Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Wisserweg

Iserbrook (1947): Wilhelm Wisser (27.8.1843 Klenzau bei Eutin – 13.10.1935 Oldenburg in Oldenburg), Lehrer, sammelte holsteinische Märchen.


In der NS-Zeit wurde die Straße 1936 in Frontkämpferweg benannt, vermutlich Frontkämpfer des Ersten Weltkriegs. Motivgruppe: Namen aus dem Ersten Weltkrieg. (vgl.: Staatsarchiv Hamburg 133-1 II, 26819/38 Geschäftsakten betr. Straßennamen B. Die große Umbenennung hamb. Straßen 1938-1946. Ergebnisse der Umbenennung in amtlichen Listen der alten und neuen Straßennamen vom Dez. 1938 und Dez. 1946) und (vgl.: Staatsarchiv Hamburg, Registratur Staatsarchiv AZ. 1521-1/5 Band 3-5: Straßennamen (neue Kartei), alphabetisch geordnet mit Hinweisen).

Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus wurde die Straße 1947 umbenannt in Wisserweg.
Die Umbenennung - wie auch andere Umbenennungen - erfolgte auf Anweisung der britischen Militärregierung, denn „vor dem Hintergrund der veränderten politischen Landschaft gerieten die sogenannten ‚militärischen‘ Namen erstmals ins Blickfeld. Die Umbenennung dieser Namensgruppe wurde durch eine ausdrückliche Anweisung der Militärregierung veranlaßt und stellte die zweite Welle von politisch motivierten Umbenennungen der Nachkriegszeit dar. Im Jahre 1946 gab es nach einer Aufstellung des Bauamtes 145 Straßen, die nach ‚Militärpersonen, militärischen Ereignissen und militärischen Einrichtungen‘ benannt worden waren. Etwa 18 davon waren in der Zeit zwischen 1933 bis 1945 entstanden. (…). Der Senat erörterte dieses Thema in seiner Sitzung am 22. Januar 1946. Man betrachtete lediglich 37 Namen als nicht akzeptabel, darunter 28 Namen von Generälen und Admirälen und einigen militärischen Einrichtungen aus der Zeit des Ersten Weltkrieges. Sie wurden im Laufe der nächsten zwei Jahre umbenannt.“ (Siehe auch unter Kriegerdankweg und Paul-Bäumer-Brücke). (Bericht über Umbenennungen von Straßennamen in Hamburg seit 1918, März 1987, Staatsarchiv Hamburg, S. 16.)

Wilhelm Wisser war der Sohn von Margarethe Christine Wisser, geborene Sach, die eine kleine Hökerei betrieb und des Schuhmachermeisters und Eigenkätners Jürgen Wilhelm Wisser. Wisser „wuchs ab seinem zweiten Lebensjahr bei seiner Großmutter in Braak auf.“ 1)

Nach dem Abitur studierte Wilhelm Wisser zwischen 1862 und 1867 Alte Sprachen und Germanistik. Dann wurde er Hauslehrer und promovierte 1869; ein Jahr später, 1870, machte er sein Staatsexamen und bekam eine Anstellung als Lehrer in Eutin. 1872 heiratete er Friederike Dorothea Ohrt (22.1.1850-4.4.1873). Sie starb vier ½ Wochen nach der Geburt ihres ersten Kindes.2)

Als der Vater eines Kleinkindes 1877 Gymnasiallehrer in Jever wurde, heiratete er Anna Florkowski (1859–1950). Das Paar bekam fünf Kinder.

1887 zog er mit seiner Familie zurück nach Eutin, wo er bis 1902 wieder als Lehrer arbeitete. „Diese Eutiner Zeit wurde für Wilhelm Wissers Werk als Märchenprofessor wohl die entscheidendste. (…) Er begann zu sammeln, aber zuerst erfolglos, bis ihn der Eutiner Pastor Aye 1898 auf die alte Frau Stina Schloer im Dorfe Griebel hinwies. Allein von ihr hörte Wisser 45 Geschichten in ihrem urwüchsigen Charakter und in unverfälschter Sprache.

Im Alter von 55 Jahren begann er mit dieser Aufgabe, die nun seine Lebensaufgabe wurde und die ihn im wahrsten Sinne des Wortes zum „Märchenprofessor“ machte und zum niederdeutschen Literaten. Zwischen 1898 und 1909 befragte er zwischen Fehmarn und Lübeck zielbewusst etwa 230 Männer und Frauen, vorwiegend alte Menschen und ländliche Kätner, die noch alte Geschichten wussten. Als er 1902 als oldenburgischer Beamter aus dem heimatlichen Fürstentum Lübeck in die Residenz an das Gymnasium in Oldenburg i.O. versetzt wurde, nutzte er die Sommer- und Herbstferien in Ostholstein.“ 3)

Wisser war bis 1908 als Lehrer am Gymnasium in Oldenburg tätig.

1921 wurde er Mitbegründer des „Ollnborger Krings“; erhielt 1926 den John-Brinckman-Preis der Universität Rostock und wurde 1933 ins Goldene Buch Oldenburgs eingetragen.

Über Wissers Rolle in der Zeit des Nationalsozialismus heißt es in der „Untersuchung der Straßennamen der Stadt Oldenburg“: „Der Lehrer und Mundartforscher Wilhelm Wisser (1843–1935), der vor allem aufgrund seiner umfassenden Tätigkeit als Sammler plattdeutscher Gedichte und Märchen einige Berühmtheit erlangen konnte, durfte sich während der Jahre 1933 bis 1935 höchster öffentlicher Wertschätzung –auf nationaler, vor allem aber auf regionaler Ebene – erfreuen. Hinsichtlich Wissers persönlicher Haltung zur politischen Entwicklung innerhalb Deutschlands seit 1932/1933 haben die bisherigen Recherchen jedoch zu keinem Ergebnis geführt. Bemerkenswert ist hier lediglich der Hinweis Kai Sievers, der offenlegte, dass Wissers Hauptwerk ‚Auf der Märchensuche. Die Entstehung meiner Märchensammlung‘ 1926 in der völkischen, von Wilhelm Stapel herausgegebenen Reihe ‚Unser Volkstum. Eine Sammlung von Schriften zum Verständnis deutscher Volkheit‘ erschien. (…)Als Wisser im August 1933 seinen 90. Geburtstag feierte, wurden ihm verschiedene printmediale Ehrungen zuteil: Neben entsprechenden Artikeln in der gleichgeschalteten Lokalpresse Oldenburgs und weiterer Regionen Norddeutschlands würdigten auch überregionale Blätter wie die ‚Berliner Illustrierte Zeitung‘ das Lebenswerk Wissers. Außerdem veröffentlichte etwa die Zeitschrift ‚Niedersachsen. Monatsschrift für Kultur-und Heimatpflege‘ ein Sonderheft, das nicht nur einige Stücke aus Wissers Sammlung enthielt, sondern ebenfalls einen ehrenden Artikel aus der Feder Alma Rogges. Zahlreiche Institutionen und Politiker reihten sich ebenfalls in die Reihe der Gratulanten ein –so etwa der Landesverein Oldenburg für Heimatkunde und Heimatschutz, der Niedersächsische Ausschuss für Heimatschutz, die Gesellschaft Reichsbahndirektion Oldenburg, der Ollnborger Kring, der Gauleiter Weser-Ems Carl Röver sowie der oldenburgische Ministerpräsident Georg Joel, der Wisser wie folgt huldigte: ‚Auch das Staatsministerium dankt Ihnen für diesen wertvollen Schatz, den Sie dem deutschen Volke geschenkt haben, und wünscht und hofft, daß er immer mehr zum Volksgut werde und vor allem noch der Jugend als ein Quell echten Volkstums erschlossen wird.‘ Höchster Ausdruck der öffentlichen Anerkennung innerhalb Oldenburgs war jedoch die durch führende Vertreter der Stadt an Wisser herangetragene Bitte, sich in deren Goldenes Buch einzutragen. Angesichts dieser Vielzahl an Gratulationen und Ehrungen resümierten die ‚Nachrichten für Stadt und Land‘ zwei Wochen später: ‚Schon 14 Tage sind seit dem 90. Geburtstage des Märchenprofessors vergangen und noch immer häuft sich Brief auf Brief und Zeitung auf Zeitung. Dankesworte enthalten alle. Aus fast jeder Gegend Deutschlands kommen sie und legen Zeugnis ab von der großen Wertschätzung, die Wilh. Wisser als Wissenschaftler und Märchenerzähler genießt.‘ Nachdem der Ollnborger Kring 1934 ein Stück Wissers aufgeführt und aus Anlass seines 92. Geburtstages im August 1935 Wisser eine erneute Welle verschiedenster Ehrungen –beispielsweise eine Sonderausgabe der ‚Heimathefte für die Schulen zwischen Weser und Ems‘ sowie Glückwünsche des Gauamtsleiters Weser-Ems1041– erreicht hatte, löste auch dessen Tod im Herbst 1935 ein langanhaltendes Medienecho aus. So veröffentlichten etwa die ‚Nachrichten für Stadt und Land‘, der ‚Oldenburgische Hauskalender‘ sowie ‚Der Erzieher zwischen Weser und Ems‘ zwischen Herbst 1935 und Frühjahr 1938 ehrende Nachrufe. Auch das lokale Presseorgan der NSDAP, die ‚Oldenburgische Staatszeitung‘, nahm Anteil: ‚Die gesamte niederdeutsche Heimatbewegung, und ganz besonders der ‚Ollnborger Kring‘ verlieren mit Professor Dr. Wisser nicht nur den Bahnbrecher und Förderer im Kampf um die Erhaltung des niederdeutschen Volkstums, sondern in noch härterem Maße ist der Verlust des hochgeschätzten Mannes für die heranwachsende Jugend zu werten, denen Professor Wissers Werke, neben den von ihr geliebten Märchengestalten ein erstes Verstehen für den heimatlichen Boden und die ihm entströmende Kraft gaben.‘ 1943 erreichte die öffentliche Verehrung Wissers schließlich ihren Höhepunkt, als Oberbürgermeister Heinrich Rabeling anlässlich dessen 100. Geburtstages eine am ehemaligen Wohnhaus Wissers angebrachte Gedenktafel enthüllte. (…) Zuvor hatte Hermann Lübbing Wisser in einem rühmenden Artikel innerhalb des ‚Oldenburgischen Hauskalenders‘ zudem mit folgenden Worten gehuldigt: ‘Solange plattdeutsche Art lebt und die plattdeutsche Sprache klingt, wird man Wissers Märchen lesen und erzählen, und er wird geehrt werden als einer der besten Vertreter nordischen Volkstums.‘“ 4)