Amerigo-Vespucci-Platz
HafenCity (2013): Amerigo Vespucci (9.3.1451, 52 oder 54 Florenz – 22.2.1512 Florenz), italienischer Kaufmann, Seefahrer, Entdecker. Namensgeber des amerikanischen Kontinents
Siehe auch: Barckhusendamm
Siehe auch: Kolumbusstraße
Über Amerigo Vespuccis Herkunft und Arbeit heißt es in Wikipedia: „Vespucci wurde als drittes Kind einer angesehenen florentinischen Familie geboren.“[1] In der englischen Wikipedia Ausgabe steht detaillierter, wer Mutter und Vater waren: „Nastagio Vespucci, a Florentine notary for the Money-Changers Guild, and Lisa di Giovanni Mini.“[2]
Amerigo wurde Notar. „Seit 1482 stand er in den Diensten der mächtigen Bankiersfamilie Medici, die ihn 1491 in ihre Filiale nach Sevilla entsandte. Er trat dort 1492 mit Giannotto Berardi, dem Geschäftsführer der Filiale, und Christoph Kolumbus [siehe: Kolumbusstraße] in eine Gesellschaft ein, die die Ausrüstung der Schiffe für Kolumbus’ erste Reise finanzierte. Nach dem Tod Berardis übernahm er 1495 die Leitung der Filiale; die Gesellschaft mit Kolumbus wurde aufgelöst. Danach unternahm er mehrere Reisen über den Atlantik – (…) Als erster Europäer verlieh er seiner Überzeugung Ausdruck, dass die neue Welt ein eigener Kontinent sei..“[3]
Nach Amerigo Vespucci wurde der Kontinent Amerika benannt. Doch bis heute streiten sich Menschen, ob Amerigo Vespucci oder Kolumbus als erste Amerika „entdeckt“ haben. Wer auch immer Amerika „entdeckt“ haben soll, ob nun diese beiden Männer oder sonst wer, eine interessante Interpretation des Gemäldes „Amerika“, auf dem Amerigo Vespucci abgebildet ist, bietet die Historikerin Ulrike Jureit mit Bezug auf die koloniale Landnahme: „Der in den 1580er Jahren in Florenz von dem flämischen Maler Jan van der Straet angefertigte Stich ‚America‘, der die Entdeckung der Neuen Welt als Begegnung zwischen dem in Diensten der Familie Medici stehenden Kaufmann und Navigator Amerigo Vespucci und einer nackten Frau in Szene setzt, dient mittlerweile in verschiedenen Forschungskontexten dazu, die sexualisierte Kodierung kolonialer Landnahme zu entziffern. Mit Fantasien der Inbesitznahme und Penetration des weiblichen Körpers assoziiert, wird Kolonialisierung als Akt der männlich dominierten Bemächtigung einer unbekleideten Frau gezeigt, die als kulturloser, noch ganz der Wildnis verhafteter Körper präsentiert wird. Der Soziologe Michel de Certeau verstand die von van der Straet gewählte Szene dahingehend, dass sich Vespucci als männlicher Eroberer in den von ihm erweckten und sich ihm darbietenden Körper des neuen Kontinents einschreibt.
Hierfür ist Vespucci auf dem Bild mit mehreren Gegenständen ausgestattet: Kreuzbanner, Schwert und Astrolabium. Und dieses letztere, auf Winkelmessung beruhende Navigationsinstrument gibt Hinweis auf eine weitere Deutungsvariante. Mit Bezug zu Michel de Certeau hat der Literaturwissenschaftler Jörg Dünne überzeugend darauf aufmerksam gemacht, dass sich die europäische Einschreibung offenbar nicht nur auf die Kulturtechnik der Alphabetschrift bezog, wie de Certeau selbstverständlich annahm, sondern darüber hinaus auch Verfahren der räumlichen Orientierung und der territorialen Erfassung des von Vespucci erstmals als nuova terra benannten Raumes einschloss. Auch wenn hier noch die von Handelsinteressen geprägte Expansion zwischen dem 14. und 17. Jahrhundert im Vordergrund steht, verweist das Astrolabium auf eine weitere Dimension kolonialer Landnahme. Die Entdeckung fremder Territorien in Amerika und Afrika zielte nicht nur auf militärische Unterwerfung und ökonomische Ausbeutung, sondern umfasste zugleich auch den Transfer europäischer Raumordnungskonzepte. Die Eroberer kamen eben nicht nur mit Schwert und Bibel, sondern brachten auch ihre in europäischen Kontexten gefertigten Instrumente, Insignien und Praktiken territorialen Ordnens mit.“[4]
Anlässlich der am 4.6.2021 stattgefundenen Einweihung des in der HafenCity an zentraler Stelle liegenden Amerigo-Vespucci-Platzes protestierte der Arbeitskreis Hamburg Postkolonial gegen diese feierliche Einweihung unter dem Motto: „Keine Glorifizierung von Welteroberern in der HafenCity: Stoppt die Benennung des Amerigo-Vespucci-Platzes in Hamburg!“. Dazu schreibt der Arbeitskreis in seiner Pressemeldung vom 2.6.2021: „Der Arbeitskreis Hamburg Postkolonial kritisiert bereits seit 2010 auch die Benennungen der vielen neuen Straßen und Gebäude in der HafenCity nach Kolonialeroberern, bisher leider erfolglos.“[5]
In dieser Pressemeldung informiert der Arbeitskreis über Amerigo Vespucci wie folgt: „Einige Jahre nach Kolumbus ‚entdeckte‘ Vespucci die ‚Neue Welt‘. Auf der allerersten Weltkarte aus dem Jahr 1507 tauchte der Name ‚America‘ auf. Kontinente haben weibliche Namen. Dahinter steckt die koloniale und sexistische Vorstellung, Europäer würden eine ‚jungfräuliche Erde‘ erobern und durchdringen. Dabei ging die europäische Welteroberung und Kolonisierung einher mit der Vernichtung der Bevölkerung der First Nations, der Verschleppung und Versklavung Menschen aus Afrika, dem Raub von natürlichen Ressourcen und Kulturgütern. Vespucci stand als Kaufmann, Bankier und Schiffsausrüster in Diensten der mächtigen Medici-Familie. An der Küste Westafrikas hatte er den Menschenhandel seines Auftraggebers genauestens studieren können. Auf seiner ersten Segelung in die ‚Neue Welt‘ (1497/98) fand Vespucci weder das erhoffte Gold noch kostbare Gewürze vor. Um seine Reise zu finanzieren, ließ er ein Massaker an der Bevölkerung der Bahamas verüben. Ihre Häuser wurden niedergebrannt und 232 Menschen gefangen genommen. Auf der Schiffsroute nach Spanien starben 30 der Verschleppten an Erschöpfung und Krankheiten. Die Überlebenden ließ Vespucci auf dem Sklavenmarkt in der südspanischen Stadt Cádiz verkaufen. Auf der zweiten Reise (1499-1500) beschrieb Vespucci, wie er die venezolanische Küstenbevölkerung bekriegte: ‚Wir töteten 150 von ihnen und setzten 180 Häuser in Brand.‘ Alle vier seiner transatlantischen Eroberungszüge waren von vernichtenden Kriegshandlungen begleitet.“[5]
Verheiratet war Vespucci seit 1505 mit Maria Cerezo (gest. 1523). „She was an active participant in his business and held power of attorney for Vespucci when he was away.“ 4) Das Paar hinterließ keine Kinder. Nach seinem Tod erhielt seine Frau eine Pension. „Vespucci wrote his will in April 1511. He left most of his modest estate, including five household slaves, to his wife. (…) Upon his death, Vespucci's wife was awarded an annual pension of 10,000 ‚maravedis‘ to be deducted from the salary of the successor chief pilot.“[6]