Jensenknick
Fuhlsbüttel (1931): Wilhelm Hermann Jensen (15.2.1837 Heiligenhafen – 24.11.1911 Thalkirchen bei München), Schriftsteller
Siehe auch: Wilhelm-Raabe-Weg
Siehe auch: Theodor-Storm-Straße
Siehe auch. Klaus-Groth-Straße
Wilhelm Hermann Jensens Mutter war die Dienstmagd Doris Bahr aus Heiligenhafen. Sie war 29 Jahre alt, als sie das Kind gebar. Der Vater war der Kieler Bürgermeister Schwen Hans Jensen und 42 Jahre alt, als er Vater wurde.
Als Wilhelm Hermann Jensen drei Jahre alt war, adoptierte ihn die kinderlose und damals 40 Jahre alte verheiratete Pauline Moldenhawer (1800-1876).
„Gefördert wurde Wilhelm Jensen in dieser Phase durch einen Vormund, der offenbar die Hinterlassenschaft des Vaters verwaltete. Der Vater starb 1855 als Landvogt von Sylt, die Mutter sechs Jahre später. Zu beiden Eltern scheint Wilhelm Jensen zeit ihres Lebens keinen engen Kontakt gehabt zu haben.“1)
Jensen, der die Gelehrtenschule in Kiel und das Katharineum in Lübeck besucht hatte, studierte zuerst Medizin, später Philologie und promovierte über die Nibelungen. Nach dem Studium arbeitete Jensen als freier Schriftsteller in München.
„Durch die Auseinandersetzungen um den preußisch-österreichischen Krieg von 1866 wurde J. u. a. mit Wilhelm Raabe [siehe: Wilhelm-Raabe-Weg] bekannt und begann sich politisch zu engagieren. Er übernahm 1866 in Stuttgart die Leitung der ‚Schwäbischen Volkszeitung‘, eines Kampfblattes der Deutschen Partei in Schwaben. 1869 ging er nach Flensburg, um als Herausgeber der ‚Norddeutschen Zeitung“ die preußisch-deutschen Interessen zu unterstützen. Dort begann sein Verkehr mit Th. Storm [siehe: Theodor-Storm-Straße], mit dem er, ebenso wie mit Raabe, fast sein ganzes Leben lang freundschaftlich verbunden blieb.
Die Tätigkeit als Journalist und politischer Schriftsteller gab J. 1872 auf und zog nach Kiel. Hier machte er die Bekanntschaft von Klaus Groth [siehe: Klaus-Groth-Straße]. Mehrere Gedichtbände, Novellen und der Roman ‚Nirwana‘ entstanden in dieser Zeit. Wegen seiner schwachen Gesundheit verließ J. Kiel 1876, um nach Freiburg i. Br. zu ziehen. Dort lebte er elf Jahre, bis er 1888 nach München übersiedelte“ 2), schreibt Clifford Albrecht Bernd in seiner Biografie über Wilhelm Jensen, der seit 1865 mit der Malerin Marie Brühl (8.9.1845 Würzburg – 18.12.1921) verheiratet war, mit der er sechs Kinder hatte, von denen zwei im Kindesalter verstarben.
Marie Brühl war die Tochter von Maria Theresia Brühl, geborene Mayer und des Schriftstellers Johann August Brühl. „Sie porträtierte bekannte Persönlichkeiten der Zeit, so den Illustrator Emil Lugo [mit dem Wilhelm Jensen befreundet war], mit Vorliebe aber ihren Mann Wilhelm Jensen. Für einen Bildband über den Schwarzwald steuerte sie einige Illustrationen bei.“ 3)
Die Umzüge in die verschiedenen Städte, die Wilhelm Jensen vornahm, bewältigte er nicht allein; jedes Mal zog seine Familie mit.
Jensen, der mit seiner Schriftstellerei die Familie ernähren musste, schrieb sehr viele Bücher – ca. 160 Bände: Romane und Novellen. In Wikipedia wird Jensens Hauptmotiv für seine Romane genannt und erläutert: „Ein zentrales Motiv seines (…) Werkes ist die Schilderung der Beziehung eines Mannes zu einer Frau, die eineinhalb bis zwei Jahre jünger ist als er. Die beiden zeigen zunächst häufig geradezu Abneigung gegeneinander, die sich dann im Laufe der Zeit löst und in Liebe umschlägt. Bisweilen endet die Geschichte mit dem Tod der Frau und/oder des Mannes oder mit der dauernden Trennung der beiden. Als Datum dieses Ereignisses wird wiederholt der 2. Mai angegeben – das Todesdatum der als Jensens Jugendfreundin identifizierten Clara Louise Adolphine Witthöfft (* 16. November 1838; † 2. Mai 1857). Verschiedentlich hat der Dichter selbst geäußert, dass der frühe Tod der Jugendfreundin ihn sein ganzes Leben hindurch begleitet und sein Schaffen geprägt hat. Wilhelm Jensen scheint ein Melancholiker gewesen zu sein, der zwar ein sehr lebendiges Dasein mit verbindlichen, engen Freundschaften und einem ausgeprägten Familiensinn führte, sich jedoch auch häufig, in sich selbst versunken, dem Treiben seiner Erinnerungen, inneren Bilder und Gedanken überließ, was dann in seine Romane, Novellen und Gedichte einfloss. (…)
Sein Lebensthema hat Jensen wohl am gekonntesten in der Novelle Gradiva gestaltet. (…). Jensen entwickelt in seinem typischen (selbst)ironischen Stil ein Szenario, das einen etwas weltfremden Archäologen in den Ruinen von Pompeji auf den vermeintlichen Geist einer beim Vesuv-Ausbruch verstorbenen jungen Römerin griechischer Herkunft stoßen lässt. Die in Wirklichkeit höchst lebendige junge Dame erkennt bald, dass sie es mit einem etwas verworrenen Gegenüber zu tun hat, und bringt ihn mit schelmischem Geschick wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Dabei entpuppt sie sich als die alte Jugendfreundin des jungen Gelehrten.
Sigmund Freud versuchte anhand dieser Novelle eine erste größere psychoanalytische Literaturinterpretation (…). Er bescheinigt dem Dichter darin, verschiedene Träume präzise dargestellt zu haben. In seinem Deutungsversuch glaubt Freud, aus der Novelle die Verliebtheit des Dichters in eine mit einem Spitzfuß körperlich behinderte Schwester herauslesen zu können.“ 4)