Fanny-Lewald-Ring
Bergedorf, seit 1984, benannt nach Fanny Lewald, geb. Markus. Lewald: angenommener Name. Verh. Stahr. Pseudonym Iduna, Adriana (24.3.1811 Königsberg – 5.8.1889 Dresden), Schriftstellerin, Erzählerin. Motivgruppe: Verdiente Frauen
Siehe auch: Bettinastieg
Siehe auch: Heinrich-Heine-Straße, Wilstorf, seit 1945 und Heinrich-Heine-Weg, Bergedorf seit 1945: Heinrich Heine (1797-1856), Dichter, Schriftsteller
Siehe auch: Fontanestraße, Osdorf, seit 1928/29: Theodor Fontane (1819-1898). Dichter
Siehe auch: Gottfried-Keller-Straße, Groß Flottbek, seit 1928: Gottfried Keller (1819-1890). Schweizer Dichter
Siehe auch: Helmholtzstraße

Fanny Lewald war die Tochter des jüdischen Kaufmanns David Markus und dessen Ehefrau Zipora Marcus. Später nahm die Familie den Nachnamen Lewald an, um die jüdische Herkunft zu verbergen.
Der Vater bestimmte den Werdegang seiner Tochter, schickte sie in eine pietistische Schule und befahl, als Fanny siebzehn Jahre alt war, dass sie vom jüdischen zum protestantischen Glauben übertreten müsse.
Fanny Lewald „musste schon früh erfahren, dass sie als Mädchen benachteiligt war: ‚Dein Kopf hätt‘ auch besser auf ‚nem Jungen gesessen‘ (Lewald) sagte ein Lehrer zu ihr, dem die Intelligenz des Mädchens auffiel. Obwohl der patriarchalische Vater, dessen Befehle unumstößliches Gesetz waren, dem Wissensdrang seiner Tochter teilweise Rechnung trug, so hörte diese doch ständig, ‚dass nichts widerwärtiger und unbrauchbarer sei, als ein gelehrtes, unpraktisches Frauenzimmer‘ (Lewald),“ 1) schreibt Daniela Weiland in ihrer Abhandlung „Geschichte der Frauenemanzipation in Deutschland und Österreich“.
Mit knapp vierzehn Jahren war ihre Schulzeit beendet. Sie hatte nun, wie es sich für junge Mädchen ihrer Schicht gehörte, ihre Zeit bis zur Verheiratung mit Malen, Musizieren und Handarbeiten auszufüllen.
Fanny Lewald widersetzte sich jedoch allen Heiratsplänen ihres Vaters. „In der Hoffnung seine Älteste doch noch ‚an den Mann zu bringen‘, nahm der Vater sie auf Reisen mit. Fanny schrieb später in ihren dreibändigen Memoiren, (…): ‚Ich kam mir wie ein elende Ware vor, die man auf den Markt führte, weil sich zu Hause kein Käufer dafür gefunden hatte.‘ (Lewald).
In ihrem langsam wachsenden Widerstand gegen die typische Frauenexistenz, in die sie hineingezwungen werden sollte, half ihr nur das Wissen, dass es für Frauen auch andere Möglichkeiten gab: Im Hause ihrer Verwandten Simon herrschte ein freiheitlich-demokratischer Geist. Es beeindruckte Fanny, dass hier Frauen an Diskussionen teilnahmen und ihr Wort ernst genommen wurde, “ 2) so Daniela Weiland.
Fanny Lewald interessierte sich für die emanzipatorischen Ideen der 1848-er Revolution und beschäftigte sich vor allem auch mit der Frauenfrage. Besonders ihr Erinnerungsbuch „Meine Lebensgeschichte“ ist eine wichtige Dokumentation der Lebensverhältnisse bürgerlicher Frauen im 19. Jahrhundert. Dieses, den Frauen vorgeschriebene eingeschränkte Leben war für Fanny Lewald Anlass, sich intensiv mit der Frauenfrage zu beschäftigen. Ihr Cousin August Lewald (1792-1871), der die Zeitschrift Europa herausgab, unterstützte sie in ihren literarischen Bemühungen. In ihrem ersten Roman „Clementine“ (1843) schrieb Fanny Lewald über das Problem der Konvenienzehe, in ihrem zweiten „Jenny“ (1843) über die Unterdrückung von Juden und Frauen, in ihrem dritten „Eine Lebensfrage“ (1845) über die Ehescheidung und in ihrem vierten Roman „Der dritte Stand“ (1846) forderte sie, dass der Lebensstandard der Armutsschicht auf Kosten der besitzenden Schichten zu heben sei. Das Manuskript ihres ersten Romans legte sie ihrem Bruder und Vater vor und erhielt nur unter der Bedingung die Erlaubnis zur Publizierung, wenn sie ihn anonym veröffentlichen würde.
Erst nach Erscheinen ihres ebenfalls anonym erschienenen zweiten Romans entschloss sie sich, unter ihrem Namen zu veröffentlichen.
Durch ihre schriftstellerischen Erfolge konnte sie sich 1845, nachdem der Vater die Erlaubnis dazu gegeben hatte, eine eigene Wohnung in Berlin leisten. „Fanny Lewald gehörte zu den ersten deutschen Schriftstellerinnen, die von den Einkünften ihrer Arbeit leben konnten. Ihre zahlreichen Romane reichten eine für damalige Zeiten erstaunliche Auflagenhöhe; schon deshalb besaß die Autorin, (…) zweifellos großen Einfluss auf die emanzipatorische und politische Aufklärung der Frauen in Deutschland.“ 3)
Während einer Italienreise im Jahre 1845 lernte sie ihren späteren Ehemann, den Gymniasallehrer und Philologen Adolf Stahr (1805-1876), kennen, der damals noch mit Marie, geb. Kraetz (1813-1879), verheiratet war, die später, nach der Scheidung, als Lehrerin in Halle arbeitete, und mit ihr fünf Kinder hatte. Erst zehn Jahre nachdem Stahrs Frau die Scheidung eingereicht hatte, gingen Fanny Lewald und Adolf Stahr eine Ehe ein. Sie lebten nun in Fanny Lewalds Berliner Wohnung zusammen mit den beiden Söhnen Stahrs aus erster Ehe und unternahmen viele Reisen durch Europa.
Nach dem Tod ihres Vaters 1846 entschloss sich Fanny Lewald, ganz die schriftstellerische Laufbahn einzuschlagen und ihr Berufs- und Privatleben öffentlich zu machen.
Nach der bürgerlichen Revolution von 1848 gründete sie, die auch als „deutsche George Sand“ bezeichnet wurde, einen politisch-literarischen Salon in Berlin. Er zählte zwischen 1850 und 1860 zu den dreizehn großen Berliner Salons, in denen Menschen verkehrten, die den liberalen bis demokratischen politischen Tendenzen zugeneigt waren. Das Ehepaar Lewald-Stahr fühlte sich „nach anfänglichem Zögern zu den von Bismarck [siehe Bismarckstraße] eingenommenen Nationalliberalen“ 4) hingezogen, schreibt Krimhild Stöver.
Fanny Lewald verkehrte u. a. mit Heinrich Heine (siehe: Heinrich-Heine-Straße und Heinrich-Heine-Weg), Theodor Fontane (siehe: Fontanestraße), Gottfried Keller (siehe: Gottfried-Keller-Straße) und Bettina von Arnim (siehe: Bettinastieg). Sie „glaubt an eine androgyne Menschlichkeit, nach der jede Person streben sollte. In ihrer Fiktion sind die interessantesten Figuren die wandlungsfähigen – Frauen, die eine ungewöhnliche Laufbahn wählen, oder mütterliche Männer“. 5)
1863 und 1870 veröffentlichte Fanny Lewald zwei Schriften zur Frauenfrage: „Osterbriefe für die Frauen“ und „Für und wider die Frauen“. In ihnen forderte sie das Recht der Frauen auf Erwerb und bessere Arbeitsbedingungen. Beide Publikationen riefen ein großes Echo hervor.
Obwohl sich Fanny Lewald für die Rechte der Frau einsetzte, tastete sie den männlichen Herrschaftsanspruch nicht an. Im Alter wurde sie politisch konservativer. So meinte sie, in der Monarchie Vorzüge entdecken zu können.