Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Charlotte-Mügge-Weg

Jenfeld, seit 2014, benannt nach Charlotte Mügge (15.2.1912 Hamburg - 1993 Köln), Widerstandskämpferin gegen den Nationalsozialismus, wurde 1942 verhaftet wegen Beihilfe zur Fahnenflucht und Unterstützung von Deserteuren, war von Januar bis November 1943 an verschiedenen Stellen inhaftiert, Mutter von sieben Kindern; verzog 1978 nach Köln und starb dort 1993


Im Zusammenhang mit der Erinnerung an Deserteure als Opfer der NS-Militärjustiz wird seit 2014 mit dem Charlotte-Mügge-Weg auch eine Frau geehrt, die 1942 wegen Beihilfe zur Fahnenflucht und Unterstützung von Deserteuren verhaftet worden war. (Siehe auch zu hingerichteten Deserteuren der NS-Militärjustiz: Erich-Hippel-Weg, Kurt-Elvers-Weg, Kurt-Oldenburg-Straße)

Charlotte Mügge „wuchs in Armut bei ihrer Großmutter auf. Mit zwanzig Jahren bekam sie ihr erstes Kind., In ihrer ersten Ehe kamen fünf weitere hinzu. Charlotte Mügge lehnte Nationalsozialismus, Aufrüstung und Krieg ab. Ihr erster Ehemann saß wegen Desertion in der Festung Torgau, dem zentralen Gefängnis der Wehrmacht.“ 1)

Am 24. August 1942 wurde Charlotte Mügge, nachdem sie denunziert worden war, von der Gestapo verhaftet. Sie hatte „dem Mann ihrer Freundin, der nicht mehr Soldat sein wollte, [angeboten] sich einige Tage bei ihr zu verbergen. Einer anderen Bekannten half sie, deren 18jährigen Sohn zu schützen, der aus den Reihen der Wehrmacht geflohen war. Abwechselnd versteckte dieser sich bei seiner Mutter, bei Charlotte Mügge und einer weiteren Bekannten“. 1)

Zum Zeitpunkt ihrer Verhaftung war Charlotte Mügge verlobt und hochschwanger. Ihre sechs Kinder waren damals im Alter von zehn Monaten bis zu zehn Jahren.

Weil sie ihre sechs Kinder zu versorgen hatte, wurde Charlotte Mügge während des Ermittlungsverfahrens auf freien Fuß gesetzt. Eine Woche nach ihrer Verhaftung kam es am 31. August 1942 zur Anklage wegen Verstoßes gegen § 5, Abs. 3 KSSVO. Die Staatsanwaltschaft beantragte ein Schnellverfahren, d. h. ohne Rechtsvertretung, da die Angeklagte schon früher Deserteuren geholfen hatte, sich zu verstecken. Charlotte Mügge erhielt noch nicht einmal einen Pflichtverteidiger. Am 19. September 1942 kam es zum Hauptverfahren. Die Staatsanwaltschaft forderte zehn Monate Gefängnis. Das Urteil lautete: acht Monate Gefängnis. Die daraufhin erfolgten Gnadengesuche wurden abgelehnt.

Am 7. Januar 1943 trat Charlotte Mügge ihre Haft im Frauengefängnis Hamburg-Fuhlsbüttel an. Ihr Verlobter trennte sich von ihr, und ihre sechs Kinder wurden während der Haftzeit ihrer Mutter in einem Waisenhaus untergebracht.

Charlotte Mügges Wunsch, ihr Kind zu Hause zu gebären und ihre anderen Kinder aus dem Waisenhaus zu holen, wurde nicht stattgegeben. Weil das Jugendamt die Kinder nicht freigeben wollte, wurde das Gnadengesuch zur Strafunterbrechung nicht befürwortet. Auch weitere Gnadengesuche, gestellt von den Eltern und Großeltern Charlotte Mügges, wurden abgelehnt. Am 23. Juni 1943 gebar Charlotte Mügge in der Frauenklinik Finkenau ihr siebtes Kind. Es wurde in ein Heim gebracht, wo es bald verstarb.

Gut zwei Wochen nach der Entbindung, am 9. Juli 1943, wurde Charlotte Mügge ins Frauengefängnis zurückverlegt.

Nach den Bombenangriffen im Juni und August 1943 auf Hamburg, bei denen das Frauengefängnis Fuhlsbüttel zerstört worden war, wurde Charlotte Mügge am 1. August 1943 in das Frauenzuchthaus Lübeck-Lauerhof und von dort am 31. August in das Frauenstrafgefängnis Wittlich verlegt. In Wittlich blieb sie nur zwei Tage und wurde am 2. September 1943 in das Straf- und Arbeitslager Flußbach bei Köln transportiert. Hier hatte sie unter erschwerten Haftbedingungen zu leiden, musste schwere Arbeit verrichten und bekam nur wenig zu essen. Am 6. November 1943 wurde Charlotte Mügge entlassen. „Alle ihre persönlichen Sachen und Besitztümer waren nicht mehr ‚auffindbar‘. Sie erhielt fortan keinerlei staatliche Unterstützung und musste in bitterer Armut leben.

Mit der Befreiung im Mai 1945 hoffte sie auf ein würdiges Leben für sich und ihre Kinder. Zunächst wurde sie als Verfolgte des Nationalsozialismus vom ‚Komitee für politische Gefangene‘ als politisch Verfolgte anerkannt.

Nach Verabschiedung des Bundesentschädigungsgesetzes wurde ihr dieser Status aber staatlicherseits genommen. In einem Brief des Bundeskanzleramtes hieß es 1956: ‚Nach dem Bundesentschädigungsgesetz sind Sie nur zu entschädigen, wenn Sie wegen ihrer politisch-weltanschaulichen Überzeugung durch NS-Gewaltmaßnahmen verfolgt worden sind. Viel spricht in Anbetracht ihrer Verurteilung ‚wegen Zersetzung der Wehrmacht und Beihilfe zur Fahnenflucht‘ dafür, dass in Ihrem Fall die Voraussetzungen für eine Wiedergutmachungsleistung … nicht vorliegen.‘
Ihre Anerkennung als NS-Verfolgte wurde ihr entzogen. Sie bekam keine Entschädigung.“ 1)