Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Blostwiete

Horn (1945): Wilhelm Blos (5.10.1849 Wertheim – 6.7.1927 Stuttgart-Cannstadt), Reichstagsabgeordneter. Journalist, Schriftsteller, erster Staatspräsident des republikanischen Württemberg
Ergänzt 2017 um seine ebenso bedeutende Ehefrau Anna Blos, geb. Tomasczewska.
Neuer Erläuterungstext: benannt nach Wilhelm B. (1849-1927), Journalist in Hamburg, Schriftsteller und Politiker, Mitglied des Reichstags (SPD), und dessen Ehefrau Anna B. (1866-1933), Mitglied der Nationalversammlung und erste Ortsschulrätin in Deutschland


Siehe auch: Weddestraße
Siehe auch: Geibweg
Siehe auch: Blosweg

Früher hieß die Verkehrsfläche Molkenbuhrsreihe, benannt 1929 nach Hermann M. (1851-1927), Redakteur, Mitglied des Reichstages, Sozialdemokrat, Mitglied der Nationalversammlung, (siehe unter: Molkenbuhrstraße.) 1934 wurde die Straße umbenannt in „Karl-Heinzelmann-Straße (1913-1932). SA-Mann, ums Leben gekommen bei politischen Auseinandersetzungen in Hamburg am 20.10.1932. Benennung anlässlich der Feierlichkeiten zum ersten Jahrestag der NS-Herrschaft am 5.3.1934.“ (Staatsarchiv Hamburg, Registratur Staatsarchiv AZ. 1521-1/5 Band 3-5: Straßennamen (neue Kartei), alphabetisch geordnet mit Hinweisen). Gleich nach der Befreiung vom Nationalsozialismus wurde die Straße umbenannt in Blostwiete.

Blos hatte nach dem Abitur einige Semester Geschichte und Philologie studiert, das Studium aber wegen Geldknappheit abgebrochen und sich dem Journalismus zugewandt. Er, der 1872 der Sozialdemokratischen Partei beigetreten war, war bei verschiedenen, teils sozialdemokratischen Blättern beschäftigt.

Ab 1875 arbeitete Blos in Hamburg als Redakteur beim „Hamburg-Altonaer-Volksblatt“. Ebenfalls in Hamburg gründete er die Satirezeitschrift „Der Wahre Jacob“ mit. 1880 wurde er jedoch Opfer des damaligen Sozialistengesetzes und aus Hamburg ausgewiesen, „wegen zahlreicher Verstöße gegen das Presse- und das Sozialistengesetz wurde er mehrfach verurteilt. 1877-1918 war er mit nur geringen Unterbrechungen Mitglied des Reichstages (SPD). Durch die Ereignisse der Revolution wurde B. am 9.11.1918 zum Vorsitzenden der Provisorischen Regierung Württembergs berufen und am 7.3.1919 zum Staatspräsidenten gewählt,“ 1) schreibt Alfred Milatz in der Neuen Deutschen Biographie.

Wie es dazu kam, dass Wilhelm Blos zum Staatspräsidenten gewählt wurde, ein Amt, das er nicht angestrebt hatte, ist in Wikipedia nachzulesen. „(…) er hatte sich zu diesem Zeitpunkt bereits aus der aktiven Politik zurückgezogen und sich auf seine journalistische Tätigkeit konzentriert. Am 9. November 1918 hatte er lediglich seine Frau Anna Blos zu einer Sitzung des Landesvorstands der SPD Württemberg begleiten wollen. Dass die Wahl auf Blos fiel, begründete sich wohl aus seiner moderaten politischen Haltung, die ihm in diesem Moment integrative Kraft verlieh und ihm die Zustimmung sowohl der bürgerlichen Kräfte und der Radikaldemokraten wie die der Sozialdemokratie und der Räte sicherte.“2)

Doch bereits am „20.5.1920 trat er zusammen mit seinen mehrheitssozialistischen Kollegen aus dem Ministerium aus. Wegen seiner sachlichen Amtsführung erwarb er sich Anerkennung und Ansehen auch bei den anderen Parteien. B. wurde als Verfasser von politischen Schriften, historischen Darstellungen und Romanen bekannt“, 3) so Alfred Milatz.

In Wikipedia heißt es, dass sich Blos nach seinem Amtsende „ins Privatleben zurück [zog]. Er und seine Frau Anna befanden sich in schwierigen finanziellen Verhältnissen, da er nach seiner Amtsniederlegung nur eine ‚kleinliche‘ Pension empfing. ‚Zurückgezogen und von seiner Partei enttäuscht‘, starb Wilhelm Blos am 6. Juli 1927 in Stuttgart.‘“ 4)

Verheiratet war Wilhelm Blos seit 1905 mit Anna Tomasczewska (4.8.1866 Liegnitz-27.4.1933 Stuttgart), Tochter von Marie Tomasczewska und des Oberstabarztes Robert Tomasczewski.

Anna Tomasczewska studierte an der Berliner Universität Geschichte, Literatur und Sprachen. 1910 wurde sie die erste Ortsschulrätin Deutschlands. Gleichzeitig war sie Politikerin und wurde 1919 als einzige weibliche Abgeordnete der württembergischen SPD bei der Wahl zur Deutschen Nationalversammlung zum Mitglied der Weimarer Nationalversammlung gewählt.

Anna Blos setzte sich besonders für das Frauenwahlrecht ein. Nach ihrer Heirat wurde sie auch als Journalistin der sozialistischen Schwäbischen Tagwacht und der von Clara Zetkin herausgegebenen Gleichheit sowie noch anderen Zeitungen tätig.

Während ihr Mann als württembergischer Staatspräsident fungierte, war Anna Blos neben ihrer Tätigkeit als Oberschulrätin und Politikerin in der Weimarer Nationalversammlung 1918 Gründerin und Vorsitzende des Verbandes Stuttgarter Hausfrauen. Darüber hinaus war sie Mitglied im Rat der geistigen Arbeiter und Arbeiterinnen Stuttgart, Mitglied des Württembergischen Goethebundes, im Württembergischen Verein für Frauenstimmrecht, im Propagandaausschuss zur Aufklärung über das Frauenwahlrecht und nach der Gründung der Volkshochschule Stuttgart im Jahre 1919 im Bereich der dortigen Frauenabteilung tätig.

Besonders hervorzuheben sind Anna Blos Veröffentlichungen zur Geschichte der proletarischen Frauenbewegung und ihr Einsatz für eine Überarbeitung und Neubewertung der Rolle der Frauen in der zeitgenössischen Geschichtsschreibung ein. Anna Blos zeigte auf, dass emanzipierte weibliche Traditionslinien in der Geschichte vom männlichen Forscherblick als nebensächlich abgetan wurden. Und so wurde es ihr ein wichtiges Anliegen, von Frauen zu erzählen, die an der Entwicklungsgeschichte des deutschen Volkes mitgewirkt hatten.

Als Abgeordneter in der Nationalversammlung fungierte Anna Blos bis Mai 1920. Nachdem ihr Mann einen Monat später aus seinem Amt ausgeschieden war, wandten sich die beiden dem Schreiben zu und wohnten in einer Pensionärswohnung im Alten Schloss in Stuttgart. Dort blieb Anna Blos auch wohnen, nachdem ihr Mann 1927 verstorben war. Doch als 1931 im Schloss ein Brand ausbrach, wurde davon auch die Wohnung betroffen, so dass Anna Blos ihre Unterkunft verlor. Zwei Jahre später starb die damals 66-Jährige an Krebs. 5)

Der gemeinsame Grabstein des Ehepaares Blos hebt besonders Wilhelm Blos hervor, denn auf dem Grabstein ist ein Portrait von ihm zu sehen. Die Funktion eines Staatspräsidenten gilt über den Tod hinaus als bedeutender als die Arbeit einer politisch aktiven Frau, die sich besonders um die Rechte der Frauen bekümmert hat, damit es in Zukunft eine Gleichstellung unter den Geschlechtern gibt.