Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Esmarchstraße

Altona-Altstadt (1950): Prof. Dr. Friedrich von Esmarch (9.1.1823 Tönning – 23.2.1908 Kiel), Arzt, verbesserte das Lazarettwesen, Begründer des zivilen Samariterwesens


Vor 1950 hieß die Straße Lohmühlenstraße. Bereits in der NS-Zeit sollte die Straße im Zuge des Groß-Hamburg-Gesetzes in Esmarchstraße umbenannt werden, da nun das bisherige Staatsgebiet Hamburg um benachbarte preußische Landkreise und kreisfreie Städte erweitert worden war und es dadurch zu Doppelungen bei Straßennamen kam. Bedingt durch den Krieg kam es nicht mehr zu dieser Umbenennung und es blieb bis 1950 bei Lohmühlenstraße. (vgl.: Staatsarchiv Hamburg 133-1 II, 26819/38 Geschäftsakten betr. Straßennamen B. Die große Umbenennung hamb. Straßen 1938-1946. Ergebnisse der Umbenennung in amtlichen Listen der alten und neuen Straßennamen vom Dez. 1938 und Dez. 1946)

Kiels Ehrenbürger Friedrich von Esmarch war der Sohn des Arztes Theophilus Christian Caspar Esmarch und der Friederike Brigitte Esmarch, geb. Homann, Esmarch besuchte in Flensburg die Gelehrtenschule und studierte nach dem Abitur Medizin- 1848 schloss er das Studium mit der Promotion ab und habilitierte sich später. Christa Geckeler schreibt über den weiteren Lebensweg von Esmarch: „1848 machte Esmarch als Arzt den Krieg gegen Dänemark als Mitglied des schleswig-holsteinischen Turnerkorps mit, (…). In den Feldzügen 1849/50 war Esmarch als Adjutant Stromeyers, der Generalstabsarzt der schleswig-holsteinischen Armee war, in Lazaretten tätig. (…)

1854 [wurde er] als Nachfolger Stromeyers, dessen Schwiegersohn er inzwischen war, mit 31 Jahren Direktor der Chirurgischen Universitätsklinik in Kiel. In dieser Stellung blieb er 44 Jahre bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1898. (…)
Die Kriege 1848, 1864, 1866 und 1870/1 wurden für Esmarch wichtige Lehrmeister. In den Anfängen stand er vor dem trostlosen Zustand der damaligen Kriegschirurgie, die wegen der großen Wundinfektionsgefahr aus Amputationen bestand. Nur so meinte man, Infektionen verhindern zu können.

Durch seine Lehrer Langenbeck und Stromeyer lernte Esmarch, dass durch Ausschneiden (Resektion) zertrümmerter Knochen und Gelenke bei Schussverletzungen die Extremitäten erhalten werden konnten und die Methode sogar zur Heilung führte. Wichtig für den Transport der Verwundeten war, dass die Gliedmaßen vollständig bewegungsunfähig gemacht wurden. Zur ersten Hilfe führte Esmarch erstmalig das Verbandspäckchen und das Dreieckstuch für die Soldaten ein, heute eine Selbstverständlichkeit in jedem Verbandskoffer. (…)

Esmarchs Tätigkeit als Chirurg konzentrierte sich nur z. T. auf die Kriegschirurgie, denn seine Hauptarbeit fand in der Chirurgischen Universitätsklinik Kiel statt. Hier waren es drei Probleme, die er zu bewältigen versuchte: die Schmerzen, die durch die Operation entstanden, die Lebensgefahr, die durch die Infektion der Wunden verursacht wurden, und der Blutverlust bei Operationen.

Seit 1846 war die Äthernarkose in England und seit 1847 die Chloroformnarkose aus Amerika bekannt. Esmarch machte von der Schmerzbetäubung regen Gebrauch und vereinfachte das Instrumentarium. Für die Narkose konstruierte er ein Chloroformgerät und entwickelte den ‚Esmarchschen Handgriff‘, der verhindern soll, dass der Zungengrund zur Verstopfung der Atemwege führt.

Zur Bekämpfung der Wundinfektion behandelte er seine Patienten mit verdünnter Salzsäure. Dann entwickelte der englische Chirurg Joseph Lister die antiseptische Wundbehandlung. (…). Schon nach kurzer Zeit ging er daran, die Methode zu modifizieren und weiterzuentwickeln. Eine bedeutende Leistung des Chirurgen ist die ‚Esmarchsche Blutleere‘ bei Operationen an den Extremitäten. Dieses erstmals 1873 der Fachwelt vorgestellte Verfahren ermöglichte chirurgische Eingriffe unter geringen Blutverlusten, indem man mit einer elastischen Gummibinde den Körperteil zunächst blutleer macht und für eine bestimmte Zeit von weiterer Blutzufuhr abschnürt. (…)

Auf einem Ärztekongress hatte Esmarch 1881 von Samariterschulen in England erfahren, auf denen freiwillige Laienhelfer für den Sanitätsdienst ausgebildet wurden. Esmarch, der in den Kriegen erlebt hatte, dass bei den vielen Verwundeten die ausgebildeten Kräfte nicht ausreichten, eröffnete am 4. Februar 1882 eine Samariterschule in Kiel zur Ausbildung von Laienhelfern und gründete am 5. März 1882 in Kiel den ersten deutschen Samariterverein.
(…). Esmarch gab mit der Samariterschule und dem Samariterverein den entscheiden Anstoß zum Aufbau von Unfall- und Krankenhilfsdiensten in den anderen deutschen Städten, in denen ebenfalls Samaritervereine entstanden. 1896 schlossen sich diese zum Deutschen Samariter Bund zusammen, der 1937 dem Roten Kreuz angegliedert und 1945 als Arbeiter-Samariter-Bund neu eingerichtet wurde. (…).“ 1)

Dem Samariterwesen wandten sich sehr schnell auch Frauen zu. Dem trug Esmarch in seinen Schriften, in denen er sich direkt an Frauen wandte, Rechnung. So sprach er in seinem Buch „Die erste Hilfe bei plötzlichen Unglücksfällen: Ein Leitfaden für Samariter-Schulen in 6 Vorträgen“ direkt die Frauen an. „Ich wende mich hierbei vorzugsweise an meine Zuhörerinnen. Ist doch die eigentliche Krankenpflege von altersher Ihre schönste Aufgabe gewesen, wird doch gerade an Ihnen, meine Damen, mit vollstem Recht die Leichtigkeit und Zartheit der Hand, die aufopfernde, treue Hingabe, die Selbstverleugnung gerühmt.“ (S. 173.) Und in seiner 1887 verfassten Schrift „Durch welche Arbeiten können sich im Kriege Frauen nützlich machen? In einem Brief an die Vorsitzende eines Hülfsvereins“ gab er u. a. Hinweise auf Kaufadressen und für die Herstellung von künstlichen Schwämmen, Mullsäcken, Binden und Dreieckstüchern und ermahnte die Frauen, nur mit gewaschenen Händen die Tätigkeit als Samariterin aufzunehmen.

Durch seine Tätigkeit in der Kriegschirurgie kam Esmarch auch mit dem Vaterländischen Frauen-Hülfs-Verein in Berührung. Dieser Verein in Hamburg war 1868 als einer der ersten deutschen Zweigvereine des Roten Kreuzes gegründet worden. In Hamburg war Minna Plambeck dessen Vorsitzende. Ziel des Vereins war die „Ausbildung und Verwendung von Krankenpflegerinnen“. „Qualifiziert sollten die Schwestern sein, nicht nur Krankenwärterinnen, deshalb wurden sofort zwei von ihnen auf Kosten des Roten Kreuzes nach Kiel zu einem dreimonatigen Lehrgang in die ‚Akademischen Heilanstalten‘ unter Leitung Friedrich von Esmarchs geschickt.“2)

Seit 1853 war Esmarch in erster Ehe mit Anna Strohmeyer (1832-1870) verheiratet, mit der er drei Kinder hatte. Nachdem seine Frau Ende der 1860er-Jahre an Tuberkulose erkrankt war, woran sie 1870 verstarb, verliebte sich Esmarch zwei Jahre später in seine Patientin Prinzessin Henriette von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg (2.8.1833 Schloss Augustenburg – 18.10.1917 Kiel), eine Tante der späteren Deutschen Kaiserin Auguste Viktoria (siehe auch: Augustenpassage und Auguste-Victoria-Kai). Das Paar heiratete im selben Jahr auf Schloß Primkenau. Es wird kolportiert, dass der renommierte Arzt Esmarch von der als resolut bezeichneten Prinzessin geheiratet worden sei. Das Paar bekam ebenfalls drei Kinder.

Durch die Heirat mit einer Adligen und die Verbindung zum Kaiserhaus „hob“ sich Esmarchs gesellschaftliche Stellung und er wurde 1887 in den erblichen Adelstand erhoben.

Dass solche morganatischen Ehen im Hochadel nicht gern gesehen, ja sogar gefürchtet wurden, ist einem Brief von Prinzessin Charlotte von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg (1803-1880) zu entnehmen, die „selbst Spross einer unebenbürtigen Ehe“ 3) war. Anlässlich der morganatischen Heirat ihrer Nichte Henriette Prinzessin von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg mit Esmarch schrieb sie „an ihren Neffen Friedrich (…) Henriettes ältesten Bruder und Augustenburgischen Hauschef: ‚Lieber Fritz (…) Tief betrübt und schmerzlich ist uns die Nachricht von der morganatischen Heirath Deiner Schwester Henriette gewesen, und besonders daß ich mir für sie, die doch sonst so ganz verschiedene Grundsätze aussprach, kein Glück aus einer solchen Verbindung verspreche. Ich habe ja so lange gerade in den Kreisen gelebt, in welche sie jetzt eintritt, und weiß, was ihr besonders von den Frauen derselben bevorsteht. Gebe Gott, daß sie ihren Schritt nie bereuen möge, wenn erst der Rausch der Leidenschaft vorüber ist. Wie werden die Feinde unseres Hauses triumphieren! (…) Wie tief betrübt ich bin, vermag ich nicht auszusprechen. (…).“ 4)

„Der gesellschaftliche Ehrgeiz seiner Gattin brachte Esmarch Auseinandersetzungen mit seinem Assistenten Gustav Adolf Neuber und mit seinem Kollegen Professor Heinrich Quincke. Einerseits ging es um ein neues antiseptisches Verfahren in der Wundbehandlung, zum anderen um die Dienstvilla, die Esmarch nicht zugunsten eines Neubaus der Medizinischen Klinik räumen wollte. Diese Auseinandersetzungen überschatteten Esmarchs Alter und führten zur Entfremdung von der Fakultät und der breiten Öffentlichkeit. In Schleswig-Holstein aber blieb Esmarch der verehrte Chirurg, der viele Ehrungen erhalten hatte. Zu einem 80. Geburtstag am 9. Januar 1903 verlieh ihm die Stadt Kiel das Ehrenbürgerrecht mit folgender Begründung: „Es unterliegt keinem Zweifel, dass der berühmte Arzt und Gelehrte durch seinen Namen auch der Stadt Kiel als der Heimatstadt seiner Wahl Ruhm und Ehre bereitet und dass er sich demnach um unsere Stadt besonders verdient gemacht hat,“ 5) schreibt Christa Geckeler.