Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Theodor-Heuss-Platz

Rotherbaum (1965): Theodor Heuss (31.1.1884 Brackenheim -12.12.1963 Stuttgart), Bundespräsident.


Siehe auch: Elly-Heuss-Knapp-Ring
Siehe auch: Anna-von-Gierke-Ring
Siehe auch: Friedrich-Naumann-Straße

Vor 1965 hieß dieser Platz Loignyplatz, benannt 1903 nach der Schlacht bei Loigny im deutsch-französischen Krieg von 1870. „An der Schlacht von L. war das Infanterie-Regiment Hamburg (2. Hanseatisches Nr. 76) beteiligt. Die heimgekehrten Soldaten wurden nach dem feierlichen Empfang auf dem Rathausmarkt am 17.6.1871 an diesem Platz versammelt und entlassen.“ (Staatsarchiv Hamburg, Registratur Staatsarchiv AZ. 1521-1/5 Band 3-5: Straßennamen (neue Kartei), alphabetisch geordnet mit Hinweisen). Zwei Jahre nach dem Tod von Theodor Heuss wurde der Platz 1965 umbenannt in Theodor-Heuss-Platz. Länger, nämlich 39 Jahre nach dem Tod von Elly Heuss-Knapp, dauerte es, bis auch nach seiner Ehefrau, eine Straße benannt wurde (siehe unter: Elly-Heuss-Knapp-Ring)

„Papa Heuss“ nannte die Bevölkerung liebevoll ihren Bundespräsidenten. In Jürgen Königs Beitrag „Symbiose von Geist und Macht“ über Theodor Heuss heißt es u. a.: „Mit seinem ‚orphischen Bass‘, (…), der schwäbischen Klangfärbung, gut aussehend und mit einem ‚Bürgerbauch unter der Weste‘ wurde Theodor Heuss schnell populär. Allem Zeremoniellen abgeneigt: der ‚Papa Heuss‘, der selbstironisch Trinksprüche fallen ließ wie: Von München, Kiel bis Neuss, ... keine Feier ohne Heuss!“. 1)

Theodor Heuss war der Sohn von Elisabeth Aug. Friederike Heuss, geb. Gümbel, Tochter eines Oberförsters und des Regierungsbaumeisters im Straßenbau Ludwig Heuss.

Eberhard Pikart beschreibt in der Neuen Deutschen Biographie Heuss‘ Lebensweg u. a. wie folgt: „Schon in der Schulzeit begeisterte er sich für die politischen und sozialen Gedanken F. Naumanns [siehe: Friedrich-Naumann-Straße]; seinen ersten Artikel schrieb er für dessen Wochenzeitschrift ‚Die Hilfe‘. Diese jugendliche Begeisterung wurde bald zur aufrichtigen Verehrung, auch Nachahmung, zum Beispiel im Stil der Rede, und später zu einer festen Freundschaft. Auf das Abitur folgten Reisen, die H. unter anderem nach Hannover führten, wo er Naumann persönlich kennenlernte. Nach einigem Schwanken, ob in Tübingen studiert werden solle, entschied sich H. für München (1902–03). Zunächst blieb unsicher, welche Richtung das Studium nehmen würde, nationalökonomisch-politische Fächer interessierten ihn ebenso stark wie kunsthistorisch-literarische. Die künstlerisch-literarischen Neigungen wurden äußerlich durch ein leicht bohèmehaftes Auftreten unterstrichen und führten zu einer schnellen, beinahe spielerischen Aneignung des literarischen, historischen und kulturellen Bildungsgutes der Zeit; auch übte sich in frühen Gedichten, Romanversuchen und ausgedehnten Korrespondenzen die Feder des späteren Publizisten. 1903-05 studierte H. in Berlin, kehrte jedoch nach München zurück, um bei Lujo Brentano, dessen ‚Verbindung von entschiedener Sozialpolitik und liberaler Weltanschauung‘ (Heuss) ihn aufs stärkste beeinflußt und in der Wahl des endgültigen Studienfaches bestimmt hatte, zu promovieren (1905, Dissertation: Der Weinbau und der Weingärtnerstand in Heilbronn).“ 2)

Jürgen König lässt in seinem Beitrag über Heuss den Journalisten Peter Merseburger sprechen, der eine Biografie über Theodor Heuss verfasst hat. Peter Merseburger äußert über Heuss: „‘„Er war ein Mann der Moderne um die Jahrhundertwende und ist es eigentlich immer geblieben, er hat Liebermann gemocht, er hat die Berliner Sezession in Kritiken gelobt, er war dann Geschäftsführer des Werkbunds, also für modernes Bauen – aber wenn es zu intellektuell wurde, wie bei Gropius zum Teil, da hat er dann manchmal seine Bedenken gehabt. Heuss war bei aller Modernität und bei manchem Avantgardistischen war er doch immer ein Bürger. Er blieb ein Bürger und, wenn Sie wollen, ist das seine provinzielle Verhaftung, die ihn auch so glaubwürdig macht.‘“ 3) Und Jürgen König fährt fort: „Ein echter Bürger, durch und durch zivil, ein Mann des Maßes, allen Ausschweifungen abgeneigt und mit einfachen Vorlieben ausgestattet: eine gute Brasil und zwei, auch mal drei Viertele Lemberger mussten es schon sein. Ein Bürger, der ein ‚unermüdlicher Bücherfresser‘ ist, ein Bildungsbürger, dabei alles andere als ein Biedermann: mit seiner Frau, der Sozialpolitikerin Elly Knapp [siehe: Elly-Heuss-Knapp-Ring], die aus einer Juristen- und Gelehrtenfamilie stammte, führt Heuss ‚eine moderne, aufgeklärte Intellektuellen-Ehe‘. ‚Sie hat ihr eigenes Verdienst gehabt als Lehrerin und hat auf Vortragsreisen viel Geld verdient, vor allen Dingen im Sinne der Frauenemanzipation. Und sie waren auch intellektuelle Partner. Sie war eine Art Über-Redakteurin, die alles von ihm sehr kritisch betrachtete, schon als Verlobte hat sie gesagt: ‚Du, was du da geschrieben hast, dieses Wort streich, das ist altfränkisch! Und deine Kunstkritiken sind unverständlich!‘‘“4) erzählt Peter Merseburger Jürgen König.

Theodor Heuss und Elly Knapp hatten sich im Freundeskreis von Friedrich Naumann kennengelernt. In den ersten zwei Jahren des Kennenlernens bis zur Heirat 1919 schrieben sie sich viele Briefe, denn sie sahen sich nur selten: Theodor Heuss war Redakteur der „Hilfe“ in Berlin, sie lebte in Straßburg.5)

Die Briefe wurden 1986 von Hermann Rudolf veröffentlicht. Der Rezensent des Buches schrieb u. a. dazu: „‘Eine Liebesgeschichte in Briefen‘ hat der Herausgeber das Buch genannt. Die Geschichte ist anrührend, glücklicherweise nicht immer ganz so harmonisch, wie sie Heuss einmal beschrieben hat: ‚Wir haben uns ja schon manche Wege in die versteckten Gärten unserer Seele gehen lassen und sind dabei aneinander froh geworden.‘ Die Temperamente sind verschieden; der politische Literat, dessen Entschiedenheit noch in altkluger Gelassenheit versteckt ist; die junge Frau, die keine ‚komplizierten Halbheiten‘ erträgt. Eigentlich sind die Briefe auch eine Art Entwicklungsroman, Vorbereitung auf eine Ehe, in der beide lernen, mit dem Talent des anderen umzugehen, ohne dessen Schwächen zu übersehen. So ganz leicht fällt es Heuss nicht, ‚still und stetig dranzugehen, den Rahmen einer bürgerlichen Existenz zu schaffen‘. Die Wohnungssuche ist ihm spürbar lästig, die Mahnung, in der Tapetenfarbe nur ja fest zu bleiben, macht ihm schon zu schaffen. Und Elly Knapp, die Planende, Kraftvolle, muß lernen, ihre Ungeduld zu zügeln, den Freiheiten und Eigenheiten Raum zu geben. Es ist, ohne daß sie mit großem Anspruch daherkommt, eine exemplarische Geschichte.“ 6)

Die Historikerin Maike Hausen schreibt in ihrem Beitrag „Elly Heuss-Knapp und Theodor Heuss – ein demokratisches Paar“: „Die Offenheit und Gleichberechtigung, die in dem Briefwechsel zwischen beiden mitschwingt, ist für die damalige Zeit außergewöhnlich. Ebenso außergewöhnlich ist es, dass Elly Knapp nach ihrer Hochzeit 1908 und vor allem nach der Geburt des Sohnes Ernst Ludwig 1910 weiterhin als Lehrerin, Autorin und Politikerin arbeitet und ihr eigenes Geld verdient. Theodor Heuss unterstützt seine Frau mit Korrekturarbeiten, verschafft ihr Vortragsmöglichkeiten und lässt ihr den Freiraum, neben den häuslichen Pflichten weiter beruflich aktiv zu sein. Umgekehrt unterstützt Elly Heuss-Knapp ihren Mann ebenfalls bei der Überarbeitung seiner Texte. Und sie akzeptiert später immer wieder einen Umzug, wenn sich für Theodor Heuss neue berufliche Chancen ergeben.

Durch ihre Arbeit kommt Elly Heuss-Knapp früh in Kontakt mit der Frauenbewegung. Zusammen mit der Sozialreformerin Alice Salomon arbeitet sie an einer Ausstellung zur katastrophalen Lage von Heimarbeiterinnen. Sie scheut auch nicht davor zurück, mit Industriellen und Professoren soziale Missstände zu diskutieren. 1910 veröffentlicht sie das Buch ‚Bürgerkunde und Volkswirtschaftslehre für Frauen‘, ein Leitfaden für den Unterricht. Dieser erscheint bis 1928 in acht Auflagen. Sie selbst sieht ihr vielfältiges Engagement allerdings später kritisch und schreibt 1934, ‚es wäre richtiger gewesen, ich hätte Schreibmaschine gelernt, meinem Mann geholfen und selbst an der ‚Hilfe‘ mitgearbeitet‘. (Elly Heuss-Knapp: Ausblick vom Münsterturm. Erinnerungen, Tübingen 1952, S. 85f.).“7)

Elly Heuss-Knapps Einstellung zur Frauenbewegung war ambivalent. Dazu äußert Maike Hausen: „Als Ehefrau und Mutter fremdelt sie mit der Radikalität und Non-Konformität mancher Aktivistinnen. Praktisch trägt sie die Gleichberechtigungsfrage jedoch auf vielen Feldern mit. 1919, als Frauen zum ersten Mal für ein politisches Mandat kandidieren dürfen, stellt sie sich wie ihr Mann zur Wahl. Den Einzug in die Weimarer Nationalversammlung erreichen sie beide nicht. Heuss kann erst 1924 in den Reichstag einziehen; seine Frau sogar erst 1946 in den württembergischen Landtag.“ 8)

Zwei Jahre nach der Hochzeit wurde 1910 das einzige Kind der Heuss‘ geboren: Ernst Ludwig: „Durch Komplikationen bei seiner Geburt wäre die Mutter beinahe gestorben. (…). Sein Rufname war in Jugendjahren ‚Lulu‘ – nach der Dichterin und Schriftstellerin Lulu von Strauß und Torney, einer Freundin von Theodor Heuss.“ 9)

Theodor Heuss hatte die zehn Jahre ältere Dichterin Lulu von Strauß und Torney (20.9.1873 Bückeburg – 19.6.156 Jena) 1903 während des Münchner Faschings kennengelernt. „Er, der neunzehnjährige Student der Kunstgeschichte und Staatswissenschaften, geriet an jenem ‚Boheme-Abend‘ des literarischen Vereins in ein anregendes Gespräch mit einer blonden schlanken Dame:‘ ... Lulu von Strauß und Torney, um die Dreißig, wollte Welt sehen, die einen anderen Klang und Rhythmus besäße als das kleinhöfisch gepflegte Bückeburg. (…) so begann eine jahrzehntelange Freundschaft, gefestigt durch einen reichen, lebendigen Briefwechsel und mehrere persönliche Begegnungen. Das Geheimnis dieser, schon durch den Altersunterschied ungewöhnliche Beziehung, war ein wechselseitiges Geben und Nehmen. Lulu hat, einfühlsam und vorsichtig lenkend, die ersten dichterischen Versuche ihres jungen Freundes begleitet, ihn ermutigt und beraten. (…) Im Juni 1907 schrieb Heuss der Freundin: ‚Finden Sie es arg frech gegen das Leben, Lulu, wenn man mit 24 Jahren ,Gatte' und mit 25 Jahren Vater sein will?... Die Elly kennen Sie ja, ich brauch Ihnen nicht erst von ihr zu schreiben.... Ich hoff, dass an der Freundschaft, die uns beide verbindet, später dann auch meine Frau teil hat. (…) Wie Heuss es sich gewünscht hatte, wurde Elly in die Freundschaft einbezogen, und sie versah seine Briefe an Lulu oft mit einem Nachtrag. (…).“ 10)

Zurück zu Theodor Heuss‘ Wirken von 1910 bis in die Zeit des Nationalsozialismus: Heuss arbeitete als Journalist und Publizist.

Eberhard Pikart schreibt in der Neuen Deutschen Biographie über Heuss‘ politischen Weg: „H. unterstützte nach dem 9.11.1918 Naumann bei der Gründung der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) (…). H. kandidierte 1919 vergeblich für die Verfassunggebende Nationalversammlung. 1920-24 war er in Berlin Studienleiter in der (…) Deutschen Hochschule für Politik, seine Dozentur in der Hochschule (für Zeitgeschichte, Verfassungslehre und Parteienkunde) behielt er bis 1933 bei. Gleichzeitig betätigte er sich in der Kommunalpolitik, wurde 1919 Stadtverordneter in Berlin-Schöneberg, nach der Eingemeindung Schönebergs in Groß-Berlin Bezirksverordneter, und war 1929-31 Stadtverordneter in Groß-Berlin.

Der Sprung in den Reichstag gelang erst 1924. Als Abgeordneter vertrat H. die DDP 1924-28 und die DDP/Staatspartei 1930–33.“ 11)

1932 veröffentlichte Heuss das Buch „Hitlers Weg“ eine kritische Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurde Heuss: „(…) wiederum als Abgeordneter der Staatspartei, die in einer Listenverbindung mit der SPD in den Wahlkampf ging, in den Reichstag gewählt. In parteiinternen Vorberatungen über das Ermächtigungsgesetz schlug er zusammen mit Hermann Dietrich vor, den Entwurf der Regierung abzulehnen. Dietrich und H. wurden dann in der Fraktion überstimmt, worauf sie am 24.3.1933 zusammen mit ihren anderen Fraktionskollegen Reinhold Maier, Ernst Lemmer, Heinrich Landahl [siehe: Landahlweg]) im Plenum für das Ermächtigungsgesetz stimmten. Schon im Mai 1933 wurde H. die Dozentur an der Hochschule für Politik, im Juli 1933 das Reichstagsmandat entzogen.“ 12)

„Auch Elly Heuss-Knapp kann ab 1933 aufgrund der Denunziation durch eine Schülerin nicht länger als Lehrerin arbeiten.“ 13)

Jürgen König kommt in seinem Beitrag über Heuss zu folgendem Schluss und lässt dabei auch wieder Peter Merseburger sprechen: „Mit ‚Hitlers Weg‘ veröffentlichte er 1932 ein überaus kritisches Buch über Hitler, in dem er die radikale Ächtung der Juden voraussieht. Dass er trotzdem als Reichstagsabgeordneter der liberalen ‚Deutschen Demokratische Partei‘ dem ‚Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich‘ zustimmte, jenem Freibrief für Hitler, Gesetze nach Belieben zu erlassen, hat Heuss zeitlebens als ‚Sündenfall‘ angesehen.“ 14)

Auch der Wikipedia-Beitrag über Theodor Heuss beschäftigt sich mit Heuss‘ Reaktionen auf das nationalsozialistische System. „Die Reaktionen von Heuss auf die ersten Maßnahmen der NS-Regierung waren ambivalent und zeigen auch eine Unterschätzung des totalitären Charakters des Regimes. Er kritisierte bestimmte Erscheinungsformen der nationalsozialistischen Herrschaft, nahm andere aber in Kauf oder befürwortete sie gar. So begrüßte er die Gleichschaltung der Länder als Schritt zu einem zentralen Einheitsstaat. Er gestand der Staatsführung gewisse Eingriffe in die Pressefreiheit zu, sah aber auch Grenzen im Bereich der Kultur und Wissenschaft, denen er ein Eigenleben weiterhin zugestand. (…).

In Briefen äußerte sich Heuss empört über den organisierten Boykott jüdischer Geschäfte Anfang April 1933. Auf der anderen Seite fiel er aber auch auf die nationalsozialistische Propagandalüge von ‚Greuelmeldungen‘ des ‚jüdischen Auslandes‘, vor allem aus dem ‚ostjüdisch-kommunistischen Ghetto von New York und London‘, über den Antisemitismus im Reich herein, die den Boykott erst ausgelöst hätten. Als Buchautor war er von der Bücherverbrennung 1933 in Deutschland selbst betroffen, da auch drei Werke von ihm indiziert und verbrannt wurden, (…). Doch er relativierte dieses Ereignis als eine ‚läppische Kopie‘ der Bücherverbrennung auf dem Wartburgfest der Burschenschaften 1817, das man nicht ‚zu tragisch nehmen darf‘. Weil Heuss einige der Autoren, deren Bücher mit den seinen verbrannt wurden, die politisch vor allem links standen und vor 1933 die Weimarer Republik scharf kritisiert hatten, deutlich ablehnte, ließ er sich zu antisemitischen Äußerungen hinreißen.“ 15)

Eberhard Pikart schreibt über Heuss‘ weiteren Werdegang während der NS-Zeit: „An eine Emigration dachte H. nicht, (…). H. übernahm 1933-36, nicht ohne Risiko, die Redaktion der ‚Hilfe‘, die von den Freunden Naumanns in der veränderten Situation besonders beachtet wurde. In erzwungener Zurückgezogenheit widmete er sich biographischen Studien. (…). Regelmäßig schrieb er auch für verschiedene Zeitungen, vor allem für die Frankfurter Zeitung, die ihn auch nicht fallen ließ, als Hitler den Namen H. in dieser Zeitung nicht mehr sehen wollte; er benutzte nun für seine Veröffentlichungen das Pseudonym ‚Thomas Brackheim‘. Mit Rücksicht auf die Gesundheit seiner Frau verließ H. 1943 Berlin und ging nach Heidelberg. Wahrscheinlich wurde er dadurch vor Verfolgungen nach dem 20. Juli 1944 geschützt, denn er war mit führenden Mitgliedern und Opfern des Widerstandes bekannt oder befreundet (…).“ 16)

Was tat Elly Heuss-Knapp in dieser Zeit? Maike Hausen berichtet: „Während sich ihr Mann auf das Schreiben von historisch-politischen Biografien und Zeitungsartikeln konzentriert, sorgt Elly Heuss-Knapp für den finanziellen Unterhalt der Familie. Dafür begibt sie sich auf ein für sie vollkommen neues Feld: Die Werbung. Für Marken wie Persil oder Erdal produziert sie Radio-Einspieler und Kinowerbung und setzt dabei auf neue, emotionalisierende Mittel. Ihr 'akustisches Warenzeichen', die Idee, durch dieselben Töne den Wiedererkennungswert eines Produktes zu steigern, ist ein Vorläufer des heutigen Werbejingles. Mit diesen Erwerbsfeldern kann sich das Ehepaar Heuss finanziell über die Zeit des Nationalsozialismus und des Kriegs retten (…).“ 17)

Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus plädierte Heuss zwar für eine „schonungslose Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit. (…) Die Entnazifizierung durch die Militärregierungen lehnte er aber ebenso ab wie die Nürnberger Prozesse der Alliierten gegen die Hauptkriegsverbrecher, weil er die Deutschen als die eigentlichen Opfer Hitlers betrachtete und sie deshalb Ankläger und Richter sein sollten. (…)

Auch als Bundespräsident plädierte Heuss weiterhin für eine schonungslose Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus. In einem weitverbreiteten Klima der Entlastung und Verdrängung in Politik und Bevölkerung warnte er vor Selbstgerechtigkeit, Selbstmitleid und allzu schnellem Vergessen. (…) Heuss lehnte den Vorwurf einer Kollektivschuld ab, führte aber den moralischen Begriff der Kollektivscham ein, der alle Deutsche betreffe. (…) Das Erinnern an die NS-Verbrechen galt Heuss als Grundlage für die demokratische Erneuerung und für die Aussöhnung mit den Opfern. So lag ihm die Versöhnung und die Wiedergutmachungspolitik gegenüber den Juden und dem Staat Israel am Herzen,“ 18) heißt es in Wikipedia.

Gleichzeitig „setzte er sich während seiner Amtszeit wiederholt für die Begnadigung von Kriegsverbrechern wie den ehemaligen Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Ernst von Weizsäcker, ein. Noch irritierender war seine Verwendung für den ehemaligen Einsatzgruppenleiter Martin Sandberger, der wegen der Ermordung tausender Juden, Kommunisten und Partisanen zunächst zum Tode, dann zu lebenslanger Haft verurteilt worden war,“ 19) ist in Wikipedia nachzulesen.

Über Heuss‘ Werdegang nach der Befreiung vom Nationalsozialismus berichtet Jürgen König: „Gleich nach dem Krieg wurde Theodor Heuss wieder mit journalistischen und parlamentarischen Aufgaben betreut; aus den verschiedenen liberalen Gruppen Westdeutschlands formte er die FDP. Und er wurde einer der ‚Väter‘ des Grundgesetzes. Als solcher schrieb er die Regeln für sein späteres Amt selbst fest: In Erinnerung daran, dass Reichspräsident Hindenburg einst Hitler hatte berufen können, sprach er sich vehement dafür aus, die Macht des Bundespräsidenten stark einzuschränken.“ 20)

Im August 1949 wurde Heuss zwar in den ersten Deutschen Bundestag gewählt, legte aber dies Amt nieder, als er einen Monat später im September 1949 zum Präsidenten der Bundesrepublik Deutschland gewählt wurde.

In seiner Amtszeit als Bundespräsident war es ihm u. a. wichtig, dass eine neue Nationalhymne und neue Orden, die von der NS-Zeit unbelastet waren, geschaffen wurden. Siehe dazu unter Hoffmann-von-Fallersleben-Straße und Welckerstraße.

Neue Orden wurden eingeführt, aber eine neue Nationalhymne kam nicht zustande.

Während seiner ersten Amtsperiode, die bis 1954 dauerte, starb Heuss‘ Ehefrau 1952. Nach ihrem Tod war es für Theodor Heuss selbstverständlich, dass er die Schirmherrschaft für das Müttergenesungswerk übernahm, die bis dahin seine Frau innegehabt hatte, und für den Fortbestand dieses Werkes sorgte. Nach ihm steht das Müttergenesungswerk bis heute unter der Schirmfrauschaft der Frau des jeweiligen amtierenden Bundespräsidenten.

1954 erfolgte die Wiederwahl Theodor Heuss‘ zum Bundespräsidenten. Heuss‘ Nachfolger im Amt wurde 1959 Heinrich Lübke.

Nach dem Tod seiner Ehefrau war die Wirtschaftswissenschaftlerin und Journalistin Dr. Toni Stolper, geb. Kassowitz (22.11.1890 Wien – 18.10.1988 Alexandria, Virginia), die 1993 mit ihrem Ehemann Gustav Stolper wegen ihrer jüdischen Herkunft in die USA emigriert war, eine besondere Vertraute für Heuss.

Schon lange vor dem Zweiten Weltkrieg waren die beiden Ehepaare miteinander befreundet gewesen. In den USA war Toni Stolper: „Mitbegründerin der Emigranten-Selbsthilfeorganisation Selfhelp und des American Council for Emigrés in the Professions und spielte eine führende Rolle bei der Eingliederungshilfe für Emigranten. Sie pflegte eine regelmäßige Korrespondenz mit deutschen und amerikanischen Wissenschaftlern und Politikern.“ 21)

Heuss soll in seinen letzten Lebensjahren in Toni Stolper verliebt gewesen sein, so heißt es in einem Beitrag von Oliver Das Gupta in der Süddeutschen Zeitung vom 8.2.2017: „Mitte der fünfziger Jahre begegneten sich Heuss und die ebenfalls verwitwete Toni Stolper im fränkischen Bad Kissingen wieder. In ihren Briefen finden sich erotische Anspielungen, aber auch die Bezeichnung: ‚Süßer Lamasohn auf dem Bonner Bundesthron‘.

Heuss hätte Stolper gerne geheiratet, schreibt sein Biograf Joachim Radkau. Für sie nahm Heuss 1955 zehn Kilo ab, um ‚vom leicht angefetteten Bürger zum grazilen Intellektuellen‘ zu werden. Doch ‚Theos‘ Zigarren und sein Hang zum Wein scheinen sie gestört zu haben.

Als Heuss im Dezember 1963 im Sterben lag, verlangte der Altbundespräsident nach Stolper. Als sie endlich bei ihm war, sei Theodor Heuss friedlich eingeschlafen.“ 22)