Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Felix-Jud-Ring

Bergedorf/Allermöhe (1995): Felix Jud (7.3.1899 Wilhelmsthal -27.8.1985 Hamburg), Buchhändler, Widerstandskämpfer


Siehe auch: Margaretha-Rothe-Weg

Unter www.neu-allermoehe.de/stadtteilinfos/felix-jud-ring des Stadtteilbüros Neuallermöhe heißt es über den Namensgeber des Felix-Jud-Rings in Allermöhe: „Felix Jud kam am 7. März 1899 als Sohn eines wohlhabenden Anteilseigners einer Silbermine im niederschlesischen Wilhelmsthal zur Welt. Nach wirtschaftlichen Schwierigkeiten und der Trennung der Eltern sah er sich mit 14 Jahren gezwungen, im Thüringischen, wohin die Mutter mit ihren vier Kindern gezogen war, eine Lehre als Eisenwarenhändler zu beginnen, um die Familie zu unterstützen.

Die Liebe zu den Büchern und zur Literatur, die er in seinem Elternhaus vor allem durch seine geliebte Mutter empfangen hatte, trieb Felix Jud jedoch bald dazu, sein Schicksal beherzt in beide Hände zu nehmen und sich bei zahlreichen Buchhandlungen der nahen Universitätsstadt Jena um eine Lehrstelle als Buchhändler zu bemühen. Nach vier Absagen kam der Erfolg, der sein weiteres Leben bestimmen sollte: Eine der ersten und ältesten Buchhandlungen Deutschlands, die berühmte Frommann'sche Hofbuchhandlung nahm ihn . (…).“ 1)

Während des Ersten Weltkriegs wurde Felix Jud nicht als Soldat einberufen – er war damals gerade mal 15 Jahre alt - und führte die Buchhandlung.

„Felix Jud nutzte mutig seine Chance und bewies schon hier, daß er ein Vollblut-Buchhändler war, der den Umsatz binnen weniger Jahre vervielfachte- bis er gebeten wurde, sich wegen ständiger morgendlicher Verspätung aufgrund seines äußerst gesunden Schlafes (!) nach einer anderen Stellung umzusehen. Dieses tat er und fing am 01. Mai 1919, mitten in den politischen Wirren der in Gründung befindlichen Weimarer Republik in der Stadt an, die er nach eigenem Bekunden schon immer geliebt hatte: in Hamburg!

Nach einem Zwischenspiel bei Adolph Ettler Nachfolger wechselte er 1920 zu der großen Buchhandlung Blencke und Co und avancierte mit 21 Jahren auch dort bereits zum Geschäftsführer mit der Verantwortung für 25 Angestellte. In dieser Zeit mag sein langgehegter Wunsch, Herr im eigenen Hause zu werden, herangereift sein : Gemeinsam mit seiner Kollegin Erna Kracht und mit zusammengesparten 5.000,-- RM ließ sich Felix Jud auf das große Wagnis ein und eröffnete am 20. November 1923 im Souterrain der Colonnaden 104 die ‚Hamburger Bücherstube- Felix Jud & Co‘.“ 2) In der Einladung zur Eröffnung hieß es: „Allen Verhältnissen zum Trotz – im Glauben an eine bessere Zukunft Deutschlands und im Vertrauen auf das literarisch gebildete Hamburger Publikum – haben wir uns entschlossen, eine neue Buchhandlung zu eröffnen: Die HAMBURGER BÜCHERSTUBE FELIX JUD & CO soll eine Pflegestätte sein für das gute und schöne Buch, für Publikationen über alte und moderne Kunst und für Bücher über Philosophie. Darüber hinaus werden alle wesentlichen Erscheinungen aller andern Wissensgebiete stets vorrätig sein.“ 3)

Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten stellte Felix Jud aus Opposition gegenüber dem NS-Regime ein Schild in sein Ladenschaufenster mit der Aufschrift: „Bücher kauft man beim Jud“. „1935, als jeder Buchhändler per Erlass dazu verpflichtet wurde, an Hitlers Geburtstag ein Sonderfenster in seinem Geschäft zu gestalten, platzierte Felix Jud ein eingerissenes Titelblatt mit dem Photo des Führers in der Mitte der Scheibe und füllte das Fenster mit diversen Exemplaren des Südsee-Reisebuches ‚Heitere Tage mit braunen Menschen‘ von Richard Katz [1888–1968].“ 4)
„Natürlich erregte auch sein Name bei den Machthabern Anstoß und Verdacht. Wie kann ein Arier ‚Jud‘ heißen?“, heißt es unter www.felix-jud.de//pages/historie.5) Und Wilfried Weber und Marina Krauth schreiben dazu in ihrem Buch „Und wer besorgt das Spielzeug?“ 75 Jahre Hamburger Bücherstube Felix Jud & Co: Felix Jud „reagierte mit einer Provokation. Er hängte einen großen Barockrahmen in sein Schaufenster, oben unter der Bilderleiste war die Judenkarikatur aus dem Stürmer ‚Jud bleibt Jud‘ – der krummbeinige, krummnasige, spitzbäuchige wöchentliche Jude. Darunter Felix Jud, ein Foto als Säugling auf dem Lammfell, dann ein Foto als Konfirmand, ein weiteres aus der Gegenwart, darunter ‚Jud bleibt Jud‘. Das war nicht zu bezweifeln. Aber quer zu dem ganzen ein Wäschebrett für ‚Persil bleibt Persil‘“. 6)

In der NS-Zeit versammelte sich in der Buchhandlung ein Kreis „Andersdenkender“ und diskutierte über die andere Literatur und das andere Leben. Unter ihnen war auch Axel Springer (siehe: Axel-Springer-Platz).

Am 19. Dezember 1943 wurde Felix Jud wegen der Verbindung zur „Weißen Rose“ und des Verkaufs „verbotener Bücher“ unter dem Ladentisch, verhaftet und ins Polizeigefängnis Fuhlsbüttel gebracht. Am 6. Juni 1944 folgte die Verlegung ins KZ Neuengamme. In der Anklage vom 23. Februar 1945 im Verfahren gegen Albert Suhr und vier andere, wurde Felix Jud in der Hauptverhandlung am 19. April 1945 vor dem Volksgerichtshof in Hamburg zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt. Als im Mai 1945 die britischen Streitkräfte in Hamburg eintrafen, wurde Felix Jud aus dem KZ Neuengamme befreit.
Nach dem Zweiten Weltkrieg besaß er kaum Geld. Seine Buchhandlung in den Colonnaden war 1943 durch Bomben zerstört worden. Mit finanzieller und tatkräftiger Hilfe durch Freunde gelang es Felix Jud, eine Ruine am Neuen Wall auszubauen und dort 1948 seine Bücherstube neu zu eröffnen. Als das Grundstück 1955 verkauft wurde, gab Axel Springer (Axel-Springer-Platz) ihm ein Darlehen, dessen Rückzahlung später auf Axel Springers Weisung hin einfach vergessen wurde. Dadurch war Felix Jud in die Lage versetzt worden, eine neue Bücherstube an einem anderen Standort eröffnen zu können. Dort am Neuen Wall 13 befindet sich die Buchhandlung noch heute.

Felix Jud war nach dem Zweiten Weltkrieg kulturpolitischer Berater der Alliierten; Gründungsmitglied des FDP-Landesverbandes, Mitglied im Verwaltungsrat der Hamburger Öffentlichen Bücherhallen sowie Mitbegründer des Norddeutschen Verleger- und Buchhändlerverbandes.

Felix Jud war seit 1938 verheiratet mit Elisabeth Thode. Das Paar hatte drei Kinder (geboren: 1939, 1941, 1943) und lebte in der Oderfelder Straße 13.

In dem Buch von Rainer Moritz „Die Fütterung der Schlangen geschah vor Ladenöffnung. Geschichten von Felix Jud Buchhandlung Antiquariat Kunsthandel“ heißt es über Felix Jud und seine Beziehung zu Frauen: „Zu Hochform lief Felix Jud auf, wenn es ihm (…) gelang, eine attraktive Dame von ihrem Einkaufsbummel abzulenken und in die Buchhandlung zu lotsen. Umgangsformen der besten Art machten ihn unwiderstehlich: ‚Der chevalereske Handkuss aus großbürgerlich-spätadeliger Zeit war eine jener unverzichtbar selbstverständlichen Gesten und Zugaben, die elegante Damen quer durch die Generationen dahinschmelzen ließen.“ 7)