Eckenerstraße
Tonndorf (vor 1938): Dr. Hugo Eckener (10.8.1868 Flensburg – 14.8.1954 Friedrichshafen), Mitarbeiter von Graf Zeppelin, Pilot von Luftschiffen
Siehe auch: Zeppelinstraße
Die Mitbenennung dieser Straße nach der ebenso bedeutenden Tochter wurde von Seiten der Hamburger Kulturbehörde abgelehnt. Siehe dazu weiter unten.

Die Eckenerstraße wurde in der NS-Zeit benannt. Umstritten ist Eckeners Verhältnis zum Nationalsozialismus. In der Neuen Deutschen Biographie steht über Eckeners politisches Handeln: „Als es zu Anfang 1932 eine Zeitlang ungewiß war, ob Hindenburg wieder als Reichspräsident kandidieren würde, sagte E. auf Sondierung aus dem Preußischen Innenministerium einer etwaigen Gegenkandidatur gegen Hitler bedingt zu; Brüning freilich erhob Einwendungen gegen E.s ‚unpolitische‘ Person. Durch den Beschluß Hindenburgs, sich doch wieder aufstellen zu lassen, und seine Wiederwahl (April 1932) entfiel die Chance, die der deutschen Politik jener Zeit im Zeichen einer Reichspräsidentenschaft E.s gegenüber Hitler etwa geboten gewesen wäre. E. hat dann, gefährdet genug, auch im ‚Dritten Reich‘ charakterlich voll bestanden. Er blieb auch von dem Willen und der Überzeugung getragen, mit den völkerverbindenden Fahrten des Zeppelinluftschiffes, symbolhaft und praktisch zugleich, dem Frieden in der Welt zu dienen.“ 1)
In Wikipedia steht zu Eckeners Beziehung zum Nationalsozialismus: „Gemäß seinen Angaben im Fragebogen zur Entnazifizierung war er völlig unpolitisch und gehörte weder der NSDAP noch irgendeiner Nebenorganisation an und hatte auch seit 1932 an keinen politischen Wahlen teilgenommen. Dem Umstand, dass er 1939 zum Wehrwirtschaftsführer ernannt wurde, maß er keine Bedeutung bei.“ 2)
Auf der Website des Berliner Eckenergymnasiums steht zu seinem Namensgeber: „Wie viele andere passt Eckener seine politische Haltung jedoch nach 1933 dem nationalsozialistischen System an. Sein internationales Ansehen und seine spektakulären Fahrten werden von den Nazis zu Propagandazwecken vereinnahmt.“ 3) Und auf der Website der Eckener-Schule Flensburg (Regionales Berufsbildungszentrum) heißt es zu Eckeners Verhältnis zum Nationalsozialismus: „Da er die Politik der Nationalsozialisten nicht unterstützte, musste er Anfang 1936 die Leitung der Zeppelinwerke an den Luftschiffkapitän Ernst A. Lehmann abgeben.“ 4)
Auch der Beirat zur Überpüfung Düsseldorfer Straßen- und Platzbenennungen hatte sich 2018/2019 mit der in Düsseldorf benannten Eckenerstraße befasst und kam hinsichtlich Eckeners Einstellung zum Nationalsozialismus zu folgendem Ergebnis: „Hugo Eckener zählt zu den bedeutenden Protagonisten der Luftfahrtgeschichte; die von ihm entwickelten Zeppeline gehörten zu den ‚spektakulärsten technischen und fliegerischen Errungenschaften ihrer Zeit‘ (Botting, S. 12) und schufen die Grundlagen des interkontinentalen Luftverkehrs. Im Dritten Reich stellte sich der Unternehmer öffentlich gegen die Nationalsozialisten, die ihn unter Druck setzten und in seiner Arbeit einschränkten. Als Anhänger des parlamentarischen Systems der Weimarer Republik und Repräsentant der politischen Mitte hatte Hugo Eckener die Propaganda der NSDAP zu Beginn der 1930er Jahre scharf kritisiert und sich für die Politik von Reichskanzler Heinrich Brüning ausgesprochen; im Vorfeld der Reichstagswahlen 1933 war der Unternehmer gar als potentieller Gegenkandidat zu Adolf Hitler gehandelt worden. Obwohl er sich auch nach der ‚Machtergreifung‘ abfällig über die NS-Führung äußerte und seine Abneigung offen zeigte, gehörte Eckener im Dritten Reich nur bedingt zu den verfolgten Personenkreisen. Während ihn anfangs noch die persönliche Verbindung zu Reichspräsident Paul von Hindenburg geschützt hatte, bewahrten ihn später sein internationales Ansehen und seine zahlreichen Auslandsaufenthalte vor der Verhaftung. Da das NS-Regime mit dem Entzug der staatlichen Mittel für den Luftschiffbau drohte, verfasste Eckener 1934 eine Rundfunkansprache, in der er widerwillig die Wahl Hitlers zum Reichskanzler empfahl. Darüber hinaus erkannten die Nationalsozialisten den propagandistischen Nutzen der Zeppeline und ließen diese mit entsprechender Symbolik ausstatten. Mit der Gründung der ‚Deutschen Zeppelin-Reederei‘ (DZR) unter dem Vorsitz von Hermann Göring verlor Hugo Eckener 1935 seinen Einfluss auf das aktive Geschäft und wurde als Aufsichtsratsvorsitzender ‚formal kaltgestellt‘. (Braun, S. 632) Nachdem er den Missbrauch seiner Luftschiffe in Anwesenheit von Vertretern des Propagandaministeriums angeprangert hatte, wurde sein Name 1936 aus der medialen Berichterstattung verbannt; ferner rieten kulturpolitische Stellen davon ab, Eckener für Vortragstätigkeiten im Ausland einzusetzen: ‚Er hat als Redner sehr enttäuscht, weil er sich von allen deutschen und besonders nationalsozialistischen Belangen distanziert hat [...].‘ Ungeachtet seiner politischen Gegnerschaft wurde Hugo Eckener 1938 für eine Fachpublikation von der Mitgliedschaft in der ‚Reichsschrifttumskammer‘ befreit und erhielt ein Jahr später den Titel eines ‚Wehrwirtschaftsführers‘; anlässlich seines 75. Geburtstags wurde ihm 1943 der Professorentitel verliehen. Nach der Explosion des Zeppelins ‚Hindenburg‘ im Jahr 1937 und dem Verbot der Wasserstoffbetankung kam die zivile Verkehrsluftschifffahrt weitestgehend zum Erliegen. Angesichts der aggressiven deutschen Außenpolitik hatten die Vereinigten Staaten bereits zugesagte Heliumexporte eingestellt, sodass die Luftschiffe nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs außer Dienst gestellt und schließlich abgewrackt wurden. In seinem späteren Entnazifizierungsverfahren wurde Hugo Eckener zunächst als ‚belastet‘ eingestuft und mit einer Geldstrafe sowie der fünfjährigen Aberkennung seiner bürgerlichen Rechte belegt, bevor die Militärregierung das Urteil nach öffentlichen Protesten 1949 aufhob.“ 5)
Die Kommission, die sich in Saarbrücken mit der dortigen Eckenerstraße auseinandersetzte, kam zu folgendem Ergebnis was Eckeners Einstellung und Beteiligung am NS-Regime anbelangte: „Würdigung in einem Satz: Luftfahrtpionier und trotz Wehrwirtschaftsführeramt eine Persönlichkeit mit Distanz zum Nationalsozialismus.
Darstellung: Nach dem Abitur studierte Eckener Psychologie, Philosophie, Geschichte und Volkswirtschaft und arbeitete zunächst als freier Schriftsteller und Journalist unter anderem für die Frankfurter Zeitung. Aus einer Begegnung mit Graf Zeppelin entwickelte sich eine Zusammenarbeit, die ihn ab Ende der 1890er Jahre nach Friedrichshafen führte und Eckener wurde Prokurist der Deutschen Luftschifffahrt AG.
Eckener trug zur technischen Weiterentwicklung des Zeppelins bei und verbesserte dessen Lenkbarkeit. Im Ersten Weltkrieg leitete er den Bau von 88 Luftschiffen, nach Zeppelins Tod wurde er zur zentralen Figur des Luftschiffbaus. Eckener war maßgeblich an der Wiederbelebung des Zeppelin-Projektes beteiligt, der Atlantiküberquerung 1924 (Reparationsleistung Luftschiff ZR III) und der Weltfahrt 1929 sowie dem Aufbau des ersten regelmäßigen Luftschiffverkehrs über die Ozeane. Eckener gewann weltweite Anerkennung. Eckener zeigte sich gegenüber dem Nationalsozialismus distanziert und ablehnend: 1932 verweigerte er die Durchführung einer NS-Propagandaveranstaltung in den Zeppelinwerken, 1932 folgte er dem Wunsch der SPD und dem Zentrum gegen Hitler als Reichspräsident zu kandidieren, verzichtete aber, als Hindenburg seine Kandidatur erklärte. Zeppelin gilt als Verfechter der Weimarer Demokratie und als Mann der Völkerverständigung. Aufgrund seines hohen Ansehens und seiner Popularität sollen die NS-Partei- und Staatsorgane von einer Inhaftierung Abstand genommen haben, Pläne dazu gab es wohl. Zeppelin war auch nicht bereit, sich für NS-Propagandazwecke instrumentalisieren zu lassen. Gleichwohl ist eine detaillierte Analyse notwendig, um seine Rolle im Dritten Reich nachzuvollziehen, (…).
Dem ab 1930 erstarkenden Nationalsozialismus stand Eckener ablehnend gegenüber und verteidigte in einer Rundfunkrede die Politik von Reichskanzler Brüning. 1932 noch weigerte er sich, die Zeppelinwerke einer NS-Propagandaveranstaltung zu öffnen und erklärte sich auf sozialdemokratischen Wunsch bereit, für den Fall, dass Paul von Hindenburg (1847–1934) auf die Kandidatur für eine weitere Amtszeit verzichten werde, als Kandidat gegen Hitler anzutreten. Da auch die Zentrumspartei dafür eintrat, schien dank Eckeners Popularität Erfolg nicht ausgeschlossen. (…)
1933 bestanden Pläne, auch Eckener wie viele Regimegegner in Schutzhaft zu nehmen. Das scheiterte am Widerstand Hindenburgs. Auch später wurde ein Vorgehen gegen Eckener wiederholt erwogen, so 1937, als er sich einer von Joseph Goebbels (1897–1945) angeordneten NS-Propagandafahrt mit dem Zeppelin widersetzte. Wegen seiner hohen Popularität schien eine Inhaftierung Eckeners undenkbar. Der lange Arm des NS-Regimes aber vermochte, Umstrukturierungen im Zeppelinkonzern zu erzwingen, die den Einfluss Eckeners zurückdrängten, bis die Katastrophe von Lakehurst im Herbst 1937 den willkommenen Anlass bot, die zivile Luftschifffahrt zu verbieten. Die beiden letzten Luftschiffe LZ 127 und LZ 130 wurden im Herbst 1940 abgewrackt.
Mit Beginn des II. Weltkrieges wurde das Werk in Friedrichshafen auf Kriegswirtschaft umgestellt und produzierte Radarantennen sowie Teile für die V2-Raketen, was letztlich zur wiederholten Bombardierung der Stadt als Rüstungsstandort führte. So verlor Eckener 1944 seine Wohnung, und mit der Zerstörung der Zeppelinwerke schien auch sein Lebenswerk unterzugehen.
Damals war er zu seiner Tochter nach Konstanz übergesiedelt, wo er 1945 neben Johannes Weyl zu einem der Gründer und Mitherausgeber des ‚Südkurier‘ wurde. In zahlreichen Grundsatzartikeln sprach sich Eckener für Nachsicht und Milde gegenüber den vielen kleinen NS-Parteigenossen aus. An die Stelle von Hass und Rachsucht solle Verständnis und Miteinander in der Bevölkerung treten, die mehrheitlich unbelastet sei.
Diese Haltung erregte wie im Falle Weyl massiven Widerstand der weit links stehenden Konstanzer ‚Antifa‘, die schließlich bei der französischen Besatzungsmacht den Entzug der Herausgeberlizenz für Eckener, Weyl und ihre Mitstreiter durchsetzen konnte. Gleichwohl blieb Eckener auch nach dem II. Weltkrieg eine allseits geachtete Persönlichkeit, was u. a. 1947 durch seine Einladung in die Vereinigten Staaten deutlich wurde. Hier traf er auf zahlreiche alte Freunde und konnte mit Vertretern des Goodyear-Konzerns Pläne für eine Fortsetzung der zivilen Luftschifffahrt erörtern. Umso überraschender war es dann, dass Eckener sich nach seiner Rückkehr aus den Vereinigten Staaten einem Entnazifizierungsverfahren stellen musste: Obwohl er nicht Mitglied der NSDAP gewesen war, aber ehemaliger ‚Wehrwirtschaftsführer‘, wurde Eckener zu einer Geldstrafe von 100.000 Reichsmark verurteilt. Für fünf Jahre sollten ihm die bürgerlichen Ehrenrechte entzogen werden. Schließlich aber wurde das Verfahren eingestellt und Eckener vollständig entlastet, nachdem zahlreiche Repräsentanten des öffentlichen Lebens, darunter Reinhold Maier und Theodor Heuss [siehe: Theodor-Heuss-Platz], bezeugt hatten, ‚dass Eckener ein von den Nationalsozialisten Geächteter war.‘(Gollbeck-Eckener, 2001, S. 420)
Gleichwohl wurde Eckener besonders von Vertretern der politischen Linken in den 1950er-Jahren weiter kritisiert, da während des II. Weltkrieges bei den Zeppelinwerken KZ-Häftlinge als Zwangsarbeiter eingesetzt waren. Dieser Kritik steht aber das Schreiben von Emil Kreger entgegen, einem Mitarbeiter der Betreuungsstelle für politisch, rassisch und religiös Verfolgte in Limburg/Lahn. Zum 80. Geburtstag Eckeners schrieb er: ‚1943, als wir Dachauer KZ-Häftlinge in die Friedrichshafener Werke verpflichtet wurden, waren Sie es, der gute Dr. Eckener, der uns arme Menschen vor einem schrecklichen Hungertod bewahrte.‘ (zit. bei Meighörner, 2004, S. 60).
In den 1950er-Jahren hat sich Eckener wiederholt politisch engagiert und ein überparteiliches Bündnis unterstützt, das von der CDU bis zur KPD reichen und das politische Ziel verfolgen sollte, die dänenfreundliche Mehrheit im Flensburger Rathaus abzulösen. In einer vielbeachteten Rede im dortigen ‚Deutschen Haus‘ betonte Eckener die Zugehörigkeit seiner Heimatstadt zur Bundesrepublik und warnte noch einmal vor Intoleranz und Engstirnigkeit im Grenzland.
Bis zu seinem Tod blieb Eckener der engagierte kritische Kommentator der bundesdeutschen Politik, der beispielsweise die von Bundeskanzler Konrad Adenauer (1876–1967) betriebene Westbindung kritisierte, weil er befürchtete, dass deswegen die Wiedervereinigung in weite Ferne rücke. Ein Jahr vor seinem Tod, 1952, zeichnete ihn Theodor Heuss mit dem Bundesverdienstkreuz aus und bei seinem 85. Geburtstag wurde Eckener durch einen Fackelzug geehrt.“ 6)
Hugo Eckener war der Sohn von Anna Maria Elisabeth Eckener, deren Vater ein Schuhmachermeister gewesen war. Sein Vater war Johann Christoph Eckener, der in Flensburg eine Zigarrenfabrik besaß. Hugo Eckeners Vater starb 1880, als Hugo Eckener 12 Jahre alt war. Anna Maria Elisabeth Eckener übernahm mit den Brüdern ihres verstorbenen Mannes die Firma und versorgte daneben ihre fünf Kinder und finanzierte später das Studium von Hugo und dessen Bruder Alexander.
Hugo Eckener studierte Psychologie, Philosophie, Geschichte und Volkswirtschaft und promovierte 1892 mit der Dissertation über „die Schwankungen der Auffassung minimaler Sinnesreize“.
Verheiratet war Hugo Eckener seit 1897 mit Johanna Maaß (1871-1956). Sie entstammte der Verleger-Familie Maaß, die die nationalliberalen „Flensburger Nachrichten“ herausgaben. Hugo Eckener und Johanna Maaß hatten sich über Johannes Bruder kennengelernt, der ein Freund von Hugo Eckener war.
Als Hugo Eckener und Johanna Maaß heirateten, hatte Eckener im schwiegerelterlichen Zeitungsbetrieb eine journalistische Tätigkeit übernommen. Gleich nach der Hochzeit und den Flitterwochen zog das Paar nach Hamburg, wo es bis 1899 lebte und dann nach Friedrichshafen umsiedelte. Dort lernte Eckener Ferdinand Adolf Heinrich August Graf von Zeppelin (Zeppelinstraße) kennen.
Hugo und Johanna Eckener bekamen drei Kinder, darunter Lotte, verheiratete Simon, eine künstlerische Photographin und Verlegerin.
Über die Ehe der Eckeners schreibt Siegmund Kopitzki: „Selbst am Tag der ‚Goldenen Hochzeit‘ war Eckener unterwegs. Der Weltumsegler ‚kompensierte‘ seine ständige Abwesenheit mit Briefen. Die Briefe gingen, wie auch Lotte anmerkte, an die Frau. Auf diese Weise war Johanna über sein Tun informiert. ‚Go‘ [Spitzname von Johanna Eckener] war (…) die ‚Hüterin des Hauses‘. Sie beschwerte sich nicht über ihren Status. Sie bewunderte den ‚Magellan der Lüfte‘ (…). Als Eckener an einem ‚Sunday Morning‘ im Oktober 1924 von seinem triumphalen Empfang in New York berichtete, antworte seine Frau: ‚Ich komme mir immer ganz verwunschen und traumbefangen vor – wie das Gänseliesel, das plötzlich die Frau des Königs ist‘ und lobte ihren Mann dafür, dass er ‚keine Anlage zum Größenwahn hat‘“. 7)
Johanna Eckener war der ruhende Pol der Familie, zu ihm kehrte der Ehemann immer wieder zurück in der Gewissheit, dass dieser Pol immer noch da war und auf ihn wartete. Siegmund Kopitzki schreibt dazu: „Hugo Eckener war das Dilemma, in dem Frauen im 19. Jahrhundert steckten, bewusst. Im Brief aus Davos an die Verlobte schrieb er: ‚So hängt die Ausschließung des weiblichen Geschlechts von allen höheren allgemeineren Fragen lediglich davon ab, dass alle Erwerbsmöglichkeiten eine Domäne der Männer sind, welchen man auch in Sachen, die eine würdigere Behandlung verdienten, das letzte Wort lässt.‘ Dennoch hatte er in der Ehe mit Johanna das letzte Wort. Sie war die Hüterin, ja, aber er war der Herr des Hauses.“8)
Nach dem Tod ihres Mannes 1954 zog Johanna Eckener nach Konstanz, wo ihre Tochter Lotte mit ihrem Mann lebte. Lotte Eckener übernahm die Pflege ihrer Mutter, nachdem diese zwei Schlaganfälle erlitten hatte. Sie starb 1956.
Lotte Eckener
Nach dem Besuch der Volksschule und der Mädchenoberschule, die sie mit einem Mittleren Abschluss verließ, absolvierte Lotte Eckener (8.2.1906 Friedrichshafen-24.2.1995 Konstanz) von 1924 bis 1926 in München eine Ausbildung an der Bayerischen Staatslehranstalt für Lichtbildwesen.
Damit hatte sie einen Berufsweg gewählt, der Frauen – so Bernd Stiegler – „erst seit dem Ende des 19. Jahrhunderts offenstand, aber gerade in der Zeit der Weimarer Republik Erfolg und Anerkennung versprach. Eine Ausbildung in einer der Sparten des fotografischen Fachs war seit 1890 in der Photographischen Lehranstalt (der sogenannten Lette-Schule), bereits ein knappes Jahrzehnt früher in der Photographischen Lehranstalt für Frauen in Breslau und eben – und dies seit 1905 – in der Lehr- und Versuchsanstalt für Photographie in München möglich.“ 9)
Nach Abschluss dieser Ausbildung arbeitete Lotte Eckener ab 1926 bei dem bedeutenden Berliner Fotografen Alexander Binder. Dort stieg sie bis zur Substitutin auf und portraitierte in dieser Zeit zahlreiche „Größen“ der zwanziger- Jahre, so z. B. Josef von Sternberg und Carl Zuckmayer. Letzterer war es auch, der Lotte Eckener „ermunterte, ihr erstes Buch zu veröffentlichen: ‚Lotte Eckener. Die Welt der Bäume. 30 Photographien. Mit Gedichten von Walter Bauer‘ (Bruno Cassirer
Verlag 1933). Noch vor der Buchveröffentlichung kehrte sie Berlin den Rücken.“ 10)
Das war 1930. Lotte Eckener, so Dorothea Cremer, zog es vor: „selbstbestimmt unter eigenem Namen zu arbeiten, frei zu sein und andere Länder zu erkunden. (…) Über das Elternhaus war sie finanziell abgesichert und konnte ihre Ziele und Interessen in Ruhe verfolgen, was sie aber auch zu einer pflichttreuen Tochter machte. (…) die neuen Reisen führten sie mit dem Vater nach New York, (…).“ 11). „Hier entstanden fotografische Kompositionen, aus denen eine zeittypische Begeisterung für die ‚Neue Welt‘ spricht. In der Stadt feierte ihr Vater, der ‚Magellan der Lüfte‘, seine größten Triumphe - New York bereitete dem Atlantik-Überquerer mit dem Zeppelin LZ 126 bereits 1924 den ersten Konfettiregen. Auch Lotte Eckener war von den Luftschiffen begeistert. Ihre Aufnahmen gelten als Dokumente und ästhetische Leitbilder des technischen Zeitalters. 1932 ging Lotte Eckener nach Rom zum Studium und widmete sich mit der Kamera der antiken Architektur. Danach begleitete sie ihren Vater auf Reisen nach Java, Bali und Kairo. 1936 erfolgte ihre Heirat mit dem Zahnarzt Paul Simon (aus Konstanz). Sie wurde wieder am See (in Konstanz) sesshaft und nahm den Namen ihres Mannes an. Bildnisse und Skulpturen von Madonnen gehörten fortan zu ihren favorisierten Sujets.“12) Lotte Simon-Eckener blieb kinderlos.
„Angespornt von dem Herzenswunsch, weiterhin Fotografien in Büchern zu veröffentlichen, aber auch einer grundlegenden Passion für schöne Bücher folgend, gründete sie – scheinbar aus der ‚la meng‘ – mit ihrer Freundin, der Grafikerin Marlis Schoeller, [1949] (…) den Schoeller Verlag mit Sitz in Kattenhorn. Ein mutiger Schritt, der ihr bei der Publikation ihrer Bilder mehr Freiheit einräumte, jedoch zu Lasten ihrer fotografischen Arbeit ging.“ 13) Dorothea Cremer-Schacht kommt dabei zu folgendem Resümee: „Nicht allein, dass sich durch die fehlende Zeit die Quantität des Oeuvres beschränkte, wichtiger war, dass es ihr den Weg verstellte, mit ihren Fotografien über andere, renommiertere Reisebild- oder Kunstverlage bekannt zu werden. Sie konkurrierte ja mit ihrem eigenen Verlag um die Interessenten. Mag ihre verlegerische Tätigkeit der fotografischen Entwicklung auch im Wege gestanden haben, so waren Eckeners fotografisches Gespür und ihre Sachkenntnis bei der Auswahl der Fotografen und Werke für die Verlagspublikationen über Apulien, Venetien, Provence und anderer südeuropäischer Landstriche sehr hilfreich.“ 14)
1954 starb Marlis Schoeller. „Der Verlag verblieb in der Hand von Lotte Simon-Eckener, die ihn mit der bisherigen Verlagsmitarbeiterin Martha Koch unter Simon + Koch weiterführte.“ 15)
„Zahlreiche Foto- und Kunstbildbände sowie Landschafts- und Kunstpostkarten gehörten zum Verlagsprogramm. (…) Lotte Eckener entwickelte am See ein vielschichtiges Netzwerk. Der Maler Otto Dix war ein Freund – er porträtierte ihren Vater –, Hermann Hesse widmete ihr sogar ein Gedicht.“ 16) Simon + Koch war der erste, allein von Frauen geführte Verlag, der auf der Frankfurter Buchmesse damals auftrat.
„Das Verlagsprogramm – weiterhin Kunstbücher und Kunstpostkarten – war bis zuletzt von männlichen Künstlern dominiert. Darin unterschied sich der Verlag nicht von anderen Nachkriegsgründungen. Eine der wenigen verlegten Künstlerinnen war Ida Kerkovius. Die 1970 verstorbene Malerin zählte zum Stuttgarter Kreis der Avantgardisten und zu den bedeutenden weiblichen Vertretern der Klassischen Moderne in Deutschland.“ 17)
Über die Bedeutung des Verlages äußern Dorothea Cremer-Schacht und Siegmund Kopitzki: „Dass Simon + Koch zu den etablierten Verlagen gehörte und wie hoch Konstanz als Verlagsstandort eingeschätzt wurde, zeigte die Verleger- und Buchhändlertagung vom 28. Mai 1960. Der ‚Südkurier‘ widmete der Tagung zwei Sonderseiten. Eine Seite füllte der Esaay von Walter Manggold, auf der anderen hießen die ‚Konstanzer Sortimenter und Verlage ihre Kolleginnen und Kollegen anlässlich der Hauptversammlung des Verbandes der Verleger und Buchhändler in Baden-Württemberg e. V. in Konstanz herzlich willkommen. Simon + Koch war in der Liste der 16 ansässigen Verlage ebenso zu finden, wie im Beitrag von Manggold.“ 18)
Lotte Eckeners Ehemann, Paul Simon, soll, so Siegmund Kopitzki, „nicht immer froh“ darüber gewesen sein, dass seine Ehefrau aktiv erwerbstätig war. „Er hätte sie wohl lieber um sich gehabt. Aber er tolerierte ihre Arbeit. Zumal auch er von den persönlichen Kontakten mit Autoren und Künstlern wie Dix, Hesse, Purrmann, Schneider-Manzell oder Zuckmayer, die die Verlagsarbeit mit sich brachte, profitieren konnte.“ 19)
1967 schied Lotte Eckener aus der Verlagsarbeit aus. 2021 wurde ihr eine Ausstellung im Hesse Museum Gaierhofen gewidmet. Lotte Eckener war eine bekannte Fotografin und erfolgreiche Verlegerin in den 1950er und 1960er Jahren.
Dass heute über Lotte Eckener so wenig bekannt ist und sie deshalb als weniger bedeutend als ihr Vater angesehen wird, hat seine Gründe. Dazu heißt es im Vorwort zum Buch über Lotte Eckener: „Am Nachruhm ihres Vaters hatte die Tochter als Co-Autorin verschiedener Publikationen mitgewirkt und nahm nach seinem Tod 1954 bei repräsentativen Terminen eine Stellvertreterrolle ein. Ihr eigenes künstlerisches und verlegerisches Schaffen geriet dabei in den Hintergrund. Sie sorgte sich zwar um den Nachlass des Vaters, das eigene Archiv verlor sie aus den Augen. Uneitel wie sie war, sah sie sich nicht als ‚Nachrufpersönlichkeit‘. (…) Nur einige persönliche und geschäftliche Korrespondenz, Manuskripte, Schriftstücke, Flyer von Verlagsprogrammen, Rezensionen der Bücher und Berichte über Auftritte der Frauen bei der Frankfurter Buchmesse konnten gesichert werden. Der gesamte Nachlass, der den Herausgebern von ‚Lotte Eckener – Tochter, Fotografin und Verlegerin‘ zur Verfügung stand, füllt vier Leitz-Ordner und zwei Umzugskisten. (…).“ 20)
Die Hamburger Kulturbehörde befürwortete den 2020 erfolgten Vorschlag der Straßenmitbenennung nach Lotte Eckener nicht, weil der Vorschlag „nicht in den Personenkreis fällt, nach denen gemäß den Bestimmungen über die Benennung von Verkehrsflächen vom 28.02.2005 Verkehrsflächen zu benennen sind.“ Es kam von der Kulturbehörde der Hinweis: „Denkbar wäre hingegen, dass die Petentin einen entsprechenden Benennungsvorschlag in Konstanz einreicht.“ (Mail der Geschäftsstelle der Bezirksversammlung Hamburg-Wandsbek vom 25.6.2020 an Dr. Rita Bake). Leider gab die Kulturbehörde nicht an, auf welche Bestimmung über die Benennung von Verkehrsflächen sie abzielt. Falls gemeint sein sollte: "Benennungen sollen zur Pflege des Heimatgefühls und des staatsbürgerlichen Bewusstseins beitragen", deshalb sind "bei Benennungsvorschlägen zunächst Ereignisse und Persönlichkeiten der Orts- und Stadtgeschichte (...) zu berücksichtigen", sei dazu angemerkt: auch bei den Straßenmitbenennungen in den Jahren 2001, 2017, 2019 und 2020 handelte es sich in diversen Fällen nicht um Persönlichkeiten der Orts- und Stadtgeschichte, zumal vielfach der Straßennamensgeber auch keine Persönlichkeit der Orts- und Stadtgeschichte ist.
Die Intention solch einer Mitbenennung einer nach dem Nachnamen eines bedeutenden Mannes benannten Straße nun auch nach dessen ebenso bedeutenden weiblichen Verwandten mit demselben Nachnamen, zielt darauf ab, dass die Bedeutung von Frauenleistung ebenso gesehen werden sollte wie die von Männern. Warum sollte also eine Frau, die damals zu den wenigen Verlegerinnen Deutschlands gehörte, weniger bedeutend sein, als ein Mann, der als Luftschiffpionier Luftschiffe steuerte? Solch eine Mitbenennung einer Straße würde dem Artikel 3 Abs. 2 des Grundgesetzes entsprechen und damit zur "Pflege des staatsbürgerlichen Bewusstseins" in Punkte Gleichberechtigung von Frau und Mann beitragen.