Germanenweg
Niendorf (1965): nach dem Volksstamm der Germanen.
67 Verkehrsflächen sind in Hamburg nach „Volksstämmen“ benannt. Im Mittelpunkt der Beschreibung dieser „Volksstämme“ stehen meist die Schlachten und Kämpfe mit rivalisierenden anderen Völkern, um die Herrschaft über Siedlungsgebiete. Dabei wurden Menschen auch versklavt. Im frühen Mittelalter, so Egon Flaig, Professor für Alte Geschichte an der Universität Rostock, betrieben die Germanen schon „längst Sklaverei, sehr verbreitet war das strafweise Versklaven, aber auch Selbstverkauf und Schuldknechtschaft“. 1) Des Weiteren erinnert Egon Flaig daran, dass, nachdem sich „von Nordafrika und Spanien bis Mitteleuropa und England (…) germanische Königreiche [gebildet hatten], neue Rechtsbücher, die das Recht an die neuen Hierarchien anpassten und auch die Sklaverei regelten, [entstanden]: Sklaven durften gefoltert werden, keine Waffen tragen, weder Anklage erheben noch Zeuge sein; sie konnten nur mit Zustimmung ihres Herrn heiraten. (…).“ 2) Ebenso weist Egon Flaig darauf hin, dass ein: „(…) hoher Prozentsatz von ehemals Freien (…) in fast allen germanischen Reichen zwischen dem 7. und 12. Jhd. in Unfreiheit“ 3) sank. Dabei betont Flaig, dass die Unfreiheit: „sich in eine Vielzahl von abgestuften Formen [differenzierte], mit unterschiedlichen Tätigkeiten, Pflichten und Rechten: der Begriff ‚Leibeigenschaft‘ stellt dafür eine Sammelkategorie dar. Da im 9. und 10. Jhd. die staatlichen Strukturen sich weitgehend auflösten und auch auf lokaler Ebene die Herrschaft instabil wurde, konnte sich Sklaverei als System nicht aufrechterhalten, schon weil substantielle Sklavenflucht gar nicht mehr zu verhindern war. Daher vollzog sich flächendeckend ein Übergang hin zur Bewirtschaftung adliger Güter durch Bauern, die in unterschiedlichsten Stufen abhängig und unfrei waren, bis hin zur regelrechten ‚Leibeigenschaft‘.“ 4)
Vom 8. bis 11. Jahrhundert entwickelte sich in Europa ein – wie Egon Flaig äußert – „großflächiger Sklavenhandel“ 5), der sich auf vier Routen bewegte: „auf der ersten importierten friesische Händler Sklaven irischer und englischer Herkunft aus London, um sie in den Binnenhäfen Westeuropas und Deutschlands zu verkaufen; auf der zweiten verbrachte man Sklaven aus den noch heidnischen slawischen Gebieten durch Bayern über die Alpen nach Venedig, von wo aus sie zu den islamischen Märkten verfrachtet wurden, auf der dritten kamen verschleppte Slawen durch Deutschland über Verdun, das als Sammellager und Kastrationsanstalt diente, das Rhone-Tal abwärts nach Arles und Marseille, von wo sie ins moslemische Spanien gelangten, um die Mamlukenschaft des Kalifats zu ergänzen; die vierte Route führte von England zum islamischen Spanien, welches die meisten importierten Sklaven absorbierte und einen Teil nach Nordafrika und Ägypten weiterverkaufte.“ 6)
Die im frühen Mittelalter oder auch zum Beispiel in der Antike vorhandene Sklaverei ist anders zu betrachten als die – wie Professor Sebastian Jobs von der Freien Universität Berlin in seinen Aufsatz über „Sklaverei und Sklavenhandel“ schreibt - Sklaverei, „die mit den europäischen Entdeckungen und Expansionen im atlantischen und südostasiatischen Raum vom 16. bis 20. Jahrhundert verknüpft ist. Diese historische Konstellation brachte spezifische Akteure, Strukturen und Netzwerke hervor, durch die diese Kapitalisierung menschlicher Körper eng mit der globalen Geschichte des westlichen Kapitalismus, Rassismus, aber auch des Widerstands gegen Sklaverei verbunden ist“7) Von letzterer Form der Sklaverei profitierten indirekt zahlreiche Hamburger Kaufleute, nach denen in Hamburg Straßen benannt sind.
Zur Rolle der Frau bei den Germanen und anderen germanischen „Volksstämmen“ (Siehe dazu auch unter: Alemannenweg)
In ars femina wird ein Überblick über die „germanische Frau in der Vorvölkerwanderungszeit“ gegeben: Daraus soll im Folgenden zitiert werden. Lesenswert ist der gesamte Beitrag unter: https://arsfemina.de/frauen-im-mittelalter-band-2/die-germanische-frau-der-vorv%C3%B6lkerwanderungszeit
Im Folgenden geht es um den Zeitraum der ersten christlichen Jahrhunderte bis zum Beginn der Völkerwanderung.
„Nach dem Bericht des Tacitus verfügte die germanische Frau über eine hochangesehene gesellschaftliche Stellung (2). Dieser Wertung wird man allerdings mit Vorsicht begegnen müssen, wenn man ihr andere Aussagen des gleichen Autors gegenüberstellt. Um die überhöhten Tributforderungen der Römer erfüllen zu können, verkauften die Friesen im Jahre 28 nicht nur ihre Rinder und ihren Landbesitz, sondern auch ihre Frauen und Kinder. Allem Anschein nach entschlossen sie sich erst zum Aufstand, als auch dies nicht ausreichte (3). Die Männer verfügten in diesem Fall über ihre Frauen wie über jedweden Besitz.“ 8)
Die Frauen hatten keine rechtlichen Möglichkeiten. Da sie Eigentum des Ehemannes waren, denn die Ehemänner hatten ihre Frauen gekauft, indem sie an deren Eltern einen Brautpreis gezahlt hatten, konnten die Frauen nach dem Tod der Ehemänner ebenso zu Tode gebracht oder verschenkt werden.
Ehebruch war nur für die Ehefrau strafbar, nicht für den Mann, schließlich war sie sein Eigentum.
„Nach Tacitus trugen die Frauen die Hauptlast der hauswirtschaftlich organisierten Nahrungsmittel- und Güterproduktion (10).“ 9)
Bei kriegerischen Auseinandersetzungen waren sie zwar mit dabei, verblieben aber in den Wagenburgen und kamen erst dann zum Vorschein, wenn ihre Männer die „die Schlacht verloren [hatten] (…) und flohen, [dann] griffen die Frauen von der Wagenburg aus in den Kampf ein, kämpften gegen den Feind, aber wandten sich auch gegen die fliehenden Männer, um diese zum erneuten Widerstand zu bewegen. Um der Sklaverei zu entgehen, mögen sie sich in manchen Fällen sogar selbst mit ihren Kindern umgebracht haben (13).“ 10)
Nach außen hin traten Frauen im sakralen Bereich auf. Eine bedeutende Seherin war die Brukterin Veleda. Vor dem Beginn von kriegerischen Auseinandersetzungen befragten die germanischen Männer gerne eine Seherin, um den Ausgang der Schlacht zu erfahren.
„Die germanische Mythologie kannte zwar mit Frigg, Freia, Hel, Fulla, Gefion, Iduna, Idisi, Holda u. a. zahlreiche Göttinnen, allem Anschein nach nahmen die Frauen jedoch keine öffentlichen Priesterfunktionen wahr. Selbst im Heiligtum der Fruchtbarkeitsgöttin Nerthus versah ein Priester den Dienst (21).
(…). Der Widerspruch zwischen der nahezu rechtlosen Stellung der Germanin einerseits und ihrer Achtung als ‚heiliges Wesen‘ andererseits lässt sich nicht harmonisieren. In der gesellschaftlichen Wirklichkeit waren die germanischen Frauen der strengen patriarchalischen Hausgewalt der Männer unterworfen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die freien Frauen in gleicher Weise wie unfreie und Vieh als Sachgüter betrachtet wurden. Ihre personale Qualität war unbestritten. (…).“ 11)
Veränderung der rechtlichen Stellung der Frau
„Die wichtigste Veränderung für die Frauen zwischen der Zeit des Tacitus und der Kodifikation der germanischen Gesetze war die Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Rechte. Germanische Frauen waren ursprünglich nicht erbberechtigt und durften kein Eigentum besitzen. Aber zum Ende des 5. Jahrhundert entwickelte sich der Brautpreis zur Brautgabe, welche die Braut zum Teil oder vollständig erhielt. Damit glichen die gesetzlichen Regelungen die Stellung der germanischen Braut dem günstigeren Los der römischen Frau an. Der heilige Leander beschrieb diese Entwicklung mit ungeschminkten Worten als den Preis, der für den Verlust des Schamgefühls bezahlt werde. Dos und Morgengabe unterschieden sich darin, daß letztere erst nach der Hochzeit übergeben wurde und im allgemeinen nicht so groß war wie die dos.“ 12)