Börnestraße
Eilbek (1866): Ludwig Börne, eigentlich Juda Löb Baruch (6.5.1786 im jüdischen Ghetto von Frankfurt a. M. -12.2.1837 Paris), Schriftsteller, Journalist, Literatur- und Theaterkritiker, Freimaurer
Siehe auch: Henriette-Herz-Ring
siehe auch: Rahel-Varnhagen-Weg
1936/37 wurde die 1866 benannte Börnestraße umbenannt in Josef Klant-Straße. Josef Klant (1869-1927) war Gauleiter der NSDAP von Hamburg und Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft. Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus wurde die Straße 1945 rückbenannt in Börnestraße.
Börnes Mutter war Julie, geb. Gumperz, eine Bankierstochter aus Frankfurt a. M., sein Vater war der Wechselhändler Löb Jakob Baruch.
In der Neuen Deutschen Biographie steht über Börnes Lebensweg: „B. verbrachte, zunächst streng orthodox erzogen, die Kindheit in der durch drückende Rechtsbeschränkungen seit 1617 aufgezwungenen Enge des Frankfurter Ghetto. Die Vorbereitung zum einzig für Juden zugelassenen Studium der Medizin erfolgte in Gießen, seit 1802 in Berlin bei dem bedeutenden Arzt und Philosophen Marcus Herz (…). Seine an den Werther-Typus erinnernde Liebe zu dessen ähnlich bedeutender Frau Henriette Herz (…) und seine geistige Jugendentwicklung spiegeln die zwischen 1802 und 1807 auf ihr Geheiß niedergeschriebenen ‚Briefe des jungen B. an Henriette Herz‘ (erschienen 1861, Neudruck 1915). Dem Studium der Geisteswissenschaften und Cameralwissenschaften widmete er sich seit 1804 in Halle, seit 1807 in Heidelberg. Im folgenden Jahr wurde er in Gießen zum Dr. phil. promoviert. Der Fürstprimas Karl Theodor von Dalberg hatte auf Grund der Rheinbundpolitik Napoleons den Frankfurter Juden den Kauf der bürgerlichen Gleichberechtigung genehmigt, die B. 1811 das Amt eines Polizeiaktuars erlaubte, aus dem er 1815 nach Restitution der alten Rechtsbeschränkung mit von ihm erzwungener kleiner Pension entlassen wurde. Mit der Taufe vollzog er den äußeren und inneren Übergang in die christlich-humanistische Bildung des modernen Europa. Unter dem Einfluß von Jeanette Wohl (später verheiratete Strauß), die ihm seither schwesterlich nahe blieb und für den früh Erkrankten sorgte, wagte er die Gründung einer eigenen „Zeitschrift für Bürgertum, Wissenschaft und Kunst“ unter dem Titel ‚Die Waage‘ (1818 bis 1821), die seinen Namen breit bekannt machte. Nach durch die Zensur stark behinderter journalistisch-kritischer Tätigkeit (…) und einer ersten Reise nach Paris, schließlich einer kurzen Haft zufolge politischer Denunziation trat B. in Stuttgart mit Cotta und der ‚Neckarzeitung‘ in Verbindung. (…) Die Pariser Julirevolution veranlaßte ihn, ganz nach Paris (…) ‚Pariser Briefe‘ an J. Wohl) überzusiedeln. Die rasche Folge dieser Briefe machte ihn zum ebenso enthusiastisch gefeierten wie gefürchteten und verhaßten Sprecher des deutschen revolutionären Liberalismus. 1832 war B. in Freiburg (Breisgau); in das gleiche Jahr fällt seine Teilnahme am Hambacher Fest. Seither lebte er, seit langem gegen eine schwere Erkrankung kämpfend, als Repräsentant der politischen deutschen Opposition gegen die Restauration in Paris, wo er noch seine sehr scharfe Polemik gegen Heinrich Heine und Wolfgang Menzel durchfocht. (…).“ 1)
Die drei Jahre ältere Jeanette Wohl (16.10.1783 Frankfurt a. M. – 25.11.1861 Paris) hatte Ludwig Börne 1816 kennengelernt. Sie war damals 33 Jahre alt und hatte schon eine kurze Ehe hinter sich, die sie im Alter von 22 Jahren eingegangen war.
Jeanette Wohl und Ludwig Börne verband eine lebenslange Freundschaft. In der Allgemeinen Deutschen Biographie heißt es zur Einflussnahme Wohls auf den Literaten Börne: „nahezu während seiner ganzen litterarischen Laufbahn befand sich der berühmte Publicist unter dem Einfluß des damals angeknüpften Seelenbundes. Sind zwar die Gedanken, wie sie uns in Börne’s Schriften vorliegen, immer des Schriftstellers Eigenthum, so ist es doch oft genug Jeannette gewesen, die ihm sich voll austönen zu lassen, den Impuls gegeben. Lebte Börne mit ihr am gleichen Orte, so las er ihr alles vor, was er schrieb; lebten die Freunde getrennt, so sind Jeannettens Briefe voll von Anspornungen; ist doch das Object derselben wesentlich ein einziges – Börne: seine Stellung, seine Gesundheit, seine Beschäftigung. Sie ist Börne’s Gedächtniß und sein litterarisches Gewissen. Besonderen Dank sind ihr die Litteratur- wie die Freiheitsfreunde dafür schuldig, daß sie zu den Pariser Briefen die Anregung gegeben hat. Erst auf ihr Drängen nämlich benutzte Börne jene durchaus nicht im Hinblick auf eine Veröffentlichung begonnene Correspondenz, um unter der Eingebung des Moments die Gedanken und Empfindungen in ihr niederzulegen, welche ihn in jener bedeutungsvollen Zeit bewegten. Ganz im Geheimen excerpirte Jeannette W. mit einigen Vertrauten aus den Briefen das Geeignete, damit es Börne zur Herausgabe vorgelegt werde.
Jeannettens Erscheinung wird übereinstimmend als eine angenehme geschildert, ihre Redeweise soll eine distinguirte gewesen sein. Viele der in der Cultur- und Litteraturgeschichte berühmten Frauen sind durch schärferes wie originelleres Denken hervorgetreten: an Herzensgüte, Selbstlosigkeit und warmer Theilnahme für alles Edle in Kunst und Leben dürfte sie von keiner übertroffen worden sein. So hat sie es auch stets verstanden, einen auserlesenen Kreis von Freunden an sich zu fesseln. Dabei war ihr jede Sucht zu glänzen gänzlich fremd; auch mit ihren ungezwungenen, zuweilen auch wol neckisch hingeschriebenen Briefen hat sie litterarische Produkte niemals schaffen wollen; ja es kann sie förmlich beunruhigen, wenn Börne ihre Schreibweise lobt.
Wie kam es, daß jenes seltene Seelenbündniß nicht zur Ehe führte? Eine vollständige und sichere Lösung wird diese Frage nicht leicht erfahren. Es ist sehr wahrscheinlich, daß Börne zunächst Jeannetten von heftigeren Gefühlen als von denen der Freundschaft beseelt, genaht war, daß er jedoch einer ablehnenden Haltung begegnete und daß sich alsdann eine Art Anbetung in ihm herausbildete, welche auch die leibliche Erscheinung des angebeteten Gegenstandes soweit umfaßt, als er Spiegel der Seele ist. Es scheint fast, als ob namentlich Jeannette eine schwer besiegbare Zaghaftigkeit besessen habe an der Natur des Bündnisses, sowie es einmal war, etwas zu ändern. Aeußere Hindernisse machten sich überdies geltend: Börne’s häufige Krankheiten, ferner die Verschiedenheit der Confession (Jeannettens Mutter war orthodox jüdisch). Am nächsten dürfte die Eventualität einer Heirath zwischen Börne und J. Wohl im J. 1828 gelegen haben; nachmals jedoch sinnt Börne nur noch darauf, die Freundin glücklich zu wissen, sei es auch mit einem andern Gatten. Am 7. October 1832 vermählte sich Jeannette W. mit Salomon Straus aus Frankfurt a. M., einem begeisterten Freiheitsfreunde, von festem Charakter und zugleich liebenswürdigem, heiterm Naturell. In dem Entschlusse, Börne trotz ihrer Verheirathung niemals zu verlassen, war Jeannette W. darum doch keinen Augenblick wankend geworden, wie sie das mit erschütternder Gewalt in ihrem Briefwechsel mit Straus ausspricht.“ 2) So schrieb sie ihm: „Der Doktor [Ludwig Börne] hat niemanden auf der Welt als mich, ich bin ihm Freundin, Schwester, alles was sich mit diesem Namen Freundliches, Theilnehmendes, Wohlwollendes im Leben geben, bezeichnen lässt. …. Der Doktor muss bei uns sein können, wann, wo und so oft und für immer, wenn er es will. (…) Solange ich lebe, bis zum letzten Athemzuge werde ich für Börne die Treue, die Liebe und Anhänglichkeit einer Tochter zu ihrem Vater, einer Schwester zu ihrem Bruder, einer Freundin zu ihrem Freunde haben.“
„Die wenigen Jahre, die Börne bis zu seinem Tode im Heim der Freunde verlebte (in Paris und Auteuil), mögen wol die behaglichsten im Leben des Kämpfers gewesen sein. Auch Börne’s Feinde wagten es nicht, die Reinheit dieses Verhältnisses anzugreifen. Nur Heinrich Heine ließ sich aus gekränkter Eitelkeit nach Börne’s Tode in seinem Buche ‚Heine über Börne‘ zu nachmals von ihm bereuten und zurückgenommenen Aeußerungen hinreißen; ein Pistolenduell zwischen ihm und Straus war die Folge derselben. Jeannette W. wurde von Börne zur Erbin seiner sämmtlichen litterarischen Eigenthumsrechte eingesetzt. Unterstützt durch ihren Gatten, übernahm sie die Herausgabe des Nachlasses (6 Bde. bei Bassermann, Mannheim). Sie stiftete mit ihrem Manne einen Fonds zu Ehren Börne’s, das Andenken des Heimgegangenen bis zu ihrem Tode mit der rührendsten Pietät pflegend. (…).“ 2)
Bei der Verleihung des Börnepreises an Alice Schwarzer am 14.5.2008 in der Frankfurter Paulskirche ging die Preisträgerin in ihrer Rede auch auf Ludwig Börnes Verhältnis zu Frauen ein. So äußerte sie: „Heines galant-herablassendes Verhältnis zu den Frauen scheint mir durchschaubarer als das verdruckst-abhängige von Börne. Dabei haben beide den Frauen sehr viel zu verdanken, vor allem den jüdischen Frauen: Beide profitierten von den Impulsen und der Unterstützung durch die tonangebenden Jüdinnen der Berliner Salons. Eine von ihnen war Rahel Varnhagen, die auch Börne beeinflusste. Für Heine war Rahel einfach die ‚geistreichste Frau des Universums‘. Aber eben kein geistreicher Mensch, sondern Frau quand même. (…)
Haben Rahel Varnhagen oder Henriette Herz, diese Parias der Parias, über ihren Schmerz und ihre Sehnsucht reden können mit diesen jungen Juden, die sie so geschwisterlich gefördert haben? Vermutlich nicht. Denn sie waren nicht nur im öffentlichen Leben, sie waren auch in den privaten Beziehungen Menschen zweiter Klasse. Gleichzeitig aber waren sie die intimen, und privat auch intellektuellen Gefährtinnen der Männer. Was es nicht besser machte, sondern komplizierter. Die Machtverhältnisse zwischen Frauen & Männern sind eben schwerer durchschaubar als die zwischen Arm & Reich oder Juden & Nicht-Juden.
Auch Börne weist die Frauen hart in ihre Schranken. Selbst die geliebte Freundin Jeanette Wohl – der er lebenslange Förderung, Unterstützung und Sicherheit zu verdanken hat – weist er brieflich mit den Worten zurecht: ‚Der Geist des Weibes soll Blüten tragen und nicht Früchte.‘ Und bereits in seinen frühen Schriften skizziert Börne sein Frauen-Ideal: ‚Sie sollen weben und Wunden heilen, die das Schwert oder das Geschick uns schlägt.‘ Uns: den Männern! Und er fährt fort: ‚Sie sollen das heilige, ungetrübt Menschliche bewahren, worin sich Völker entfernter Zeiten und Regionen als Brüder erkennen: das eine, worin die tausendfachen Kräfte, in welche die Natur des Mannes zersplittert, sich wieder finden kann und versöhnen – die Liebe.‘
Wir Brüder, die Einen. Ihr Frauen, die Anderen. Frauen werden gleichzeitig verachtet und geliebt. Für ihre Liebesfähigkeit. In Sachen Männer.
Sie sehen, das alles hat eine lange Tradition. Das mit den Juden. Und das mit den Frauen. Und nicht zufällig sind beide die ersten im Visier der islamischen Fundamentalisten, dieses dunkelsten Rückschlags unseres Jahrhunderts.“ 3)