Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Spohrstraße

Barmbek-Süd (1904): Louis Spohr (5.4.1784 Braunschweig -22.10.1859 Kassel), Komponist. Geiger, Freimaurer.
Im Juni 2022 mitbenannt nach seiner Ehefrau Dorette Spohr, geb. Scheidler (2.12.1787 Gotha -20. (?). 11.1834 Kassel), Harfenistin.


Siehe auch: Stockhausenstraße
Siehe auch: Paciusweg
Siehe auch: Paganiniweg

Im Wikipedia-Eintrag zu Louis Spohr heißt es über seine Herkunft und seinen Werdegang: „Spohr wurde als das älteste Kind des Medizinalrates Karl Heinrich Spohr (1756–1843), (…) und seiner Frau Ernestine Henke (1763–1840) geboren. Das Kind zeigte früh sein musikalisches Talent, so dass es schon im fünften Lebensjahr gelegentlich in den musikalischen Abendunterhaltungen der Familie mit seiner Mutter Duette singen konnte. Mit zwölf Jahren wurde Spohr nach Braunschweig geschickt, um sich bei gleichzeitigem Gymnasialunterricht am Katharineum in der Musik ausbilden zu lassen. (…).

Mit 15 Jahren ernannte ihn Herzog Karl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig zum Kammermusiker und versprach ihm, ihn zu weiterer Ausbildung noch einem großen Meister zu übergeben. (…). Spohrs Ruf als Violinvirtuose verbreitete sich (…) rasch. Im Dezember 1804 debütierte er mit zwei spektakulären Konzerten im Leipziger Gewandhaus. 1805 erhielt er die Konzertmeisterstelle in Gotha. In dieser Stellung verblieb er bis 1813 – unterbrochen von mehreren Kunstreisen, die er mit seiner Gattin unternahm. 1806 heiratete er die Harfen- und Klaviervirtuosin Dorette Scheidler (1787–1834), mit der er drei Töchter [geboren: 1807, 1808, 1818] hatte.“ 1)

In Dorettes Wikipedia-Eintrag steht über sie: „Dorette war die Tochter des gothaischen, auch wissenschaftlich gebildeten Violoncellisten und Kammermusikers Johann David Scheidler (1748–1802) und seiner Gattin Sophie Elisabeth Susanne geborene Preysing († 1821). Ihre Mutter war seit 1776 herzogliche Kammersängerin, ihre Stimme galt als unvergleichlich.“ 2)

Auf der Website des Sophie Drinker Instituts heißt es in der dort nachzulesenden und von Juliane Schaer verfassten Vita über Dorette Spohr: „Im Jahr 1805 war Dorette Scheidler Mitglied der Herzoglich-Gothaischen Kapelle. Im gleichen Jahr lernte sie ihren späteren Ehemann, den Violinisten und Komponisten Louis Spohr (1784–1859) kennen, der die Stelle des Herzoglichen Konzertmeisters und Leiters der Hofkapelle in Gotha antrat. Vor ihrer Heirat am 2. Febr. 1806 musizierte sie mit ihm und ihrer Mutter im privaten Kreis und konzertierte in Leipzig. Nach dem Rat ihres Mannes, die Geige, ‚dieses für Frauenzimmer unpassende Instrument nicht weiter zu kultivieren‘ (Louis Spohr, Lebenserinnerungen, hrsg. von Folker Göthel, Tutzing 1968, S. 95), widmete sie sich verstärkt dem Harfenstudium. Louis Spohr komponierte unter anderem Werke für Solo-Harfe und Duos für Harfe und Geige, die 1807 auf der ersten gemeinsamen Konzertreise der Öffentlichkeit vorgetragen wurden. Er stimmte die Harfe seiner Frau einen halben Ton tiefer, um somit Tonarten leichter spielbar zu machen, in denen die Violine brillanter klang. Das Ehepaar Spohr konzertierte in Weimar, Leipzig, Dresden, Prag, Regensburg, München, Augsburg, Stuttgart, Karlsruhe, Heidelberg und Frankfurt a. M. Die Konzertkritiken waren dabei durchweg positiv, wobei die Hauptaufmerksamkeit den Kompositionen Louis Spohrs galt. (…). 1807 kam die erste Tochter Emilie († 1895) zur Welt. Die Strassburg-Harfe Dorette Spohrs wurde im gleichen Jahr gegen eine größere und klangvollere Nadermann-Pedalharfe eingetauscht.

Nachdem das Ehepaar im Apr. 1808 nach Gotha zurückgekehrt war, wurde die zweite Tochter Johanna Sophia Louise, genannt Ida, geboren. Kurz danach erkrankte Dorette an einer lebensgefährlichen Krankheit. Während sie gezwungen war, das Harfenspiel für ein halbes Jahr auszusetzen, plante Louis Spohr 1809 eine zweite gemeinsame Konzertreise nach Russland. Nach Auftritten in Weimar, Leipzig, Dresden, Bautzen und Breslau brach das Ehepaar Spohr die Konzertreise jedoch auf Wunsch der Gothaischen Herzogin Caroline Amalie ab. Das daran geknüpfte Angebot, als Soloharfenistin am Hof und Lehrerin der herzöglichen Stieftochter auf Lebenszeit angestellt zu werden, nahm Dorette Spohr an. 1812 gab sie die Anstellung jedoch auf, da Louis Spohr neue Reispläne hatte.

Im Herbst des Jahres 1812 brach das Ehepaar Spohr auf, um über Leipzig und Prag nach Wien zu reisen. (…). Aufgrund neuer beruflicher Aussichten siedelten sie 1813 nach Wien über, wo Dorette Spohr eine Anstellung als Soloharfenistin am Theater an der Wien annahm. 1813 gebar sie einen Jungen, der jedoch im Alter von drei Monaten starb. Dorette Spohr wurde in dieser Zeit vom Publikum ausnahmslos gefeiert, wie die ‚Allgemeine musikalische Zeitung‘ berichtet. (…). Aufgrund persönlicher Differenzen Louis Spohrs verließ das Ehepaar 1815 Wien und verbrachte einige Zeit im niederschlesischen Carolath. Dorette Spohr unterrichtete in dieser Zeit die Fürstentöchter an Klavier und Harfe. Nach einem kurzen Aufenthalt in Gotha konzertierte das Ehepaar zwischen 1815 und 1816 in Meiningen, Würzburg, Nürnberg, München, Frankfurt a. M., Darmstadt, Heidelberg, Karlsruhe, Straßburg, Münster bei Colmar, Basel und Zürich. Aufgrund des schlechten Gesundheitszustandes Dorette Spohrs, der möglicherweise durch die strapaziösen Konzertreisen mit verursacht worden war, verbrachte das Ehepaar einen fünfmonatigen Urlaub im schweizerischen Thierachern. Nach Gesundung reiste das Paar nach Italien, wo Dorette Spohr aufgrund der Schwierigkeiten, die Harfe zu transportieren, als Pianistin auftrat. Nach der Rückkehr aus Italien wurde vor allem aus finanziellen Gründen das Konzertieren in mehreren Städten Deutschlands und der Schweiz unabdingbar. Die Auftritte in Genf, Zürich, Basel, Freiburg i. Br., Karlsruhe, Baden-Baden, Mannheim und Bad Ems fanden zwar künstlerische Zustimmung, konnten aber die materielle Existenz nicht sichern. Es folgten weitere Konzerte (…) bis Louis Spohr 1817 eine Stelle als Operndirektor in Frankfurt a. M. annahm. 1818 kam die Tochter Therese zur Welt.

1819 begab sich das Ehepaar auf eine weitere Konzertreise, die am Ende des Jahres nach London führte. Hier wurde eine Erard’sche Doppelpedalharfe für Dorette Spohr erworben, die aufgrund technischer Verbesserungen ein Spiel in allen Dur- und Molltonarten ermöglichte. Zuvor waren in der Fachpresse bereits kritische Stimmen an ihrer veralteten Harfe laut geworden. (…). Auch wenn Dorette Spohr sich mit ‚ausdauerndem Fleiße auf der neuen Harfe einspielte‘ (Louis Spohr, Selbstbiographie, 2 Bde., Kassel und Göttingen 1860 und 1861, Repr. Kassel und Basel 1954 u. 1955. Hier Bd.2. 1861, S. 93), gelang ihr die Umstellung auf das neue Instrument nicht. Die neue Harfe war größer und straffer bespannt, das Spiel erforderte somit mehr Kraft und das Doppelpedal eine andere Spieltechnik. Vor ihrem ersten Auftritt mit der neuen Harfe übte sie einige Monate. Bei diesem Konzert, das das einzige mit der neuen Harfe bleiben sollte, [hatte sie zwar Erfolg]. Trotzdem gab sie, gesundheitlich angegriffen durch die Doppelbelastung als Harfenistin und Mutter von drei Kindern sowie auf Anraten ihres Mannes, ‚dem nervenzerstörenden Instrumente zu entsagen‘ (Spohr 1861, S. 103), das Harfenspiel auf.

Von 1821 bis zum Ende ihrer musikalischen Karriere konzertierte sie als Pianistin und trug (…) Kompositionen ihres Mannes (…) vor. Im Jahr 1821 siedelte die Familie Spohr nach Dresden über, um den beiden älteren Töchtern Emilie und Ida eine Gesangsausbildung (…) zu ermöglichen. Nachdem Dorette Spohr 1823 ihre musikalische Karriere aus gesundheitlichen Gründen endgültig aufgegeben hatte, lebte sie bis zu ihrem Tod in Kassel. Dorette Spohr, die bedeutendste Harfenistin des frühen 19. Jahrhunderts, starb im Alter von 47 Jahren an einem so genannten Nervenfieber.

Das virtuose Harfenspiel Dorette Spohrs hat das kompositorische Schaffen ihres Ehemannes stark beeinflusst. So komponierte er in der Zeit ihrer Ehe Solostücke für Harfe, Fantasien und Sonaten für Violine und Harfe, ein Trio für Harfe, Violine und Violoncello und zwei Concertanten für Harfe, Violine und Orchester.“ 3)

Nachdem Dorrette Spohr 1834 im Alter von 47 Jahren verstorben war, heiratete der damals 52jährige Spohr zwei Jahre nach dem Tod seiner ersten Frau, die damals 29jährige Pianistin Marianne Pfeiffer (17.6.1807 Kassel - 4.1.1892 Kassel). Mit ihr soll er keinen „ebenbürtigen Ersatz“ 1) gefunden haben. Eine andere Quelle berichtet indes. Dass „seine zweite Frau Marianne (..) eine brillante Pianistin [gewesen war] und [ihn] ermutigte (..), eine Reihe von Kammermusikwerken mit Klavier zu schreiben. Hatte er in den Jahren zuvor etwa alle drei bis vier Jahre einen neuen Streichquartett-Zyklus geschrieben, war das Quintett das einzige ausschließlich für Streicher konzipierte Werk, das er in den ersten neun Jahren seiner Ehe mit Marianne komponierte.“ 4)

Im Jahr 2014 wurde am Elternhaus von Dorette Spohr in Gotha immerhin eine Erinnerungstafel angebracht. An den Ehegatten Louis Spohr wird dagegen an vielen Stellen und Orten erinnert. Nach ihm sind Straßen benannt. Es gibt z. B. ein Spohr Museum, ein nach ihm benannter Musikpreis, ein internationaler Louis-Spohr-Wettbewerb und sogar ein nach ihm benannter Astoroid.

Louis Spohrs Karriere erfolgte wie folgt: 1805-1813: Konzertmeisterstelle in Gotha; 1813-1815: Konzertmeister des Theaters an der Wien. 1817-1819: Kapellmeisterstelle am Theater in Frankfurt am Main und Leitung des Orchesters der Frankfurter Museumsgesellschaft. Ab 1822: Hofkapellmeister in Kassel. 1847 Ernennung zum Generalmusikdirektor in Kassel. „1857 gegen seinen Wunsch und mit teilweiser Entziehung seines Gehalts pensioniert (…).“ 1)

Louis Spohr wehrte sich vehement gegen die Behandlung der Künstlerinnen und Künstler als Lakaien bzw. dagegen, dass ihre musikalischen Darbietungen als Nebensache zu anderen Nebensächlichkeiten gesehen wurden: „Schon 1804 hatte der junge Violinvirtuose darauf verzichtet, vor dem Dresdener Hofe zu spielen, weil die Konzerte nur während der Tafel stattfanden. 1807 zwang er König Friedrich. I. von Wüirttemberg, dem sonst beim Hofkonzert üblichen Kartenspiel zu entsagen, wahrend er mit seiner Gattin Dorette musizierte. Beim Herzog von Clarence in London durchbrach er 1820 die in England herrschende Sitte, Musiker von der Hofgesellschaft, der sie ihre Kunst darbieten sollten, auszuschließen, sie in einem Bedientenzimmer auf den Zeitpunkt ihres Programmstücks warten und nachdem es gespielt war, wieder dorthin zurückbringen zu lassen. (…) der Künstler begehrte stets

erfolgreich auf gegen die damals noch vielenorts lakaienhafte Behandlung des

Musikers,“ 5) schreibt Herfried Homburg.

Spohr, der politisch liberal war und die bürgerliche Revolution von 1848 begrüßte, hatte immer wieder Ärger mit seinem adligen Arbeitgeber. „(…) Als der Künstler (…) zu einer Reise in die Schweiz und nach Italien während der Theaterferien reiste, (…) verweigerte Kurfürst Friedrich Wilhelm den Spohr kontraktlich zustehenden Reiseurlaub. Dieser verwahrte sich dagegen, seine Rechte schmälern zu lassen und reiste demonstrativ ohne Erlaubnis. Die General-Intendantur forderte danach auf Befehl des Landesherm fünfhundertundfünfzig Taler Strafe wegen seiner ‚illegalen Abwesenheit‘ von Kassel. Als die Hoftheaterverwaltung dem berühmten Komponisten tatsächlich am 16. Januar 1852 ein gekürztes Gehalt auszahlen wollte, verweigerte Spohr die Annahme und erhob Klage beim Obergericht wegen ‚widerrechtlcher Gehaltsentziehung‘. Das vom Vertreter des Landesherrn angerufene Oberappellationsgericht erkannte die Rechte Spohrs auf lebenslängliche Anstellung mit zweitausend Talern Jahresgage und einen alljahrlichen Reiseurlaub von sechs bis acht Wochen an, entschied aber, er sei nicht befugt gewesen, ohne spezieIle Erlaubnis des Kurfürsten in dem ihm rechtmäßig zustehenden Urlaub zu verreisen. Er muBte also zahlen. Allerdings bestätigte ihm das Oberappellationsgericht ausdrücklich, er habe seine Dienstverpflichtungen vom ersten Tage an loyal, pünktlich und gewissenhaft erfülIt, so daß der Kurfürst künftig nicht mehr wagte, ihm UrIaubsreisen zu verweigern. (…)

Als (…) der dem Kurfürsten treu ergebene Hofmarschall Josias von Heeringen, in einer Eingabe vom 13. Oktober 1857 Diensterleichterungen wegen des ‚successiven Nachlassens der Körperkräfte‘ für den dreiundsiebzigjährigen Künstler erbat, sprach Friedrich Wilhelm am 12. November 1857 die Pensionierung Louis Spohrs aus und setzte das ihm lebenslänglich zugesicherte Jahresgehalt auf eintausendfünfhundert Taler herab. (…).“ 5)

Spohrs zweite Ehefrau, Marianne, sprach nach dem Tod ihres Mannes, als sie – wie so viele Witwen berühmter Männer – eine Biografie ihres Mannes mitherausgab, die Differenzen zwischen dem Kurfürsten und Spohr an und brachte sie an die Öffentlichkeit. „(…) im zweiten Bande der von der Witwe des Meisters und anderen Verwandten herausgegebenen sogenannten ‚Selbstbiographie‘ [ist] an politisch freisinnigen Äußerungen kein Mangel (…). Hätte die Druckerei Tromner und Dietrich (…) sich nicht mehrfach geweigert, ‚politische Raisonnements‘ abzudrucken, wäre das Buch sicher noch aufschlußreicher für uns.

Es gilt noch einen besonders wichtigen Absatz des von Marianne Spohr geschriebenen Teils dieser ‚Selbstbiographie‘ zu entschlüsseln. Spohr, wird im Band 2, Seite 324 gesagt, habe seinem kranken Schwiegervater Pfeiffer regelmäßig von dem politischen Treiben in und außerhalb der Ständesitzungen berichtet. Dabei seien beider Männer Ansichten insofern voneinander abgewichen, als Pfeiffer seine Wünsche in den Schranken einer echt constitutionelIen Monarchie hielt, während Spohr noch einen Schritt weiterging und oftmals seine Phantasien in das Gebiet unerreichbarer Ideale schweifen Iieß.

Mit den aus dem Antwortbrief Adolph Friedrich Hesses zitierten Sätzen: ... Wie recht hatten Sie (Ieider) damals, als Sie sich ... über das Gebahren der Regenten ausließen, gehabt. (…). Wie zu bedauern ist es, daß die Demokratie nicht ruhiger zu Werke ging . . . es hätte können Schönes und großes vollbracht werden . .. , dem Satze ‚ Wäre ich nicht zu alt, ich wanderte nach dem freien Amerika aus . . . und dem an den Anfang gestellten Zitat ... Doch hoffe ich es noch zu erleben, daß das deutsche Volk nochmals seine Ketten abwirft und seine demoralisirten Fürsten zum Lande hinausjagt . . . wird dieser von Marianne Spohr bewußt hintergründig formulierte Satz eindeutig entschlüsselt: Die Sympathien Louis Spohrs galten der Demokratie, der Republik! Er mißbilligte allerdings die bewaffnete Revolution, wie sie die Anhänger der radikalen demokratischen Vereine propagierten. Deshalb beruhigte er den konstitutionellen Monarchisten Edward Taylor in London, man habe keine Sorgen, daß die republikanische Partei die Oherhand gewinne. (…). Marianne Spohrs Formulierung ‚unerreichbare Ideale‘ beweist zugleich, daß Louis Spohrs politisches Bewußtsein auch an seinem Lebensende noch von dem ihm in jungen Jahren vermittelten Ideengut der Illuminaten geprägt war. Was konnten die ‚unerreichbaren Ideale‘ anderes bedeuten, als eine Befreiung der Menschheit durch Aufklärung, eine Herrschaft der Vernunft, der Humanitat, des Geistigen.“ 6)