Martin-Haller-Ring
Winterhude (1945): Martin Haller (1.12.1835 Hamburg -25.10.1925 Hamburg), Architekt, Rathausbaumeister.
Siehe auch: Hallerstraße
Siehe auch: Hallerplatz
Siehe auch: Geißlertwiete
Der Martin-Haller-Ring wurde bereits 1929 benannt. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurde er allerdings 1938 wegen Hallers jüdischer Herkunft umbenannt in Hans-Schemm-Platz. Hans Schemm (1891 Bayreuth – 1935 ebenda) war NSDAP-Gauleiter der Bayerischen Ostmark und Bayerischer Kultusminister sowie Reichswalter des Nationalsozialistischen Lehrerbundes. Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus 1945 erfolgte die Rückbenennung in Martin-Haller-Ring.
Martin Haller war der Sohn des Juristen und Ersten Bürgermeisters von Hamburg, Nicolaus Ferdinand Haller und dessen Ehefrau Phillipine Adele, geborene Oppenheimer. (Siehe zum Vater und der Mutter unter: Hallerstraße.)
In der Neuen Deutschen Biographie heißt es über Martin Hallers Werdegang: „H. besuchte bis 1855 das Hamburger Gymnasium ‚Johanneum‘. Schon 1854 beteiligte er sich an dem ersten Architekten-Wettbewerb für den Neubau des 1842 abgebrannten Hamburger Rathauses, wobei er in die engere Wahl kam. Lehre und Architekturstudium führten ihn nach Potsdam an das Hofbauamt, nach Berlin an die Bauakademie und zu dem Architekten F. A. Stüler, aber auch nach Frankreich und England. In Paris arbeitete er bei dem Erbauer der Großen Oper, Ch. Garnier. In diesen Jahren festigte sich seine Vorliebe für die italienische Hochrenaissance, die seinen eigenen Stil weitgehend bestimmen sollte.“ 1)
Und er – wie so viele Männer – „legte sich“ eine Grisette zu. Sie hieß Clara Lehalle, kam aus Köln und „lebt mit einer alten Frau und den zwei Kindern einer verstorbenen Freundin zusammen, singt im deutschen Chor und verdient den Lebensunterhalt für die Gemeinschaft durch Heimarbeit., die Anfertigung von Herrenmützen“, 2) so Karin von Behr in ihrer Biografie über Martin Haller. Doch damit scheint Clara nicht genügend Geld verdient zu haben, denn Martin Haller steuerte von seinem Lohn etwas zum Hausstand dazu und „fühlt sich als Gönner“ 3) „Ich war nun im glücklichen Besitz einer niedlichen Grisette … Meine Anspruchslosigkeit und ihre angeborene Sparsamkeit ermöglichten es, unsern kleinen Hausstand mit Hülfe meines Wechsels ohne erhebliche Schuldenlast zu erhalten.“ 4) Doch schon bald begab sich Haller auf Studienreisen und kehrte zurück nach Hamburg, wo neue berufliche Aufgaben auf ihn warteten. Zuvor, so Karin von Behr: „verabschiedet [er] sich schriftlich mit einem Geldgeschenk von Clara und hinterlässt ihr eine dringend benötigte Nähmaschine.“ 5)
Nach seiner Rückkehr nach Hamburg im Jahre 1861 wurde er im Laufe der Jahre ein angesehener Architekt. „10 Jahre war er Vorsitzender seines Berufsverbandes, 14 Jahre gehörte er der Hamburger Bürgerschaft als Abgeordneter an. Diese Positionen ermöglichten ihm die Verwirklichung des Berufszieles seiner Jugend, für Hamburg das immer noch fehlende Rathaus zu bauen. Nachdem auch der zweite Wettbewerb erfolglos geblieben war, gewann H. acht angesehene Hamburger Architekten für eine Arbeitsgemeinschaft unter seiner Leitung, die dem Senat Weihnachten 1880 einen völlig neuen Entwurf schenkte. Nach jahrelangen Verhandlungen konnte der Bau 1886 begonnen und 1897 übergeben werden (Innenausstattung 1909 vollendet). Den Entwurf hatte H. gestalterisch im Sinne norddeutscher Renaissance maßgebend beeinflußt; die Leitung des Bauvorhabens lag bis zuletzt bei ihm.“ 6) heißt es in der Neuen Deutschen Biographie.
Martin Haller wurde einer der Rathausbaumeister, die das Hamburger Rathaus erbauen ließen. Dort wollte er z. B. auch ein Standesamt errichten lassen. Es war damals „um die räumlichen Verhältnisse der Hamburger Standesämter schlecht bestellt.“ 7) Auf besonderen Wunsch und gegen eine Zahlung für die Armenkasse sollte man hier heiraten können. Doch Hallers Idee wurde von der Rathausbaukommission abgelehnt. Sie erlaubte nur den Bau einer Brautpforte im Innenhof des Rathauses auf der Senatsseite sowie eine hinter der Pforte im Innern des Rathauses sich befindende Brautdiele mit Brauttreppe und Brauttür.
In der Zeit, als Haller den Vertrag mit der Freien und Hansestadt, vertreten durch die Rathausbaukommission, zum Bau des Hamburger Rathauses hatte, war er zeitgleich auch Abgeordneter der Fraktion der Rechten der Hamburgischen Bürgerschaft. Dies blieb er bis 1900.
Nachdem der Bau des Rathauses abgeschlossen war, notierte Martin Haller, dessen Vaters Büste im Bürgermeistersaal des Hamburger Rathauses steht, selbstbewusst: ‚Ich will hier freimütig äußern, dass diese Hafenstadt ohne meine an Opfern reiche Hingebung schwerlich so rasch und verhältnismäßig so einwandfrei in den Besitz eines neuen Rathauses gelangt wäre.“ 8)
Neben dem Hamburger Rathaus war Haller der Architekt vieler Villen sowie Bank- und Kontorhäuser.
Der Kunsthistoriker Hermann Hipp schreibt: „Als Hallers wohl wichtigster Beitrag zur Architektur in Hamburg ist der Dovenhof zu nennen (1885/86, Ecke Dovenfleet/Brandtstwiete, 1967 abgerissen). Englische und amerikanische Vorbilder aufnehmend, erfand Martin Haller damit den modernen Typus des Mietbürohauses, der in Hamburg künftig als Kontorhaus (…) kultiviert wurde. Zentrale Erschließungen und Versorgungseinrichtungen, den Bedürfnissen der Mieter anpassbare Räume und moderne Haustechnik kennzeichnen diesen Gebäudetypus. Insbesondere die zuvor nur in Industrieanlagen eingesetzten Paternoster-Aufzüge, die Haller mit dem Dovenfleet in die Alltagsarchitektur einführte, kennzeichneten Jahrzehntelang die großen Geschäftshäuser Hamburgs. (…).“ 9)

Hermann Hipp äußert zu den Bankgebäuden, die Martin Haller erbauen ließ: „Auch als Spezialist für große repräsentative Bankgebäude profilierte sich Haller. Besonders bei ihnen verbürgten die Palastformen der Fassaden Solidität und Reichtum, so bei der Deutschen Bank (1883/88, Alter Wall 37, mehrfach erweitert) und zuletzt dem Bankhaus Warburg (1912/13, Ferdinandstraße 75). (…).“ 10)
Warum Martin Haller „so gut im Geschäft war“, dazu erklärt Hermann Hipp: „Hallers vielfältige verwandtschaftliche, berufliche und kulturelle Beziehungen sicherten ihm einen steten Zufluss an ansehnlichen Aufträgen. Soziales Geschick und zielbewusster Takt in diesem Milieu sind die Grundlage für seine Entwürfe, die nicht mehr und nicht weniger ausprägen als die räumliche Organisation bürgerlichen Lebens in aller dem jeweiligen Auftraggeber gemäßen Raffinesse.“ 11)
„Kurz vor dem 1. Weltkrieg übergab er sein Büro seinem langjährigen Teilhaber Hermann Geißler [Geißlertwiete].“ 12)
Eine seiner Freizeitbeschäftigungen war der Besuch des Wiezel-Clubs. Karin von Behr schreibt darüber: „Er geht aus einer verpatzten Hochzeit von Freunden in ‚Wiezel’s Hotel‘ in der Bernhard-Nocht-Straße 76 hervor, erbaut von Auguste de Meuron [siehe: Meuronstieg]. Der Club entwickelt sich zu einer reinen Männerrunde von etwa zehn Juristen und Medizinern, die durch eine Architektenriege aus Martins Umgebung erweitert und bereichert wird. (…) Wer heiratet oder Nachwuchs bekommt, ist verpflichtet, eine Runde Champagner zu spendieren. (…) Bei den Treffen nimmt man zusammen eine ‚caprizöse aber einfache Mahlzeit‘ ein, spielt mit Karten oder Kegeln und amüsiert sich mit Sekt und Plaudereien. ‚Freundschaft, Gleichaltrigkeit, gemeinsame Erinnerungen und Interessen, der neutrale Begegnungsort und vielleicht auch der Ausschluß der Weiblichkeit gaben diesem Club eine … ungewöhnliche Dauer‘. 53 Jahre lang, bis Martin Haller alleine übrig bleibt (…).“ 13)
Verheiratet war Martin Haller seit 1865 mit der „aus gutem Hause“ stammende Antonie Schramm (20.4.1846 Hamburg-1.10.1925 Hamburg). Er hatte die elf Jahre Jüngere am Gartenzaun ihres elterlichen Hauses kennengelernt – wie sie dort oft stand und die vorbeigehenden Passanten, so auch Martin Haller, musterte. Mit ihr hatte er vier Kinder (geboren: 1866, 1869, 1871 und 1881). Die Familie lebte lange Jahre in der Welckerstraße 9, ab 1891 an der Alsterterrasse 2 (abgerissen 2003), wo Haller mit seiner Gattin regelmäßig Musikabende abhielt.
Karin von Behr berichtet darüber, dass über Antonie Schramm kaum etwas bekannt ist. „In den 1100 Seiten der handgeschriebenen Erinnerungen ihres Mannes nimmt dessen enge Bindung an den Vater eine stärkere Rolle ein als die Beziehung zu seiner Frau. Nicolaus Haller [siehe Hallerstraße] wird mit all seinen Stärken und Schwächen, (…) ausführlich beschrieben. Und während die Bauherren mit Humor und psychologischer Kenntnis analysiert und ausführlich kommentiert werden, bleibt Toni Haller im Spiegel ihres Mannes eher in der formalen Rolle der Repräsentationsgefährtin. Bei ihr zählen vor allem zwei Züge: schöne Stimme und Musikalität.“ 14)
Wenige Wochen nachdem Antonie Haller gestorben war, verstarb auch Martin Haller.