Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Wilhelm-Raabe-Weg

Fuhlsbüttel (1931): Wilhelm Raabe (8.9.1831 Eschershausen -15.11.1910 Braunschweig), Schriftsteller.


Siehe auch: Jensenknick

Über seinen Lebensweg schrieb Raabe selbst und erwähnte dabei weder seine Ehefrau noch seine Kinder. „Ich bin am 8. September 1831 zu Eschershausen im Herzogtum Braunschweig geboren worden. Mein Vater war der damalige Aktuar am dortigen Amtsgericht, Gustav Karl Maximilian Raabe, und meine Mutter Auguste Johanne Frederike Jeep, die Tochter des weiland Stadtkämmerers Jeep zu Holzminden. Meine Mutter ist es gewesen, die mir das Lesen aus dem Robinson Crusoe unseres alten Landsmanns aus Deensen, Joachim Heinrich Campe beigebracht hat. Was ich nachher auf Volks- und Bürgerschulen, Gymnasien und auf der Universität an Wissenschaften zu erworben habe, heftet sich alles an den lieben feinen Finger, der mir ums Jahr 1836 herum den Punkt über dem i wies.

Im Jahr 1845 starb mein Vater als Justizamtmann zu Stadtoldendorf und zog seine Witwe mit ihren drei Kindern nach Wolfenbüttel, wo ich das Gymnasium bis 1849 besuchte. Wie mich danach unseres Herrgotts Kanzlei, die brave Stadt Magdeburg, davor bewahrte, ein mittelmäßiger Jurist, Schulmeister, Arzt oder gar Pastor zu werden, halte ich für eine Fügung, für welche ich nicht dankbar genug sein kann.

Ostern 1854 ging ich nach einem Jahr ernstlicher Vorbereitung nach Berlin, um mir auch ‚auf Universitäten‘ noch etwas mehr Ordnung in der Welt Dinge und Angelegenheiten, soweit sie ein so junger Mensch übersehen kann, zu bringen. Im November desselben Jahres begann ich dort in der Spreegasse die ‚Chronik der Sperlingsgasse‘ zu schreiben und vollendete sie im folgenden Frühling. Ende September 1856 erblickte das Buch durch den Druck das Tageslicht und hilft mir heute noch neben dem ‚Hungerpastor‘ im Erdenhaushalt am meisten mit zum Leben. Denn für die Schriften meiner ersten Schaffensperiode, die bis zu letzterwähntem Buche reicht, habe ich ‚Leser‘ gefunden, für den Rest nur ‚Liebhaber‘, aber mit denen, wie ich meine, freilich das allervornehmste Publikum, was das deutsche Volk gegenwärtig aufzuweisen hat.“ 1)

1862 heiratete der damals 31-Jährige die damals 27-jährige Bertha Emilie Wilhelmine Leiste (1835–1914), „die Tochter des Oberappellationsgerichtsprocurators Christoph Ludwig Leiste aus Wolfenbüttel (…) und seiner Frau Johanne Sophie Caroline Berta Heyden.“ 2) Das Paar bekam vier Töchter (geboren: 1863, 1868, 1872 und 1876).

Die ExpertInnenkommission zu Straßennamen Graz schreibt über Wilhelm Raabe: „Der Schriftsteller Wilhelm Karl Raabe (Pseudonym: Jakob Corvinus) war ein Vertreter des poetischen Realismus und verfasste 68 gesellschaftskritischer Romane, Novellen und Erzählungen. (…). Raabe brach die Schule und seine Buchhändlerlehre ab, versuchte danach vergeblich sein Abitur nachzuholen und studierte schließlich als Gasthörer Philologie in Berlin. In dieser Zeit verfasste er seinen ersten Roman ‚Die Chronik der Sperlingsgasse‘, der ein großer Erfolg war. (…). Raabe lebte ausschließlich von seinen Einkünften als freier Schriftsteller. Er war Mitglied unterschiedlicher Künstlervereine wie dem ‚Stammtisch der ehrlichen Kleiderseller zu Braunschweig‘ und dem ‚Feuchten Pinsel‘. Noch zu Lebzeiten wurde er mehrfach geehrt. Neben seinen literarischen Werken malte Raabe und schuf mehr als 550 Aquarelle und Zeichnungen. Die triviale und wegen ihrer antisemitischen Tendenz fragwürdige Erzählung ‚Der Hungerpastor‘ (1864) war während seiner Zeit in Wolfenbüttel sehr erfolgreich, Raabe selbst kennzeichnete sie jedoch als ‚Jugendquark‘. Auf einer Bildungsreise, die ihn 1859 u. a. nach Prag und Wien führte, gewann Raabe nicht nur zahlreiche Eindrücke, die er später in seinen Novellen verarbeitete, sondern wurde auch zum überzeugten Anhänger einer kleindeutschen Lösung in der Deutschen Frage. Sein politisches Engagement gipfelte in der Teilnahme als Delegierter an den Versammlungen des ‚Deutschen Nationalvereins‘ in Coburg 1860 und in Heidelberg 1861. Als sich 1866 der Konflikt zwischen Preußen und Österreich zuspitzte, stellte er sich durch seinen Beitritt zur nationalliberalen ‚Deutschen Partei‘ auf die Seite Bismarcks [siehe: Bismarckstraße]. Mit seinem Fortgang aus dem provinziellen Wolfenbüttel folgte eine literarische Neuorientierung. Ab 1870 lebte er wieder in Braunschweig, wo er 1910 starb. Die Raabe-Forschung vollzog sich zunächst fast ausschließlich im Bannkreis der 1911 von Wilhelm Brandes gegründeten ‚Gesellschaft der Freunde Wilhelm Raabes‘. Indem man das unreflektierte Zusammentragen von Anekdoten und persönlichen Erinnerungen an die Stelle einer kritischen Untersuchung der textkonstitutiven Ideen und Verfahrensweisen setzte, leistete man ungewollt der völkischen Vereinnahmung Raabes als eines Dichters von deutscher Innerlichkeit und deutschem Gemüt Vorschub. Raabes Rezeption nach dem 2. Weltkrieg wurde dadurch erschwert (…).Sein Erstlingswerk der ‚Hungerpastor‘ (1864) weist deutliche antisemitische Untertöne auf. Ebenso werden darin sehr viele antijüdische Stereotypen bedient. Diese antisemitischen Sequenzen wurden von Raabe bewusst zur Erhöhung seiner Verkaufszahlen eingeschrieben. Im Nationalsozialismus wurde ‚Der Hungerpastor‘ als antisemitisches Meisterwerk gefeiert (…). 3)

Der Historiker Felix Sassmannshausen äußert in seinem für das Land Berlin verfassten Dossier über Straßen- und Platznamen mit antisemitischen Bezügen in Berlin über Wilhelm Raabe: „Sein Roman ‚Der Hungerpastor‘ ist geprägt von antisemitischen Motiven. Raabe war der Meinung falsch verstanden zu werden und wies später selber ein distanziertes Verhältnis zu seinem Roman auf – unklar bleibt allerdings, ob er dies aufgrund des darin enthaltenen Antisemitismus tat.“ 4) Sassmannshausen gibt als Handlungsempfehlung für den Umgang mit diesem Straßennamen: „weitere Recherche, Kontextualisierung.“ 5)

Die Tochter: Margarethe Raabe: Malerin und Nachlassverwalterin ihres Vaters
Die älteste Tochter Margarethe Karoline Auguste Edmunde Raabe (17.7.1863 Stuttgart – 17.3.1947 Wolfenbüttel) wurde Malerin und Nachlassverwalterin ihres Vaters. 1940 übergab sie den Nachlass der Stadt Braunschweig. Sie hatte dort die Kunstgewerbeschule besucht. „Hochschulzugänge waren zu dieser Zeit für Frauen weitgehend ausgeschlossen, so dass sie, nur durch die Fürsprache ihres berühmten Vaters bei dem guten Freund, Professor Leitzen (‚Aquarellisten-Club‘ Der Feuchte Pinsel), den Zugang als erste Frau erhielt. Im Jahre 1886 wechselte sie nach Berlin. Dort schloss sie 1887 im Lette-Verein ihre Ausbildung mit dem Zeichenlehrerinnenexamen ab.“ 6) Auf Anregung der Malerin Marie Davids zog sie 1891 nach München. Dort besuchte sie die Damenakademie des Münchner Künstlerinnenvereins. Nach dem Abschluss ihrer künstlerischen Ausbildung im Jahr 1895 blieb sie bis 1901 in München. „Seit 1904 wohnte sie in einer Atelierwohnung in Braunschweig in der Leonhardstraße 29a, wo bereits seit 1901 ihre Eltern wohnten. Margarethe Raabe war im Bund Bildender Künstler aktiv. Sie gründete den Braunschweiger Künstlerinnenverein, deren Vorsitz sie führte.“ 7)

Margarethe Raabe malte vornehmlich Landschaften in Öl und Aquarelle. „Mit großer Genauigkeit und Intensität erschuf sie geometrische und perspektivische Formen, Pflanzenbilder, daneben schuf sie Porträts, u. a. von ihrem Vater. In der Berliner Zeit bekam sie von Franz Skarbina (1849–1910) Anregungen in der progressiven Malweise der Bewegung der „Sezessionisten“, die sie sich in München zu eigen machte. Tiefenräumliche Landschaftsbilder mit wechselnder Beleuchtung und farblicher Stimmung, welche die Bewegtheit im Augenblick abbildet, so zeigt sich die Endphase ihres Malerschaffens. Ihre Werke wurden mehrfach Ende der 1890er Jahre auf Ausstellungen gezeigt, unter anderem 1890 im Künstlerhaus in Wien, 1898 im Münchner Kunstverein, ebenso in Braunschweig und Berlin. Ein Teil ihrer Werke befindet sich im Städtischen Museum Braunschweig, das Stadtarchiv Braunschweig besitzt mehrere Zeichnungen.“8).
Margarethe Raabe war seit 1931 Ehrenmitglied der Raabe-Gesellschaft und erhielt im selben Jahr die Raabeplakette der Stadt Braunschweig.“ 9)

Nach der starken Beschädigung des elterlichen Hauses durch Bomben im Jahr 1944 zog Margarethe Raabe zu ihrer Schwester nach Wolfenbüttel, wo sie 1947 im Alter von 83 Jahren starb.