Wurmsweg
Hamm (1938): Christian Friedrich Wurm (3.4.1803 Blaubeuren/Württemberg – 2.2.1859 Reinbek bei Hamburg), Historiker, politischer Autor, Prof. am Akademischen Gymnasium, Mitglied der Nationalversammlung in Frankfurt.
Vor der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten hieß die Straße Veitsweg, benannt 1926 nach dem Maler Philipp Veit (1793-1877), Sohn des Bankiers Simon Veit und der ältesten Tochter Moses Mendelssohns, Brendel. Die Nationalsozialisten benannten den Weg 1938 um in Wurmsweg, weil der 1810 vom Judentum zum Katholizismus konvertierte Veit nach der rassistischen NS-Ideologie als Jude galt. Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus erfolgte keine Rückbenennung. Auch wurde in keinem anderen Hamburger Stadtteil eine Straße nach Veit benannt.
Im September 2020 berief die Behörde für Kultur und Medien eine Kommission aus acht Expertinnen und Experten, die Entscheidungskriterien für den Umgang mit NS-belasteten Straßennamen in Hamburg entwickeln und Empfehlungen zu möglichen Umbenennungen aussprechen sollte. Dabei nahm die Kommission auch Straßenbe- und umbenennungen in den Blick, die zwischen 1933 und 1945 vorgenommen wurden. Dies betrifft insbesondere Straßen, die seinerzeit umbenannt wurden, weil ihre Namensgeber Juden waren oder nach der rassistischen NS-Ideologie als Juden galten, oder die aus politischen oder anderen Gründen verfolgt wurden und deren Namen aus dem Straßenbild entfernt werden sollten. Die Kommission empfahl im März 2022 für den Wurmsweg: „Der Wurmsweg entstand 1938 durch die Umbenennung des ehemaligen Veitswegs, der nach dem Maler Philipp Veit (1793-1877) benannt war. Die Umbenennung wurde vorgenommen, weil der 1810 vom Judentum zum Katholizismus konvertierte Veit nach der rassistischen NS-Ideologie als Jude galt. Er erhielt nach 1945 keine neue Straßenbenennung. Die Kommission empfiehlt deshalb die Wiederbenennung einer Straße nach Philipp Veit. Da in der Person von Christian Friedrich Wurm keine Gesichtspunkte gegeben sind, die gegen eine Widmung sprechen, er vielmehr als Mitglied der Nationalversammlung in Frankfurt 1848 weiterhin geehrt werden sollte, kann auf eine Umbenennung des Wurmsweg verzichtet werden.“ 1)
Im Hamburg Lexikon heißt es über Wurm, dessen Mutter verstarb, als er 11 Jahre alt war, u. a.: „Der aus einer Gelehrtenfamilie stammende Historiker und Publizist ließ sich nach dem Studium der Theologie und Philosophie und zeitweiligem Aufenthalt in England 1827 in Hamburg nieder. (…) 1833 wurde er zum Professor der Geschichte am Akademischen Gymnasium berufen.“ 2) Dieses Amt führte er bis zu seinem Tode aus.
Ein Jahr bevor er dieses Amt übernommen hatte, hatte Wurm 1832 Hermine Speckter geheiratet. Sie entstammte der Malerfamilie Speckter (siehe: Otto-Speckter-Straße).
Neben seiner Berufstätigkeit war Wurm auch ehrenamtlich aktiv, indem er von 1838 bis 1840 und 1847/48 den Vorsitz der Patriotischen Gesellschaft übernahm.
Wurm betätigte sich auch auf politischem Gebiet. Wurm „war überzeugter Liberaler und Vorkämpfer für die nationale Einheit, von seinem Einsatz für Reformen der Hamburgischen Verfassung bis hin zum Auftreten in der Frankfurter Nationalversammlung, in die er als Abgeordneter des württembergischen Wahlbezirks Waiblingen-Eßlingen-Schorndorf entsandt wurde.“ 3)
Doch in seinem Wahlkreis hatte Wurm auch Kritiker, die seine gemäßigte Haltung nicht für gut befanden. „Im Parlament war er Gegner einer neuen Phase der Revolution und plädierte für einen starken Nationalstaat. Dabei stand er auf einem kleindeutschen Standpunkt. Österreich sollte nicht mehr dem zu schaffenden Reich angehören, sondern diesem nur noch durch eine Allianz verbunden sein. Er wählte Friedrich Wilhelm IV. zum deutschen Kaiser mit. Daneben gehörte er auch dem deutschen Verein für Handelsfreiheit an. Nach dem Scheitern der Frankfurter Versammlung setzte er zeitweise auf die preußischen Unionspolitik und nahm 1849 am Gothaer Nachparlament teil. (…). Nach 1850 konzentrierte er sich vornehmlich auf seine berufliche Tätigkeit in Hamburg, war als Autor tätig und hielt auch während der Reaktionszeit politische Vorträge.“ 4)
Am 12. Januar 1852 starb Wurms Ehefrau Hermine. „Im Jahr 1854 verfasste er eine Denkschrift für den britischen Premierminister Russel über die Behandlung der neutralen Schifffahrt durch Großbritannien im Krimkrieg. Wurm gehörte seit 1855 dem Gelehrtenausschuß des germanischen Nationalmuseums in Nürnberg an.“ 5)
1857 heiratete Wurm Cathinka Kühl, verwitwete Fabricius. Ein Jahr später,1858, wurde Wurm als „Sachverständiger wegen des Zolls bei Stade vor das britische Parlament geladen. Seine Hoffnung auf Verkehrsfreiheit erfüllte sich nicht.“ 6)
Der Historiker Götz Aly fand antisemitische Angriffe bei Wurm gegenüber dem jüdischen Schriftsteller Ludwig Börne. So schreibt Götz Aly in seinem Artikel „Der Neid trieb die Deutschen zum Judenhass“ über Wurm: „Christian Friedrich Wurm, jener schwäbische Kritiker, der [Ludwig] Börne [siehe: Börnestraße] 1831 als ‚Auswürfling‘ geschmäht, ihm und anderen Juden ‚physisch empfindliche‘ Maßnahmen angedroht hatte, wurde 1848 Abgeordneter der Deutschen Nationalversammlung in der Paulskirche – kein Hinterbänkler, sondern einer der Sprecher des gemäßigten Zentrums.“ 7)