Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Erik-Blumenfeld-Platz

Blankenese (2003): Erik Blumenfeld (27.3.1915 Hamburg -10.4.1997 Hamburg), Unternehmer, Verfolgter des Nationalsozialismus, Bürgerschaftsabgeordneter, Abgeordneter im Bundestag und Europaparlament


Vorher hieß der Platz Blankeneser Bahnhofsplatz.

Erik Blumenfelds Vater Bernhard Blumenfeld gehörte die Firma "Norddeutsche Kohlen- und Cokeswerke". Nach dessen Tod 1927 führte dessen dänische Ehefrau Ebba Möller das Unternehmen fort. Sohn Erik, der eine kaufmännische Lehre absolviert und 1935 ein Studium des Bergbau- und Hüttenwesens begonnen hatte, brach das Studium ab, um 1938 in den Vorstand des Familienunternehmens einzutreten. Ein Jahr später wurde er zum Kriegsdienst einberufen, Helmut Stubbe-da Luz schreibt über diese Zeit: Erik Blumenfeld wurde "1941 aus der Wehrmacht entlassen, in erster Linie wohl wegen der - allerdings auch zuvor dem Staat nicht unbekannten - 'halbjüdischen' Abstammung. Mit einer Sondererlaubnis versehen, ging er sodann - unter anderem in Schweden - Geschäften nach, die staatlicherseits als energiewirtschaftlich kriegswichtig betrachtet wurden. Er fand im Ausland Verbindungen zu Kreisen deutscher, englischer und skandinavischer NS-Gegner." 1) Daraufhin wurde Erik Blumenfeld 1941 in verschiedene Konzentrationslager (Fuhlsbüttel, Auschwitz und Buchenwald) deportiert Durch seine Mutter, die Himmlers Leibmasseur Felix Kersten kannte, kam er im Sommer 1944 frei. Helmut Stubbe-da Luz schreibt, dass Erik Blumenfeld dem Befehl, sich der Organisation Todd zur Verfügung zu stellen, nicht nachkam und deshalb in Berlin untertauchte. Anfang 1945 wurde er jedoch aufgespürt und wieder festgenommen. Er konnte entkommen und hielt sich "in den letzten beiden Wochen vor Kriegsende im Othmarschener Haus des Rechtsanwalts Gerd Bucerius [siehe: Buceriusstraße] auf, den seine Mutter verschiedene Male konsultiert hatte." 2) Jens Meyer-Odewald schreibt, dass die Voraussetzung für die Entlassung aus dem KZ Erik Blumenfelds ‚freiwillige‘ Sterilisation gewesen war.

Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus gründete Blumenfeld im Mai 1945 mit Gerd Bucerius die Notgemeinschaft der durch die Nürnberger Gesetze Betroffenen. Blumenfeld trat der CDU bei, hatte von 1946 bis 1954 das Amt des Vizepräsident der Hamburger Handelskammer inne, war von Oktober 1946 bis 1955 und von 1966 bis 1970 Bürgerschaftsabgeordneter der CDU, fungierte von 1955 bis 1965 als Vorsitzender der CDU in Hamburg, hatte von 1961 bis 1980 ein Bundestagsmandat inne, gehörte von 1979 bis 1989 dem Europaparlament an, "zählte zu den Gründungsmitgliedern des Übersee-Clubs und wirkte zwischen 1977 und 1991 als Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft.“ 3). Blumenfeld war durch seine Firmen finanziell sehr gut abgesichert, was ihm gerade auch in der Parteipolitik erlaubte, eigene Wege zu beschreiten und eigene Meinungen zu vertreten.

Der Historiker Prof. Dr. Frank Bajohr verfasste eine sehr lesenswerte Biographie über Erik Blumenfeld unter dem Titel: „Hanseat und Grenzgänger“. Jens Meyer-Odewald schreibt darüber in einer Rezension: „Im Mittelpunkt des Werkes steht der Prototyp des hanseatischen Kaufmanns, der sich als zweifacher Bürgermeisterkandidat, aber auch als Außenpolitiker und Weltmann einen Namen machte. Wohl auch deswegen ganz besonders, weil sein unabhängiges Denken ebenso wie seine freigeistigen Positionen oft genug im Widerspruch zur nicht selten kleinkarierten Praxis in seiner Partei standen. Es passt ins Bild des Individualisten Blumenfeld, dass er mit namhaften Zeitgenossen wie Zarah Leander, Edward Heath, Margaret Thatcher, Teddy Kollek, Chaim Herzog, Yitzhak Rabin oder den Kennedys befreundet war, dem Mief in den Hamburger CDU-Ortsverbänden indes aus dem Wege ging.“ 4)

Als am 29. März 1979 im Bundesstag die Debatte um die Verjährung von Mordtaten geführt wurde und es hierbei auch um die Verjährung von NS-Verbrechen ging, trat Erik Blumenfeld an das Redepult und begründete, „warum er in Union mit 23 Fraktionskollegen gegen eine Verjährung von Mordtaten auch aus der Nazizeit eintrat. ‚Da ein Teil meiner Familie und meiner Freunde ausgerottet worden ist, weiß zumindest ich, wovon ich spreche‘, sagte er. Es war sehr still im Plenum, ebenso wie auf der Zuschauertribüne. Dort hatten Überlebende des Holocaust Platz genommen. Auch in der Folgezeit kämpfte Blumenfeld gegen einen Schlussstrich unter das Unvorstellbare - und für freundschaftliche Kontakte nach Osteuropa und Israel. Zur Faszination eines der letzten Hanseaten (…) zählen Lebenslust und Klugheit, mit der ‚Sir Erik‘ für sich einzunehmen wusste. Er war Lebemann und Weltbürger in Personalunion. Die Telefonistinnen in Bonn wählten ihn zum ‚schönsten Mann des Bundestages‘. Blumenfeld, der stets so aussah, als komme er just aus einem Londoner Herrenclub, ließ sich von einem Chauffeur durch Hamburg fahren, glänzte mit Handicap 13, als nur die Hautevolee Golf spielte, hatte bei den Damen Schlag als Kavalier und Charmeur erster Klasse. Von seinem Kontor im Chilehaus aus dirigierte er den Seehafen-Verlag sowie die väterlichen Betriebe, die vom Brennstoffhandel bis zur Kunststoffverarbeitung reichten. (…) Vor dem Zweiten Weltkrieg hatte ‚Sir Erik‘ der hanseatischen Swing-Jugend angehört und auf diese Art, quasi mit besonderer Note, sein Anderssein dokumentiert. Nicht selten übrigens mit Geistesverwandten wie Axel Caesar Springer [siehe: Axel-Springer-Platz]. Genau dieser Typus Hanseat hatte eine Diebesfreude daran, Freund wie Gegner immer wieder zu verblüffen. Auch durch Kontakte aus der Lagerzeit duzte er alte Kommunisten - ganz selbstverständlich. Was auch für den persönlichen Sekretär des damaligen DDR-Präsidenten Wilhelm Pieck galt. Und auf parlamentarischen Bierabenden zeigte sich Blumenfeld - frei von ideologischen Barrieren - erstaunlich textsicher beim Schmettern der Internationale und anderer Arbeiterlieder. Im Duett mit den Sozis. Unkonventionelle Lebensweise, ein Dasein nach eigenem Gusto, waren nach seinem Geschmack.“ 5)

Seine Ehefrau, die Rechtsanwältin Brigitte Lichtenauer-Blumenfeld erhielt 2012 das Bundesverdienstkreuz für ihr Engagement für die Aussöhnung und die Verständigung mit Israel. 2003 wurde der Blankeneser Bahnhofsplatz in Erik-Blumenfeld-Platz benannt. Dieser Benennung war eine monatelange Pro- und Kontra-Diskussion vorausgegangen. In seiner Rede zur Einweihung des Platzes ging der damalige Erste Bürgermeister darauf ein. „An die Anwohner gerichtet, die gegen die Umbenennung waren, sagte Ole von Beust: ‚Wenn Sie sich an die neue Adresse gewöhnt haben, werden Sie sehr schnell merken, dass sie keine Belastung, sondern eine Ehre und Anerkennung ist.‘ (…) Scharf ging Brigitte Lichtenauer-Blumenfeld mit den Gegnern der Umbenennung ins Gericht: ‚Gut, dass die ins Skurrile laufenden Irritationen der letzten Monate erledigt sind. In der unwürdigen Diskussion wussten einige Kritiker weder, wer Erik Blumenfeld war, noch, wie sich sein Name richtig schreibt.‘ Ihren Mann hätte dies alles sehr amüsiert. Lichtenauer-Blumenfeld: ‚Eriks Ziel war immer die Aussöhnung, der Ausgleich. Kritiker, die nur ihren eigenen Interessen folgten, sollten seinem Beispiel folgen,‘“ schrieb Jan-Eric Lindner im Hamburger Abendblatt vom 12.5.2003. Einen Tag nach der Einweihung montierten Unbekannte in der Nacht fünf neue Straßenschilder mit der Aufschrift „Erik-Blumenfeld-Platz“ ab und stahlen sie. Daraufhin mussten neue Schilder angebracht werden.