und Selbstbild“ im Brücke-Museum in ihrem Artikel: „Biographie in Bildern. Vom unsicheren jungen Mann zum gehärteten Künstler: Das Berliner Brücke-Museum zeigt, wie sich der Lebensweg von Karl Schmidt-Rottluff in seinen eigenen Bildern spiegelt“: „Die Hamburger Kunsthistorikerin Rosa Schapire malt er 1911 als extravagante Dame mit ausladendem Hut. Rosa Schapire war bereits seit 1907 passives Mitglied der Brücke, sie setzte die erste Einzelausstellung des Künstlers durch und prognostizierte ihm in der Eröffnungsrede eine große Zukunft. (…). Der Künstler entwarf Möbel, Kleider, sogar Schmuck für Rosa Schapire. Der ganze Wagemut der eigenwilligen Mäzenin drückt sich in den Farben aus. Das tiefrote Gesicht ist auf die grüne Hand gestützt, das Gemälde verbindet Temperament und Nachdenklichkeit.
Noch imposanter wirkt das Porträt der Mutter. Der sparsame Holzschnitt reduziert sie auf klare, karge Linien. (…). Der Künstler hat den Umriss des Kopfes ausgeschnitten. Jetzt gleicht das Relief einer archaischen Ahnentafel aus einem animistischen Schrein. Das Bild, eine Besinnung auf die Wurzeln, entstand 1916 unter dem Eindruck des Ersten Weltkriegs. (…)
Nach dem Ersten Weltkrieg heiratet Schmidt-Rottluff seine langjährige Freundin Emy Frisch, eine einstige Nachbarin von Ernst-Ludwig Kirchner. Emy wird sein Anker, seine Managerin, manchmal auch sein Spiegelbild. Er selbst scheint sich nach dem Krieg fremd, das Gesicht zur Maske erstarrt. Emy bleibt ihm vertraut, er malt sie lesend oder mit Freundin, stets umhüllt vom blauen Schatten ihrer Träume. Im Spätwerk, als er schon nicht mehr in Öl malen kann, produziert Schmidt-Rottluff ganze Aquarell-Serien von sich und Emy. Fotos zeigen, wie sich die beiden im Alter ähneln. (…)
Zwischen den Kriegen tritt eine weitere Mäzenin auf den Plan, Hanna Bekker vom Rath. Nachdem Rosa Schapire vor den Nationalsozialisten nach London fliehen musste, wird sie die wichtigste Unterstützerin von Schmidt-Rottluff. Hanna Bekker vom Rath ist selbst Malerin, stammt aus einer begüterten Frankfurter Familie, kauft Kunst und arbeitet später als Galeristin. Als Schmidt-Rottluff von den Nazis verfemt wird und Malverbot erhält, bietet sie ihm ein Atelier in ihrem Blauen Haus im Taunus. In der Berliner Wohnung in der Regensburger Straße organisiert sie bis 1943 heimliche Ausstellungen für die verbotenen Künstler und hilft, Bilder in Sicherheit zu bringen. (…)
Sieben Jahre nach dem Krieg, 1952, huldigt er dem Mut, der Tatkraft und Klarheit von Hanna Bekker vom Rath in einem Porträt. Der sprühende Blick, die straffe Körperhaltung vermitteln den Eindruck einer natürlichen Autorität. (…).“ 4)
In ARTinWORDS steht über den weiteren Werdegang des Malers: „Ende 1911 übersiedelte Karl Schmidt-Rottluff nach Berlin, was sich für die weitere Entwicklung, aber auch das Ende der Brücke 1913 für bedeutend herausstellte. Hier sah sich Schmidt-Rottluff verstärkt mit Kunstwerken der internationalen Avantgarde konfrontiert, (…). Zwischen 1912 und 1914 setzte er sich verstärkt mit Kubismus und Futurismus auseinander. Die Spannungen innerhalb der Gruppe – zum einen den Brückestil betreffend und zum anderen das Diktum, nur gemeinsam auszustellen – führten zur Auflösung der Künstlergemeinschaft 1913.
Karl Schmidt-Rottluff wandte sich im Sommer 1913 in Nidden (Kurische Nehrung) in einer Reihe von Akten der Verbindung von Akt- und Landschaftsmalerei zu. Zudem integrierte er erstmals eine afrikanische Skulptur in ein Stillleben. (…).
Seit Kriegsausbruch wohnte Karl Schmidt-Rottluff bei seiner Mutter in Rottluff. Im Mai 1915 wurde er als Armierungssoldat zum Kriegsdienst einberufen und war ab Oktober durch Vermittlung Richard Dehmels beim Oberbefehlshaber Ost in Russland und Litauen stationiert. 1916 wurde Schmidt-Rottluff der Presseabteilung von Hindenburgs Hauptquartier im russischen Kowno zugeteilt; in dieser Zeit entstanden acht Holzschnitte – erstmals mit religiösen Themen – und mehr als 20 Holzskulpturen. Nach Revolution und Kriegsende 1918 engagierte sich Karl Schmidt-Rottluff kurz kulturpolitisch, z. B. in den sozialistischen Künstlervereinigungen ‚Novembergruppe‘ und ‚Arbeitsrat für Kunst‘, zog sich allerdings früh wieder zurück und nahm die Einladung Walter Gropius‘ als Lehrender an das Bauhaus zu kommen nicht an. Die 1919 geschlossene Ehe mit der Fotografin Emy Frisch [1884-1975] sollte kinderlos bleiben.
1919 war der Expressionismus in Deutschland bereits Allgemeingut und Karl Schmidt-Rottluff ein angesehener Maler geworden. (…) Ab 1920 wandte sich Schmidt-Rottluff dem Menschen schlechthin bei der täglichen Arbeit, bei der Ausübung seines Berufs zu. (…) Die für Schmidt-Rottluffs Werk so wichtigen Sommeraufenthalte fanden bis 1931 in Jershöft an der Ostseeküste Hinterpommerns statt. (…)
Die steigende Bekanntheit von Karl Schmidt-Rottluff lässt sich an einer vermehrten Ausstellungstätigkeit und publizistische Aufarbeitung seines Œuvres ab den frühen 1920ern nachvollziehen: (…)
Die Karriere von Karl Schmidt-Rottluff erfuhr mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten ab den Jahren 1932 einen markanten Bruch. Der Maler wurde in die Liste der ‚entarteten Kunst‘ aufgenommen und 608 seiner Werke in den folgenden Jahren aus deutschen Museen entfernt. Schmidt-Rottluff zog sich zunehmend in die innere Emigration an der pommerschen Ostsee zurück und widmete sich intensiv der Aquarellmalerei.“ 2)
Christian Weikop schreibt in seinem Beitrag „Karl Schmidt-Rottluffs arborealer Expressionismus“ über die Zeit des Nationalsozialismus: „Ab 1937 sollten Arbeiten von Schmidt-Rottluff eine herausragende Stellung in der berüchtigten Ausstellung Entartete Kunst einnehmen, die in München begann und von dort aus in elf weiteren deutschen und österreichischen Städten, einschließlich Hamburg, gezeigt wurde. Das Plakat von Rudolf Herrmann für die Hamburger Werkschau sieht aus wie eine Mischung aus Werken von Otto Freundlich, Karl Schmidt-Rottluff und Otto Dix und spielt auf verschiedene Aspekte des Begriffs der ‚Entartung‘ an. So dienen die schmalen Augen und die überlange Nase dieser Fantasieskulptur eines Kopfes als negativer Verweis auf ‚undeutsche‘ Einflüsse, das heißt auf die Stammesmasken aus Ozeanien und Afrika (die im Falle von Schmidt-Rottluff besonders einschlägig waren), und prangern zugleich die jüdische Förderung expressionistischer Kunst an. (…) Die Holzschnitte und –skulpturen Schmidt-Rottluffs waren geradezu Paradebeispiele der nationalsozialistischen Kategorie des ‚Entarteten‘. Schon die Bewunderer seiner Werke in Hamburg hatten seine Kunst mit Artefakten primitiver Völker identifiziert, was später zu Ausstellungen führte, in denen Werke von ihm neben ethnografischen Exponaten gezeigt wurden. (…)
Das Jahr 1933 stellte einen Wendepunkt da, in dem Alois Schardt, damals neuer Leiter der Berliner Nationalgalerie, zusammen mit anderen Wissenschaftlern eine Theorie des nordischen Expressionismus aufstellt. Darin wurde die Bewegung in den Kontext einer deutsch-gotischen Tradition gestellt und alle Bezüge zu nichtwestlichen Quellen wurden drastisch heruntergespielt, damit die Nationalsozialisten an der Theorie Gefallen finden würden. Im selben Jahr trat eine Untergruppe des Berliner Nationalsozialistischen Studentenbundes mit der Auffassung hervor, Expressionismus sei die revolutionäre Kunst Deutschlands, eine Ansicht, die von Bruno E. Werner, Kritiker bei der Deutschen Allgemeinen Zeitung, bekräftigt wurde. Seine Begründung: ‚Die Träger der nationalen Revolution in Deutschland waren die Künstler der ‚Brücke‘, wie Nolde, Otto Mueller, Heckel, Schmidt-Rottluff, Pechstein (…) um nur einige Namen herauszugreifen.‘ Die Vorstellung der expressionistischen Kunst und insbesondere des Holzschnitts als etwas Urdeutschem wurde auch in einer vom bereits erwähnten Studentenbund organisierten Ausstellung vermittelt. Ab 22. Juli 1933 wurden unter dem Titel Dreißig deutsche Künstler Werke der ehemaligen Brücke-Künstler, darunter Schmidt-Rottluff, in der Galerie Ferdinand Möller in Berlin vorgestellt. Drei Tage nach der Eröffnung wurde jedoch auf Befehl vom Reichsminister des Innern Wilhelm Frick der vormals für den Ausschluss der Moderne aus dem Weimarer Museum verantwortlich gewesen war, die Schau vorübergehend geschlossen. (…)
Von der von Sauerlandt und anderen propagierten Überzeugung, dass Holzschnitt und Holzschnitzerei des Expressionismus einen germanischen Charakter besaßen, ließen sich die Nazis nie völlig überzeugen. Daher versuchten sie, jede Spur von Schmidt-Rottluff und seinesgleichen aus dem deutschen Bilderkanon zu tilgen.“ 5)
„Obwohl Karl Schmidt-Rottluff 1941 Berufsverbot erhielt und aus der Reichskammer der bildenden Künste ausgeschlossen wurde, arbeitete er weiter. Auf Einladung von Helmuth James Graf von Moltke [siehe: von-Molke-Bogen] hielt er sich 1942 mehrere Wochen auf dessen Gut Kreisau in Schlesien auf. Drei Jahre später verlor er alle auf zwei Gütern in Schlesien ausgelagerten Gemälde. Bereits 1943 wurde seine Atelierwohnung in der Bamberger Straße 19 in Berlin ausgebombt.
1946 übersiedelte Karl Schmidt-Rottluff gemeinsam mit seiner Ehefrau zurück nach Berlin und wurde Präsident des ‚Kulturbundes zur demokratischen Erneuerung Deutschlands‘. Eine Professur an der neugegründeten Hochschule für Bildende Künste in Berlin-Charlottenburg ermöglichte den Neuanfang (bis 1954).
Das Spätwerk der 1950er und 1960er Jahre zeigt weiterhin monumentale Kompositionen, vereinfachte Formgebung und expressionistischen Farbeinsatz. Inhaltlich beschäftigte sich Karl Schmidt-Rottluff weiterhin mit Landschaften, Stillleben und Figurenbildern. Den Weg in die Abstraktion ging Schmidt-Rottluff nicht, stattdessen wurde er ein später Meister des Aquarells. (…) Sein Nachlass ging in die ‚Karl und Emy Schmidt-Rottluff Stiftung‘ ein und befindet sich heute im Brücke-Museum.“ 5)
„Emy und Karl Schmidt-Rottluff starben 1975 und 1976 im Abstand weniger Monate in West-Berlin.“ 1)