Henriette-Herz-Ring
Bergedorf, seit 1984, benannt nach Henriette Julie, geb. de Lemos (5.9.1764 Berlin – 22.10.1847 Berlin), Schriftstellerin
Siehe auch: Henriette-Herz-Garten
Siehe auch: Rahel-Varnhagen-Weg, Schlegelsweg.
Siehe auch: Humboldtstraße, Barmbek-Süd, seit 1859 und Humboldtbrücke, Uhlenhorst, seit 1970: Alexander von Humboldt (1769-1859), Gelehrter, Naturforscher.
Siehe auch: Börnestraße, Eilbek, seit 1866: Ludwig Börne (1786-1837), Schriftsteller.
Siehe auch: Schillerstraße, Altona-Altstadt (1859 und 1950): Friedrich von Schiller (1759-1805), Dichter.

Henriette Herz war die Tochter des sephardischen Arztes und Leiter des jüdischen Krankenhauses Benjamin de Lemos aus Berlin und seiner Frau Esther, geb. Charleville. Ihr Vater gab seiner Tochter eine gute Bildung. Henriette lernte Hebräisch, Griechisch und Latein und las sehr viel. Im Alter von zwölf Jahren wurde sie – entsprechend dem jüdischen Brauch – verlobt und zwar mit dem ihr unbekannten und siebzehn Jahre älteren Arzt und Philosophen Markus Herz. Drei Jahre später, 1779, war für die Fünfzehnjährige Hochzeit. Henriette empfand damals die Ehe als Befreiung und freute sich auf das „reiche und schöne Leben“. Ihr Mann hielt als Mediziner und Philosoph in seinem Haus Vorlesungen über Kants Philosophie und über Experimentalphysik ab. Dadurch kamen viele Menschen ins Haus - meist älteren Semesters. Auch Henriette nahm zunächst als Zuhörerin an diesen Vorlesungen teil, sammelte aber bald einen Kreis junger, literaturbegeisteter Menschen um sich. „Während man in Marcus‘ Räumen einen aufklärerisch-wissenschaftlichen Diskurs pflegte, versammelte sich [in einem Nebenraum des Wohnhauses an der Spandauer Straße 35, später in der Neuen Friedrichstraße (heute: Littenstraße)] die jüngere Generation der RomantikerInnen um Henriette.“ 1)
Damit war um 1780 der erste Berliner Salon gegründet. Bisher gab es im Zeitalter der Aufklärung, in dem viele der gebildeten Menschen das Bedürfnis hatten, sich über die unterschiedlichsten Themen auszutauschen, zwar viele Gesellschaften, wie z. B. die Montags- und Mittwochsgesellschaft. An solchen Gesellschaften nahmen aber nur Männer teil. Mit Henriette Herz‘ Salon war das nun anders. Hier verkehrten Frauen wie auch Männer, so z. B. neben den Brüdern Humboldt (siehe: Humboldtbrücke und Humboldtstraße) u. a. Ludwig Börne (siehe: Börnestraße), Schiller (siehe: Schillerstraße), Friedrich Schleiermacher, Rahel Varnhagen (siehe: Rahel-Varnhagen-Weg), Madame de Stael und Dorothea Schlegel (siehe: Schlegelsweg). Letztere verliebte sich in Henriette Herz‘ Salon in Friedrich Schlegel und Wilhelm von Humboldt traf hier seine spätere Ehefrau Caroline von Dacheröden.
„Geprägt von den Idealen der Aufklärung und inspiriert von der aufkommenden Literatur des Sturm und Drang herrscht hier eine frühromantische Aufbruchstimmung, die einen gesellschaftlichen Freiraum schafft, den Henriette Herz selbstbewusst zu nutzen weiß, um ihren Salon als genuin weiblicher Form der Geselligkeit zu etablieren.“ 1)
Grundvoraussetzung für solche literarischen Salons, die ausschließlich von Frauen initiiert wurden, war das Vorhandensein geeigneter Räumlichkeiten, d. h. ein großes Haus, wie man es im begüterten Bürgertum oder im Adel besaß. Die Salonnieren mussten also über einen wirtschaftlichen Rückhalt verfügen, den sie meist über ihre gut situierten Ehemänner besaßen und der es ihnen auch erlaubte – z. B. angesichts des Vorhandenseins von Dienstpersonal -, über genügend Freizeit zu verfügen, um sich zu bilden, eine Voraussetzung, um solch einen Salon führen zu können.
Die Salonnieren taten damit nicht nur etwas für sich und ihr Remonée. Das Geld ihrer Ehemänner, das zur Aufrechterhaltung solcher Salons notwendig war, war gut angelegt, brachte solch ein Salon auch für die Ehegatten ein Gewinn an gesellschaftlichem Ansehen.
Eine besonders enge Freundschaft pflegte Henriette Herz mit dem protestantischen Theologen Friedrich Schleiermacher, den sie 1794 kennen lernte. Sie wurde „seine engste Vertraute bei der Abfassung seiner ‚Reden über die Religion‘. Er vermittelt ihr die Übersetzung zweier Reiseberichte aus dem Englischen, die um 1800 erscheinen. Das äußerlich so ungleiche Paar erregt Aufsehen, und Schleiermacher wird in Berlin als ‚Parasol de Madame Herz‘ verspottet.“ 2)
Gemeinsam mit Dorothea Schlegel war Henriette Herz auch Mitbegründerin eines Tugendbundes „zur Übung werktätiger Liebe“, dem u. a. Alexander und Wilhelm von Humboldt und später auch F. D. E. Schleiermacher angehörten.
Dass mehrere Männer in Henriette Herz, die als äußerst schön und mit prächtigem Haar beschrieben wird, verliebt waren, beobachtete verständnisvoll die Schauspielerin Karoline Bauer (1807-1877). Sie konnte es verstehen, dass der damals siebzehnjährige Börne „die um volle zweiundzwanzig Jahre ältere Henriette Herz bis zum Wahnsinn – ja bis zum projektierten Rattengift unglücklich lieben konnte, und daß der Staatsminister Graf Dohna-Schlobitten aller gesellschaftlichen und höfischen Vorurteile nicht achtete und der Witwe des jüdischen Arztes Markus Herz, Hand und Namen bot. Sie aber dankte ihm herzlich für beides und – blieb Schleiermachers geistige Freundin“. 3) Auch der siebzehnjährige Wilhelm von Humboldt war in die mehr als zwanzig Jahre ältere Henriette Herz verliebt.
Nach dem frühen Tod ihres Mannes im Jahre 1803 und der napoleonischen Besetzung Berlins 1806 „ging die Blütezeit ihres Salons“ zur Neige. Henriette Herz musste sich nun finanziell einschränken und konnte sich solch ein Haus und einen entsprechenden Salon nicht mehre leisten. Fortan war sie auf einen Nebenverdienst angewiesen, arbeitete als Erzieherin junger Mädchen, Übersetzerin und Sprachlehrerin und ließ sich, um nicht auf die Salonkultur verzichten zu müssen, in die Salons der Freundin Fanny von Arnstein in Wien und der Herzogin Dorothea von Kurland einführen.
Auch begab sie sich auf Reisen, so verbrachte sie einige Zeit in Rom bei den Brüdern Veit, den Söhnen von Dorothea Schlegel, in deren deutschen Künstlerkolonie.
„Zusammen mit dem Schriftsteller Joseph Fürst erarbeitet sie in den 1830er Jahren ein Manuskript ihrer Erinnerungen, das 1850 posthum veröffentlicht wird und bis heute zusammen mit ihrer Niederschrift eine wertvolle Quelle über die frühe Berliner Romantik darstellt. Scharfsichtig beschreibt sie den Einfluss von Frauen auf das geistige Leben ihrer Zeit und stellt angesichts restaurativer Entwicklungen nach dem Wiener Kongress enttäuscht fest: ‚die Frauen herrschen nicht mehr in der Gesellschaft.‘“ 4)
Im hohen Alter erhielt sie auf Anregung von Alexander von Humboldt eine Pension vom Preußischen König Friedrich Wilhelm IV.