Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Friedrich-List-Straße

Wilstorf (1924): Friedrich List (6.8.1789 (Taufe) Reutlingen -30.11.1846 Kufstein), Ökonom, Eisenbahn-Pionier. Vorkämpfer für den Deutschen Zollverein und das Eisenbahnwesen, Freimaurer, Inhaber des ersten deutschen staatswissenschaftlichen Lehrstuhls, Begründer der modernen Volkswirtschaftslehre.


Siehe auch: Sievekinsgallee

„Friedrich List wurde als Sohn des Weißgerbermeisters Johannes List und dessen Ehefrau Maria Magdalena geb. Schäfer (…) geboren. (…). Nachdem Friedrich in seiner Geburtsstadt die Lateinschule besucht hatte, begann er mit 14 Jahren eine Lehre bei seinem Vater. Da er jedoch an einer handwerklichen Tätigkeit nur wenig Interesse zeigte, wechselte er 1805 in den Verwaltungsdienst. Er war in verschiedenen Städten tätig und stieg allmählich zum Steuer- und Güterbuchcommissär (Schreiber der Finanzverwaltung) auf. (…)

Nach einer Verwaltungsprüfung wechselte Friedrich List zum Finanzministerium nach Stuttgart und stieg dort 1816 zum Oberrevisor mit dem Titel eines Rechnungsrates auf. (…),“ 1) heißt es in Wikipedia.

List „führte im Auftrag von König Wilhelm I 1817 die erste Befragung von Auswanderern durch, mit der die Meinungsforschung ihren Anfang nahm und unterbreitete dem König den Vorschlag, an der Landesuniversität in Tübingen eine Staatswirtschaftliche Fakultät zu gründen, die zur ersten kontinuierlich bestehenden Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät in Deutschland wurde. Er wurde dann auf einen der ersten drei Lehrstühle berufen“ 2), schreibt Eugen Wendler auf der Website der List-Gesellschaft e. V..

List war damals 28 Jahre alt, als er 1817 an die Staatswirtschaftliche Fakultät der Universität Tübingen berufen wurde. Im selben Jahr hielt er um die Hand von Karoline Neidhard, geb. Seybold an (27.3.1789 Tübingen – 9.3.1866 München). Diese hatte mit 18 Jahren den Bremer Kaufmann Johann Friedrich Neidhard geheiratet und einen Sohn geboren. Doch schon bald wurde sie Witwe.

In einem Brief vom 8.1.1818 schrieb List an Karoline N.: „Ihr schönes Herz, Ihr rührendes Wesen, Ihre Anspruchslosigkeit, Ihre Zurückgezogenheit haben mich bezaubert. Sie sind mein Ideal einer Hausfrau, ich liebe Sie mit inniger glühender Liebe (…)“. 3) In dem Brief hieß es weiter: „Die Damen der Mode sind Flitterzeug, lockeres Spielzeug; Männer, welche die Heirat nur als Mittel betrachten, um zu Geld zu kommen, oder sich Einfluss zu verschaffen, sind mir verhasst. Ich suche Seelenverwandtschaft und Seelenharmonie, und Sie werden mein leitender Engel sein. Ich werde bereit sein, mein Leben für sie zu geben.“ 4)

Am 19. Februar 1818 heiratete das Paar. Am 10. Dezember 1818 wurde die Tochter Emilie geboren. Sie wurde der Liebling des Vaters und arbeitete ab 1833 für ihn als Sekretärin. Am 23. Februar 1820 kamen der Sohn Oskar, am 1. Juli 1822 die Tochter Elise und am 20. Januar 1829 die Tochter Karoline auf die Welt.

„In der Zeit, in der die Ehe mit Karoline geschlossen wurde, veröffentlichte List seine Überlegungen zur Reform des württembergischen Verwaltungssystems in der kleinen Schrift Die Staatskunde und Staatspraxis Württembergs (1818). Daneben gab er im Geist eines konstitutionellen Liberalismus die Zeitschrift Volksfreund aus Schwaben, ein Vaterlandsblatt für Sitte, Freiheit und Recht heraus. Diese publizistische Tätigkeit machte ihn bei der neuen Regierung verdächtig. List sah sich in einer Eingabe an den König genötigt, sich gegen den Vorwurf zu verteidigen, er vertrete umstürzlerische Lehren.

Im Jahr 1819 reiste List nach Frankfurt und kam dort in Kontakt mit örtlichen Kaufleuten. Unter Lists maßgeblicher Beteiligung wurde dort der Allgemeine Deutsche Handels- und Gewerbeverein gegründet. Dieser Verein, der sich kurze Zeit später in „Verein Deutscher Kaufleute und Fabrikanten“ umbenannte, gilt als der erste deutsche Unternehmerverband der Neuzeit.“ 5)

Auf der Website der List-Gesellschaft e. V. heißt es weiter: „Wegen dieses nicht vom König erteilten, bzw. gebilligten Auftrages, wurde er gezwungen, seine Lehrkanzel aufzugeben. Er kämpfte zwei Jahre lang als Konsulent für die wirtschaftspolitischen Forderungen des Vereins, wurde dann als Abgeordneter in den württembergischen Landtag gewählt, kritisierte in einem scharf formulierten Flugblatt die Missstände in der württembergischen Verwaltung, Justiz und Finanzwirtschaft.“ 6)

List übte starke Kritik an der Bürokratisierung. „Die Schreiberherrschaft sei eine ‚vom Volk ausgeschiedene, über das ganze Land ausgegossene und in den Ministerien konzentrierende Beamtenwelt, unbekannt mit den Bedürfnissen des Volkes und den Verhältnissen des bürgerlichen Lebens, … jeder Einwirkung des Bürgers, gleich als wäre sie staatsgefährlich, entgegenkämpfend.‘

Dem wollte List eine Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung entgegensetzen. Dazu gehörten unter anderem die freie Wahl zu den Gemeindeämtern und die selbstständige kommunale Gerichtsbarkeit. Noch bevor die Schrift verbreitet werden konnte, beschlagnahmte sie die Polizei. (…)“ 7)

List wurde „aus dem Parlament ausgeschlossen und zu einer zehnmonatigen Festungshaft verurteilt. Er floh zunächst ins Elsass und in die Schweiz, kehrte nach zwei Jahren freiwillig nach Württemberg zurück und verbüßte zwei Drittel der Haftstrafe auf dem Hohenasperg, dem württembergischen Staatsgefängnis, (…).“ 8)

„Gegen das Versprechen, nach Amerika auszuwandern und auf die württ. Staatsbürgerschaft zu verzichten, erhielt er am 22.1.1825 einen Paß zur Ausreise. Am 26.4. reiste L. mit seiner Frau und zwei Kindern von Le Havre nach New York ab.“ 9)

In Amerika arbeitete List „als Journalist und entdeckte in Pennsylvania ein großes Steinkohlevorkommen, zu dessen Abbau er eine der ersten drei Eisenbahnlinien in der Neuen Welt initiierte; eine 22 Meilen lange Strecke, die im November 1831 fertiggestellt wurde. (…). Außerdem veröffentlichte er in den USA seine erste handelspolitische Schrift, die ‚Outlines of American Political Economy‘. Nachdem List die Wahl des amerikanischen Präsidenten Andrew Jackson unterstützt hatte, wurde er von diesem zum amerikanischen Konsul für das Königreich Sachsen ernannt. In Leipzig gewann er die dortige Bürgerschaft für den Bau der ersten deutschen Ferneisenbahn, der Sächsischen Eisenbahn von Leipzig nach Dresden, ohne jedoch die erhoffte Anstellung zu bekommen.

Deshalb emigrierte er nach Paris, beteiligte sich dort an zwei Preisfragen der Akademie der Wissenschaften, die sich in seinen beiden Schriften ‚Le système naturel d`économie politique‘ (Das natürliche System der politischen Ökonomie) und ‚Le monde marche‘ (Die Welt bewegt sich) niederschlugen, kehrte nach drei Jahren zurück, unterstützte die thüringischen Herzogtümer bei ihren Eisenbahnplänen und wurde dafür von der Universität Jena mit der Verleihung der Ehrendoktorwürde zum Dr. jur. geehrt,“ 10) so Eugen Wendler.

Doch List brauchte mehr. Er benötigte eine Anstellung, denn die Familie plagten Geldsorgen. So bat er um eine Anstellung bei der Bahn. „Stattdessen erhielt er zweimal ein Ehrengeschenk von jeweils 2000 Talern, die er um so dringender benötigte, als in der Folgezeit sein in Amerika festliegendes Vermögen verloren ging. (…).“ 11)

Die finanziellen unsicheren Familienverhältnisse machten auch Karoline List das Leben schwer, ebenso die vielen Umzüge. Bei ihrer Hochzeit hatte Karoline List noch nicht geahnt, „welch ruheloses und nervenaufreibendes Leben ihr damit beschieden war und wie die Charakterzüge ihres Mannes ihr eigenes Schicksal beeinflussen würden. Aber sie folgte ihrem Mann, wohin er auch ging, mit der ihr eigenen, himmlischen Sanftmut (…). In ihrem bewegten Leben musste sie insgesamt 33 Mal in zwei Kontinenten den Wohnsitz wechseln. (…) Angesichts ihrer häuslichen Veranlagung, die im krassen Gegensatz zum ruhelosen Leben ihres Mannes stand, ist es nicht verwunderlich, dass Karoline häufig an Depressionen und physischer Erkrankung gelitten hat (…).“ 12)

Der letzte Umzug ging nach Augsburg. Hier vollendete List „sein ökonomisches Hauptwerk ‚Das nationale System der politischen Ökonomie‘ (…), das ihn national und international berühmt gemacht hat. (…)

In seinen letzten Lebensjahren unternahm Friedrich List noch drei wichtige Reisen nach Belgien, Österreich-Ungarn und England. In London unterbreitete er dem englischen Premierminister Robert Peel und dem Oppositionsführer Lord Palmerston die Idee einer deutsch-englischen Allianz, die allerdings wenig Anklang gefunden hat. Tief verstimmt und körperlich leidend, wollte er sich in Südtirol erholen, kam aber nur bis Kufstein, wo er am 30. November 1846 aus dem Leben geschieden ist.“ 13)

In der Neuen Deutschen Biographie heißt es zum Tode Friedrich List‘: „Von München aus fuhr L. im Herbst 1846 nach Tegernsee und dann nach Kufstein, wo er sich – erschöpft und von unerträglichen Kopfschmerzen geplagt – erschoß. Die Behauptung, er habe sich aus Verzweiflung über das Scheitern seiner Projekte den Tod gegeben, ist nicht zu belegen.“ 14)

Und in Wikipedia steht zu Lists‘ Tod. „Da die Obduktion aber ergab, dass List „mit einem solchen Grade von Schwermut behaftet gewesen sei, welche ein freies Denken und Handeln unmöglich machte“, konnte er trotzdem christlich bestattet werden.“ 15)

Karoline List überlebte ihren Mann um zwanzig Jahre. Als Witwe lebte sie häufig bei einer ihrer Töchter in München und erhielt eine Leibrente vom bayerischen König Ludwig I. als Anerkennung der Verdienste ihres Mannes.

Friedrich List und Kolonisation
Der Historiker Gordon Uhlmann schreibt über Friedrich List: Er war „Verfechter kolonialer Expansion nach Übersee, der 1843 schrieb: ‚Wer an der See keinen Anteil hat, der ist ausgeschlossen von den guten Dingen und Ehren der Welt.‘ Eine Nation ohne Seefahrt und Kriegsflotte sei ein ‚zahnloser Löwe‘". 18)

Auch Andreas Eckert betont in seinem Beitrag „Freihandel als weltpolitisches Instrument“, dass Friedrich List eine koloniale Expansion befürwortete: „„Koloniale Expansion konnte ihm zufolge nützlich sein, indem sie Märkte schaffe, Bezugsquellen für Rohstoffe erschließe und als Ventil für die europäische Auswanderung diene. Koloniale Beziehungen hatten für List den primären Zweck, den Export der einheimischen Erzeugnisse und Industrieprodukte des Westens sowie den Import von Rohstoffen sicherzustellen. Damit skizzierte er im Übrigen ziemlich treffend die kolonialen und nachkolonialen Wirtschaftsbeziehungen, wie sie sich bis zur Gegenwart darstellen.“ 19)

Und Malina Emmerink geht in ihrem Buch „Hamburger Kolonisationspläne 1840-1842“ auf Friedrich Lists auch nationale Motive bei der Befürwortung von deutschen Kolonisationsbestrebungen ein. So schreibt sie: „Auf der Basis einer starken nationalen Ausrichtung, welche die Nation mit einem ausgedehnten Territorium, einer blühenden Wirtschaft und Bildung sowie ausreichender See- und Landmacht als höchstmögliche Einigung von Individuen betrachtet, propagierte List die Gründung deutscher Siedlungskolonien als Absatzmärkte für einheimische Produkte sowie zur Gewinnung von Rohstoffen und Quelle von Kolonialwaren. (…) Zudem sah er koloniale Territorien auch als mögliche Absatzmärkte für europäischen Kulturexport im Rahmen einer zivilisatorischen Mission an. Hier artikulierten sich zeitgenössische eurozentrische, andere Bevölkerungsgruppen bevormundende Tendenzen.“ 20)

Die Töchter Emilie (10.12.1818 Tübingen – 14.12.1902 München) und Elise List, verh. Pacher von Theinburg (1.7.1822 Stuttgart – 4.1.1893 München)
„List war seit seinem Leipziger Aufenthalt 1833 auch mit Robert Schumann [Schumannstraße] befreundet. Schumann notierte dazu in seinem Tagebuch: die Familie List sei ‚eine abenteuerliche Familie, für Maler und Schriftsteller gleich interessant.‘ Die Verbindung von List zu den Musikern wurde vor allem über seine Töchter Elise und Emilie List vermittelt. Elise war eine gute Sängerin und trat im Leipziger Gewandhaus unter dem damaligen Dirigenten Felix Mendelssohn Bartholdy [Mendelssohnstraße] auf. Sie plante eine Konzertreise mit Franz Liszt [Lisztstraße], die aber nicht zustande kam. Emilie wurde im Sommer 1833 die beste Freundin von Clara Schumann [Schumannstraße]. Diese Freundschaft hielt ein Leben lang, wie den Briefen von Clara an Emilie und Elise zu entnehmen ist.“ 21)

Emilie war diejenige Tochter, die sich für die Familie aufopferte. Sie hatte Französisch in einem Pariser Internat erlernt und der Musikerin Clara Schumann Englischstunden gegeben, woraus sich eine enge Freundschaft zwischen den beiden Frauen entwickelte.

„Als Clara Wieck 1839 allein nach Paris kam, wurde sie von der Familie List [die damals dort lebte] herzlich aufgenommen, und die Freundschaft zu Emilie vertiefte sich. Friedrich List machte Clara mit Heinrich Heine bekannt und beriet sie in Fragen des von Robert angestrengten Prozesses gegen Friedrich Wieck, um die Heiratserlaubnis zu erlangen. (…). Emilie wirkte einige Jahre als Erzieherin in Bad Kreuznach und Frankfurt am Main und zog nach dem Tod des Vaters nach München, wo sie sich um ihre Mutter und ihre Geschwister kümmerte. Sie war sehr energisch und zielstrebig, interessierte sich zeitlebens für Wirtschaft und Politik und bemühte sich um die Anerkennung der Leistungen ihres Vaters. (…).“ 22)

Elise List war Sängerin- ausgebildet in Paris erhielt sie „im Herbst 1840 (…) ein Engagement am Leipziger Gewandhaus, trat jedoch nur vier Mal auf, da der Erfolg nicht groß genug war. Im Februar 1841 ging Friedrich List mit ihr nach Mailand, aber ihre Angst und Aufregung vor dem Konzert waren so groß, daß der Traum einer erfolgreichen Konzertkarriere begraben werden mußte. Elise war unfähig, ihr Lampenfieber zu bekämpfen. Im Winter 1842/43 wurde ein allerletzter Versuch in Berlin unternommen, aber auch dort war der Erfolg nur mäßig.“ 23)

Elise soll von besonderer Schönheit gewesen sein, und so wurde sie 1843 von Joseph Karl Stieler „für die sogenannte Schönheitengalerie von König Ludwig I. in Schloß Nymphenburg“ 24) gemalt. Mit 23 Jahren heiratete sie den 14 Jahre älteren österreichischen Fabrikanten Gustav Moriz Pacher von Theinburg. „Sie kümmerte sich um seine beiden Söhne aus erster Ehe und fand trotz ihrer Scheu Zugang zur Wiener Gesellschaft. Ihre erste Tochter starb nach vier Tagen, 1847 und 1848 wurden die Kinder Fritz und Hedwig geboren, 1852 Cäcilie Karoline Katharina, genannt Cilla. Bereits 1853 starb Elises Mann an Typhus, und sie zog mit ihren Kindern nach München. Dort baute sie sich einen illustren Freundeskreis auf, (…). Sie fand auch wieder Zugang zur Musik, wurde Mitglied des neugegründeten Oratorienvereins und gründete selbst einen kleinen Chor, den Joseph Rheinberger leitete.“ 25)

Nach dem Tod ihrer neunjährigen Tochter Cilla – sie verstarb an Scharlach – litt Elise an Depressionen, „und Emilie mußte sie 1865 in eine Klinik einweisen lassen. In den folgenden Jahren unternahm Emilie mit ihrer Schwester viele Erholungs- und Kuraufenthalte, doch die Depression konnte nicht geheilt oder gebessert werden. Ab 1879 folgte eine ununterbrochene Erkrankung, die sich erst 1891 plötzlich besserte. Doch schon 1893 starb Elise an einer Lungenentzündung. (…).“ 26)