Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Rackertwiete

Rissen (1928): nach den Henkern, Schindern


Siehe auch: Hartje-Rüter-Weg

Horst Beckershaus, der sich auf die Straßennamenkartei des Hamburger Staatsarchives bezieht, erklärt, dass die Rackertwiete nach den Henkern benannt ist. (Horst Beckershaus: Die Hamburger Straßennamen. Hamburg 2011, S. 296.)

Siegfried G. Schoppe gibt eine etymologische Erklärung für diesen Straßennamen. „Rackertwiete (…) für Moor wie in Recke, direkt neben dem Rau-lands-weg, also im alten Rissen-Bruch gelegen.“ (Siegfried G. Schoppe: Hamburger Straßen-, Brücken- und Flurnamen – grundlegend neu erklärt. Hamburg 2022, S. 355.)

Im Etymologischem Wörterbuch steht folgende Erklärung für Racker: niederdeutsch 15. Jahrhundert, Racher, Racker: Henker, Abdecker, Totengräber, Schinder. Racke = Kot, Unflat. (Kluge: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. 23. erweit. Aufl. Berlin 1999, S. 662.)

„Strafe und Vergeltung waren die Grundpfeiler einer Rechtspraxis, die sowohl im germanischen Recht als auch in dem Mosaischen Grundsatz ‚Auge um Auge, Zahn um Zahn‘ wurzelte Weit verbreitet war der Aberglaube, dass bei ungesühnten Verbrechen die Gemeinde vom Zorn Gottes heimgesucht würde, der sich in Form von Pest, Hungersnöten und anderen Unglücken zeigte,“ so Eva Eisenhofer. 1)

Der Beruf des Henkers als eigenständige Berufsgruppe entstand im 13. Jahrhundert, aber hängt eng zusammen – wie Carsten Mogh schreibt – mit dem „Umwandlungsprozess vom Akkusationsverfahren zum Inquisitionsverfahren (…). Obwohl schon 1276 im Augsburger Stadtbuch erstmals als eigenständige Berufsgruppe in Deutschland erwähnt, ist die Etablierung dieses Berufszweiges als alleinige Institution der Strafvollstreckung erst auf den eben genannten Umwandlungsvorgang zu datieren. Waren private Fehde, Buße oder Bestrafung (auch Hinrichtung) durch einen Fronboten oder den privaten Kläger selbst noch gängige Praxis der Strafvollstreckung des Mittelalters, so wurde in der Folge das Bestreben des Staates sichtbar, den Einfluss der staatlichen Rechtsprechung zu erweitern. Im Zuge dieser Entwicklung gewann auch das Amt des berufsmäßigen Henkers an Bedeutung, da nun, nachdem die Fehde 1495 durch den ‚ewigen Landfrieden‘ verboten wurde, ein modernisiertes und vor allem rationalisiertes Strafverfahren den Akkusationsprozess verdrängte. Als Beweis sollte in erster Linie ein Geständnis dienen, zu dessen Gewinnung die Folter als legitimes Mittel eingesetzt wurde. Die Folter, die nach klar vorgeschriebenen Richtlinien abzulaufen hatte benötigte eine speziell dafür ausgebildete Person. Diese Aufgabe übernahmen professionelle Henker und Scharfrichter. Diese Entwicklung gipfelte schließlich in der Carolina von 1532 wonach dem Henker, bzw. Scharfrichter das ‚alleinige Recht zur Strafvollstreckung‘ zugesprochen wurde. (…).“2)

Carsten Mogk berichtet über die Aufgaben des Henkers: „Der Beruf des Henkers galt im Spätmittelalter und der frühen Neuzeit als erlernbarer Handwerksberuf und sah zunächst. das Vollstrecken von Todesstrafen als seine Hauptaufgabe an. Jedoch unterschieden sich die Todesstrafen untereinander sehr. Während das Enthaupten zu den ehrbaren Todesstrafen zählte waren Hinrichtungen durch Rädern, Verbrennen, Hängen oder gar durch Vierteilen mit dem Ehrverlust verbunden. Allen Strafen gemein war allerdings, dass der Henker für den reibungslosen Ablauf der Hinrichtung Sorge tragen musste. Bei der Enthauptung, die in der Mehrzahl aller Fälle mit dem Schwert durchgeführt wurde, kam dem Scharfrichter jedoch eine besondere Sorgfaltspflicht zu. Ein unsauberer Hieb, das heißt ein Schwertschlag, der den Delinquenten nicht sofort tötete, hatte in den meisten Fällen ein sofortiges Berufsverbot zur Folge, da es Aufgabe des Henkers war dem Delinquenten zu töten wie es das Urteil vorsah und nicht ihn unnötig zu quälen und zu foltern. (…).“ 3)
Als die Tätigkeit des Hinrichtens zum Beruf wurde, drängte sich kaum jemand nach diesem Handwerk. Und so wurden „vielfach freigelassene bzw. begnadigte Schwerverbrecher zu der Ausübung des Amtes eines Scharfrichters gleichsam genötigt (…).“ 4)

Der Beruf des Henkers galt als unehrenhafter Beruf. Auch die Familienangehörigen waren davon betroffen. So war es ihnen weder erlaubt, das Bürgerrecht zu erlangen noch Mitglied einer Zunft zu werden. Söhne eines Henkers durften also keinem ehrbaren Beruf nachgehen. Deshalb wurde der Beruf des Hinrichtens innerhalb der Familie „weitergegeben“. Die Töchter von Henkern durften nur in andere Henkersfamilien einheiraten. Die Familien wohnten meist "vor den Toren der Stadt neben dem Schlachthaus oder dem Siechhaus für Leprakranke – in vielen Städten war ihnen sogar der Kirchenbesuch untersagt. Badehäuser oder Schenken durften sie nicht betreten.

Dennoch brachen im 16. Jahrhundert bessere Zeiten für die verfemten Berufshenker an. Mit der Entwicklung des Strafrechts wurden sie zu professionellen (das heißt ausreichend besoldeten) Mitgliedern der Rechtspflege. Mit dieser Absicherung kamen neue Aufgaben hinzu. So besorgten Scharfrichter oft die Aufsicht über das städtische Bordell, die Müllentsorgung oder verbrannten die Leichen von Selbstmördern.“ 5)

In Hamburg unterstand der Henker/Scharfrichter "dem besonderen Schutz des Ratsherrn, der für die Dauer eines Jahres als ältester Gerichtsherr fungierte. Bei seinem Ausscheiden wurde ihm vom Scharfrichter für den gewährten Schutz eine symbolische Abgabe überreicht. Dies war der sog. Scharfrichterpfennig, eine Medaille ohne Geldwert, die zwischen 1541 und 1810 belegt ist“ 6), heißt es im Hamburg Lexikon.
Es sollen vereinzelt auch Frauen diesen Beruf ausgeübt haben. Dazu schreibt Marcus Helmich: „Letztlich waren Scharfrichter nicht immer Vertreter des männlichen Geschlechts. So gibt es heute stichhaltige Anhaltspunkte dafür, dass auch Frauen vom späten Mittelalter an bis ins 19 Jahrhundert vereinzelt als Scharfrichterinnen oder Henkerinnen agierten. Vor allem während der Französischen Revolution und danach, etwa bei der öffentlichen Hinrichtung von Frauenmördern in Frankreich, durften sie mitunter mit der Guillotine exekutieren. In Deutschland soll Mitte des 17. Jahrhunderts gar die Frau eines Henkers ihren Mann kurzfristig vertreten und zwei Diebe am Galgen hingerichtet haben.“ 7)

Und in Wikipedia steht dazu: „Dass auch Frauen regelmäßig als Scharfrichterinnen tätig werden, welche offiziell Todesurteile vollstrecken, kommt seit etwa Mitte des 20. Jahrhunderts vor. So etwa in den Vereinigten Staaten von Amerika oder in einigen asiatischen Ländern, wo sie Hinrichtungen insbesondere an Frauen oder jüngeren männlichen Todeskandidaten vollziehen.“ 8)

In der Bundesrepublik Deutschland wurde die Todesstrafe 1949 abgeschafft. In der DDR fand die letzte Hinrichtung 1981 statt. Die Todesstrafe wurde dort 1987 aus den Strafgesetzen gestrichen.
Heute wird die Todesstrafe noch in 55 Staaten vollzogen, auch in demokratischen Staaten wie den USA und Japan. (www.amnesty.ch/de/themen/todesstrafe)