Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Fontanestraße

Osdorf (1928/29): Theodor Fontane (30.12.1819 Neuruppin – 20.9.1898 Berlin), Dichter


Siehe auch: Fanny-Lewald-Ring
Siehe auch: Traunweg

Eine Ratgeberin in literarischen Dingen war für Theodor Fontane die Schriftstellerin Fanny Lewald (24.3.1811 Königsberg – 5.8.1889 Dresden) „Gedichte, Lieder und Balladen des jungen Fontane lernten Fanny Lewald und Adolf Stahr 1847 in ihrem Salon durch Rezitationen von Bernhard von Lepel kennen.“ 1) Das Ehepaar Lewald-Stahr war begeistert. 1849 lernte Fanny Lewald Fontane selbst kennen. „Der Kontakt hielt etwa ein Jahr, in dieser Zeit war Fontane ohne Stellung und noch ohne Mut zur freien Schriftstellerei. Fanny Lewald als populäre Schriftstellerin wurde gebeten, sich bei der Bibliothek für ihn zu verwenden. (…) Die Lewald riet ihm über Lepel von solchen Notlösungen ab: ‚Raten Sie ihm, hier die erste beste Provisorstelle anzunehmen (Fontane stammte aus einer Apotheke) und noch hier zu bleiben. Warten ist das Schwerste, aber auch das Prinzip aller Lebensweisheit, und je später er heiratet – unter uns gesagt – um so besser für den Dichter.‘ (…) Zwischen der Lewald und Fontane gab es hauptsächlich künstlerische Differenzen, der junge Fontane bediente sich konservativerer Formen als die Lewald, er lehnte das tendenziöse Schreiben ab, während sie es von der Dichtung damals geradezu forderte.“ 1) schreibt Krimhild Stöver in ihrer Abhandlung über „Leben und Wirken der Fanny Lewald“.

Der junge Fontane nannte sie einen Blaustrumpf. Über Frauenrechte und Frauenstimmrecht äußerte er sich 1870 gegenüber seiner Ehefrau: „Man kann all diesen Dingen gegenüber sagen ‚warum nicht!‘ aber doch noch mit größerem Recht: ‚wozu?‘“

Theodor Fontane
Theodor Fontane (Gemälde von Carl Breitbach, 1883); Quelle: Carl Breitbach (1833–1904), gemeinfrei, via Wikimedia Commons

Im Alter schrieb Fontane rückblickend über Fanny Lewalds Rat, den sie ihm einmal hinsichtlich des schriftstellerischen Aufbaus eines Romans gegeben hatte: „Wobei mir immer einfällt, was die gute Fanny Lewald zu mir sagte: ‚Wenn es sein kann, laß ich immer nur zwei Menschen sprechen, auch drei, auch vier, aber darüber hinaus gehe ich nur im äußersten Notfall.‘ Das hat damals einen großen Eindruck auf mich gemacht. Solche Bemerkungen aus der Metiererfahrung heraus sind immer wichtig, und ich habe meine eigene Schreiberei wesentlich danach gemodelt.“ 2)

Theodor Fontane, geboren als Sohn von Emilie Fontane, geb. Labry und des Apothekers Louis Henri Fontane, absolvierte zuerst eine Ausbildung zum Apotheker und arbeitete auch eine Zeit lang in der väterlichen Apotheke. Er bildete sogar eine Frau zur Apothekerin aus. Sie hieß Emmy Dankwerts (27.2.1812 Plate – 12.4.1865 Hannover), und war eine Diakonisse, die später als Oberin Leiterin des Henriettenstifts in Hannover wurde.

1845 verlobte sich Theodor Fontane mit der 21-jährigen Emilie Rouanet-Kummer (14.11.1824-18.2.1902). In der Verlobungszeit zeugte Fontane zwei Kinder mit anderen Frau(en). Bis zur Hochzeit mit Emilie vergingen fünf Jahre, denn Fontane fand keine feste Anstellung: Voraussetzung, um eine Familie ernähren zu können, was in einer patriachal geprägten Gesellschaft erwartet wurde. Nachdem er 1850 eine feste Anstellung in der Presseabteilung des Innenministeriums bekommen konnte, heiratete das Paar noch im selben Jahr. Ein Jahr nach der Hochzeit wurde das erste Kind geboren. Insgesamt kamen sieben Kinder auf die Welt, von denen drei als Neugeborene starben. Die 1860 geborene Tochter Martha, von Fontane zärtlich Mete genannt, wurde sein Lieblingskind.

Emilie Rouanet war ein außerehelich gezeugtes Kind (Mutter Pfarrwitwe, Vater Militärchirurg), die als Dreijährige von dem Kunsthandwerker und Bohemien Karl Wilhelm Kummer adoptiert worden war, ein Hallodri, der aber darauf achtete, dass Emilie eine gute Schulausbildung bekam. Ansonsten gab Kummer, der mehrmals verheiratet war, Emilie in die Obhut seiner Dienstmädchen, die sich allerdings kaum um Emilie kümmerten.

Emilie und Theodor Fontanes Ehe basierte auf Vernunft. Fontane fand seine Ehefrau „interessant“. Es waren, wie Walter Jens in der „Die Zeit“ schreibt: „Partner, die, trotz aller Dissonanzen – wobei Madame meistens nachgab, während Monsieur das letzte Wort behielt -, gemeinsame Interessen hatten, sich gleich kenntnisreich über Politik und Malerei (…) verständigen konnten. Die Intensität, mit der Fontane sich in den Briefen an seine Frau über das Handwerk des Schreibens und die Technik poetischer Charakterogramme ausläßt, zeigt deutlich, daß er zu einer Leserin sprach, die seine Manuskripte nicht nur abschrieb, sondern sie auch mit Verbesserungsvorschlägen zu begleiten verstand. (Und meistens recht mit ihrer – eher mürrisch als dankbar aufgenommenen – Kritik hatte.)“ 3)

Emilie musste als Ehefrau lange Zeit allein leben, denn Fontane war häufig auf Reisen. Auch ihre Kinder wurden meist dann geboren, wenn Fontane nicht im Land war. Walter Jens analysiert: „(…) der Kommentar Fontanes zu Emilies Schwangerschaften, Geburten und Wochenbettplagen? Mißglückte Kalauer, mehr nicht: ‚Nur keine allzu elenden Würmchen; es ist eine Art Ehrensache, also nimm Dich zusammen und thu das deine. Man schreibt mir sonst auf den Grabstein: seine Balladen waren strammer als seine Kinder.‘ Und dann: ‚Also doch wieder ein Junge! Es scheint, daß wir auf Mädchen verzichten müssen und wir wollen uns auch weiter keine Mühe damit geben: das weibliche Geschlecht verdient es nicht einmal (…). Wenn Du nur Regelmäßigkeit in die Sache brächtest! Erst mit dem Kopf, dann mit den Beinen; nun gar mit dem Allerwerthesten, wohin soll das schließlich noch führen?‘ (…) Der Mann, der sonst einen untrüglichen Sinn für Entsprechungen zwischen Gegenstand und Stil, der Situation und ihrer kongruenten Darbietung in Wortwahl und Syntax hatte (…), ausgerechnet Fontane verstößt, sobald der Alltagsbereich der Frauen berührt wird, gegen eigene Maximen. Im Salon und in der guten Stube war er zu Hause – Besen und Windeln oder Gespräche zwischen einer Hebamme und einer Schwangeren konnte er beim besten Willen nicht beschreiben.
Beckmessereien? Gewiß nicht: Die Force eines Autors tritt nie deutlicher als dann hervor, wenn ein Bereich benannt wird, der ihn, ausnahmsweise, einmal sprachlos werden ließ. Und weshalb? Weil er für Fontane einfach nicht interessant war.“ 3)

Emilie besorgte den Haushalt, die Wirtschaftsführung, die Erziehung der Kinder, die vielen Umzüge und pflegte Fontane, als er ernstlich erkrankt war. „Fünfundzwanzig Jahre Ehe mit einem mittellosen Schriftsteller, der noch keinen einzigen Roman geschrieben und dennoch eine gut dotierte, feste Beamtenstellung als Erster Sekretär der Akademie der Künste nach einigen Monaten wieder aufkündigt, weil ihm die Bevormundung und die Langeweile unerträglich und seine Freiheit wichtiger als alles andere ist, eine solche Ehe ist schwer zu ertragen. ‚Wohin ich sehe, nirgends ein kleiner Lichtstrahl der Hoffnung oder des Anderswerdens‘, schreibt Emilie Anfang 1877 an eine Freundin. ‚Glauben Sie nun nicht, teure Freundin, dass ich trostlos bin, ich bin ganz still ergeben. Da ich nach meiner Kraft tue und getan habe, um uns leidlich über Bord zu halten.‘“ 4)

Nachdem Fontane erste Erfolge mit seinen Romanen bekam, „atmet [Emilie] auf und will ‚nur noch für Th. F. leben und streben‘, sie akzeptiert nun endgültig, ‚dass es das erste Bedingnis eines häuslichen Glückes ist, dass der Mann in seiner Tätigkeit glücklich und unbehindert ist; alles andere, Umgang, Freundschaft etc., ist nur Ornament.‘“ 4)

Emilie Fontane starb 1902, vier Jahre nach dem Tod ihres Ehemannes. In den letzten Jahren hatte sie seinen Nachlass verwaltet.

Fontane und Antisemitismus
Der Historiker Felix Sassmannshausen schreibt in seinem für das Land Berlin verfassten Dossier über Straßen- und Platznamen mit antisemitischen Bezügen in Berlin: „Fontane äußerte sich privat immer wieder antijüdisch und teilweise antisemitisch. In Briefen sprach er etwa davon, dass die Juden ‚ein schreckliches Volk‘ seien. Auch bezeichnete er die europäische Presse als ‚eine große Judenmacht‘. Juden bezeichnete er zudem als ‚prähistorischen Adel‘. Die Passagen sind Beleg für eine antisemitische Gefühlswelt. Ob Fontane ein antisemitisches Weltbild vertrat, ist umstritten, liegt aber zumindest nahe.“ 5) Sassmannshausen gibt die Handlungsempfehlung für den Umgang mit diesem Straßennamen: „Kontextualisierung“. 5)