Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Weddestraße

Horn (1929): Johannes Wedde (15.1.1843 Uelzen – 13.1.1890 Lübeck), sozialdemokratischer Journalist, Dichter.


Siehe auch: Blostwiete, Blosweg
Siehe auch: Geibweg

„In der Zeit zwischen 1935 und 1937 wurden (..) vereinzelte Umbenennungen von nach Sozialdemokraten benannten Straßen durchgeführt. Mit der administrativen Umbenennungsaktion von 1938 (Groß-Hamburg) sollten die restlichen Namen beseitigt werden, was jedoch faktisch [wegen Beginn des Krieges] nicht stattfand.“ 1) So blieb auch der Name Weddestraße bestehen und wurde nicht, wie von den Nationalsozialisten vorgesehen, in Fritz-Sander-Straße umbenannt. Fritz Sander fiel in die von den Nationalsozialisten erschaffenen Straßenmotivgruppe „Opfer der Bewegung und der nationalen Erhebung“.

Wilhelm Blos, nach dem in Hamburg ebenfalls eine Verkehrsfläche benannt ist, schrieb über Hamburg und seine Begegnung mit Johannes Wedde: „Ich befand mich hier zum erstenmal in einer Weltstadt, wo mir so vieles neu und großartig erschien. Namentlich durch den Weltverkehr Hamburgs empfing ich eine Menge neuer Eindrücke und Anregungen.

Die Arbeiterbewegung erschien hier gleichfalls mächtiger, als ich sie bisher jemals hatte beobachten können. Hier gab es auch stärkere Traditionen als anderwärts. Die Hamburger Arbeiter hatten sich schon 1684, 1693 und 1708 an den politischen Kämpfen beteiligt und das Patriziertum überwunden, dem nur durch das Eingreifen auswärtiger Gewalten seine Vorrechte gerettet werden konnten. 1842, zur Zeit des bekannten großen Brandes, gab es in Hamburg eine auf Weitlings Anschauungen beruhende kommunistische Gemeinde und 1848 wurden einige Kommunisten in die Konstituante gewählt. Lassalle [Lassellestraße] fand hier sofort eine große Anhängerschaft. Es fanden hier wie anderwärts heftige Kämpfe zwischen Lassalleanern und Eisenachern statt; die letzteren blieben indessen eine kleine Gruppe. Die Vereinigung der beiden sozialdemokratischen Richtungen wurde in der Hamburger Arbeiterwelt mit rauschender Begeisterung aufgenommen. (…)

Ich wurde von der Parteileitung, (…), in die Redaktion des hamburgischen Parteiblattes berufen, (…). In August Geib [Geibweg] hatte ich einen Freund gewonnen, wie ich mir ihn trefflicher für meinen Hamburger Aufenthalt nicht wünschen konnte. Ein sangesfroher, poetisch veranlagter, lebenslustiger Pfälzer, war er zugleich von tiefem sittlichen Ernst erfüllt, der auch über seine imposante, gebietende Erscheinung ausgegossen war. Sein schöngeschnittener Kopf mit dem langen schwarzen Bart hatte sich unvergeßlich allen eingeprägt, die ihn auf den Parteikongressen präsidieren sahen. Seine würdevolle Haltung ließ ihn als ‚geborenen Präsidenten‘ erscheinen. Von Beruf Kaufmann hatte er sich in einem großen Geschäfte eine schöne Position gemacht; wie beliebt er war, ist daraus zu ersehen, daß er zu gleicher Zeit Vorsitzender von sechzehn Vereinen war. Aus der Pfalz hatte er die demokratischen Anschauungen der Achtundvierziger mitgebracht; daraus zog er die Konsequenzen, die ihn zur Sozialdemokratie führten. Er machte sich selbstständig und errichtete eine kleine Buchhandlung mit Leihbibliothek. Der Partei widmete er eine enorme Tätigkeit und besaß bald ein allgemeines Vertrauen. (…).

In Geibs gastlichem Hause habe ich viele genußreiche Stunden verbracht. Dort lernte ich den Gelehrten und Dichter Johannes Wedde kennen, der Lehrer an einer Privatschule war und eine Zeitlang bei den ‚Hamburger Nachrichten‘ das Amt des Theaterkritikers versah. Der kleine Mann mit dem interessanten, ausdrucksvollen Kopfe auf einem leider verwachsenen Körper war ein glühender Sozialdemokrat; konnte aber erst später öffentlich als solcher auftreten. Seine mit Geist und Humor gewürzte Konversation war äußerst anziehend. Seine oft sehr hübschen Verse konnten wegen des gelehrten Ballastes, mit dem sie bepackt waren, nicht in die Masse dringen.

Weddes liebenswürdige und geistvolle Schwester Theodora, der spätere Abgeordnete Auer, sowie eine Reihe anderer mit Geib befreundeter Persönlichkeiten nahmen an den gesellschaftlichen Vereinigungen in Geibs Hause teil. (…).“ 2)

3351 Johannes Wedde
Johannes Wedde; Quelle: via Wikimedia Commons

Im Eintrag über Wedde aus dem Jahr 1896 in der Allgemeinen Deutschen Biografie heißt es über die Herkunft und den Werdegang von Johannes Wedde: „Friedrich Christoph Johannes W., Schriftsteller, wurde (…) als Sohn eines Tuchfabrikanten geboren und siedelte mit seinem Vater, der sein Geschäft infolge der stürmischen Zeiten aufgeben mußte, nach Hannover über. Als dieser sich im J. 1851 nach Hamburg wandte, um ein neues Geschäft zu begründen, folgte er ihm dahin und besuchte dann das dortige Johanneum, bis er im J. 1862 nach Heidelberg zog, um die Rechte zu studiren. In Berlin und Göttingen trieb er in den nächsten Jahren geschichtliche und staatswissenschaftliche Studien. Durch ungünstige Familienverhältnisse und eigene schwere körperliche Leiden sah er sich genöthigt, seinen Plan, sich der akademischen Laufbahn zu widmen, aufzugeben. Seit dem Jahre 1867 war er als Lehrer an hamburgischen Privatschulen thätig. Namentlich lieferte er für die ‚Hamburger Nachrichten‘ regelmäßige Berichte über die schauspielerischen Aufführungen im Stadttheater, (…). Nachdem er im J. 1879 auf seine Lehrerthätigkeit verzichtet hatte, um sich ganz dem schriftstellerischen Beruf zu widmen, hatte er das Unglück, durch einen Brand fast seine ganze Habe einzubüßen. Er zog sich nun einige Zeit zur Herstellung seiner Gesundheit in den Sachsenwald zurück und rief dann im J. 1881 die Hamburger ‚Bürgerzeitung‘ ins Leben, die einen entschiedenen demokratischen Standpunkt vertrat. W. ließ sie seit dem Jahre 1882 in einer eigenen Druckerei herstellen und erfreute sich in jener Zeit einer angenehmen Lebenslage, da sein Zeitungsunternehmen glücklich einzuschlagen schien. Nebenbei fand er Zeit zu poetischen und schriftstellerischen Arbeiten, (…).“ 3)

Johannes Weddes Mutter soll nicht verschwiegen werden: Sie hieß Marie Margarethe Wedde, geborene Ide.

Im Wikipedia Eintrag zu Johannes Wedde wird genauer auf die politische Richtung, die Wedde vertrat, eingegangen und auch darauf, inwiefern er von den damaligen politischen Strömungen abhängig wurde. „1872 war Wedde Mitglied der Sozialistischen deutschen Arbeiterpartei, den sog. Eisenachern. Erst nach in Kraft treten des Sozialistengesetzes wurde Wedde auch öffentlich aktiv. J. H. Dietz schlug Wedde vor, nach dem bereits zwei Zeitungen in Hamburg auf Grund des Sozialistengesetzes verboten worden waren, die Hamburger ‚Bürgerzeitung‘ zu gründen und als Redakteur zu leiten. Am 2. Juli 1885 wurde in Hamburg ein Demokratischer Verein gegründet, der eine reichsweite Demokratische Partei bilden sollte. Es ging in dem Programm um die Aufhebung aller Ausnahmegesetze und um die Einführung eines Normalarbeitstages. Auf dem ersten Parteitag in Hamburg am 13. September 1885, auf dem nur 25 Delegierte anwesend waren, gab Wedde den Plan auf, der Partei beizutreten. Bis zu seiner Ausweisung am 12. Oktober 1887 konnte er die Zeitung halten. Zu den Autoren der ‚Bürgerzeitung‘ gehörte auch August Bebel.

Mit seiner Gedichtsammlung Grüße des Werdenden machte er den Arbeitern Mut, sich gegen den Bismarck-Staat zu wehren. In dem Gedicht Zum Gedächtnis (1875) würdigte er die Pariser Kommune von 1871. Das Gedicht Korinthiaka widmete er dem jungen Wilhelm Blos. In Unterm Ausnahmegesetz, (…), wendete er sich gegen den Fürsten von Friedrichruh. Nachdem Wedde durch die Verhängung des Kleinen Belagerungszustandes aus Hamburg vertrieben worden war, siedelt er in die Hansestadt Lübeck über.“ 4) Dort starb er an Influenzia.

Weddes Schwester Theodora Wedde verfasste 1891 Gedenkblätter über ihren Bruder, die im selben Jahr in Hamburg erschienen.