Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Hans-Hinnik-Weg

Finkenwerder (1941), nach einer Erzählung von Gorch Fock.


Der Weg wurde in der Zeit des Nationalsozialismus benannt. Der Schriftsteller Gorch Fock (Johann Kinau) wurde von den Nationalsozialisten instrumentalisiert. Siehe zu ihm: Gorch-Fock-Wall und Gorch-Fock-Straße.

Die Erzählung „Hans Hinnik“ ist eine tragische Geschichte eines Mannes, der alles wagte – doch nichts gewann und spielt in Finkenwerder. Schon als kleiner Junge war Hans Hinnik anders als die anderen Jungen, ein wenig seltsam: „ein Mensch für sich, eigenartig und wunderlich schon in jungen Jahren“.1)

Respekt und Anerkennung verschafft er sich bei den anderen Kindern, indem er mutig alles wagte und niemals verzagte, auch wenn sein mutiges Handeln ihm viele Blessuren einbrachte. So sprang er über breite Gräben, um ans andere Ufer zu kommen – und fiel dabei tief hinein. „Seine Hasenjagd auf der Wisch, sein Storchangeln auf dem Fall, der Ochsenritt auf dem Westerdeich, die Binsenschiffahrt nach Nienstedt hinüber, - alles endet bös, aber als ein herzhafter Junge leuchtete er vor uns allen“, 2) gibt der Ich-Erzähler der Geschichte zum Besten.
Im Zentrum der Erzählung steht das Werben um eine junge Frau: Guste Mewes, das schönste und begehrenswerteste Finkenwerder Mädchen, hat sich noch für keinen jungen Mann entschieden, aber alle wissen, dass sie nur einen Kutterschiffer mit eigenem Kutter zum Mann nehmen wird. „Ihre festen Tänzer, junge Kutterschiffer, waren ihr gewiß. Unter einem Kutter und unter einem Schiffer tat sie es nicht, und die bevorzugten Fünf oder Sechs sorgten auch schon selbst hinlänglich dafür, daß kein Knecht oder gar ein dreister Koch an sie kam.“ 3).

Nachdem Hans Hinnik sich einen, zwar alten, aber immerhin eigenen Kutter gekauft hat, geht er auf Anraten seiner Mutter zu einem Tanzabend in die Finkenwerder Schenke, um sich als Schiffer zu zeigen. Die anwesenden Männer erwarten, dass Hans Hinnik „een utgeben up dien nee Schipp“, 4) Doch er „nahm sich vor, ihnen einmal etwas vorzutanzen. Sein Blick überflog die bunte Reihe der Mädchen und blieb an Guste Mewes hängen, der besten Deern. Er hatte noch niemals mit ihr getanzt (…), aber heute, wo er Reeder und Schiffer geworden war, wollte er einmal mit ihr tanzen.“ 5) Doch Guste ziert sich. Sie tut so, als ob sie ihn nicht wahrgenommen hat. „Etwas scheu, aber auch trotzig, nickte er ihr zu, mitzutanzen; aber sie tat, als sähe sie ihn nicht und winkte Jan Greun heran, (…). Jan stand auch sofort auf und kam heran. Als ob nichts geschehen sei, nahm Guste dessen Arm und trat mit ihm vor. Hans Hinnik stand da wie ein Narr und begriff das Spiel, das mit ihm getrieben wurde. Heftig fasste er Guste an: ‚Wullt du nich mit mit danzen?‘ fragte er laut, daß es der halbe Saal hören konnte, ‚Jan is eher kommen‘, gab Guste scharf zur Antwort. ‚Dat is nich wohr, Guste‘, schrie Hans Hinnik erregt, aber Jan schob ihn nachdrücklich an die Seite, lachte breit und laut und sagte mit gutmütigem Spott: ‚Danz du man mit dien Zegenbück!‘“ 6) Daraufhin kommt es zwischen Jan und Hans Hinnik zu einer Prügelei, in der Hans Hinnik unterliegt. Als der riesige und kraftstrotzende Jan Hans Hinnik zu Boden bringt: „trat (…) Guste Mewes dazwischen. Sie (…) beugte sich zu Jan nieder: ‚Lot em los, Jan,‘ bat sie dringend. (…) Da stand Jan auf, wieder Herr über sich, und drückte Guste die Hand. (…) Hans Hinnik aber schlich gesenkten Hauptes hinaus (…) Er wußte nicht, wer im Saal für ihn eingetreten war, und daß sein Heldentum unter den Junggästen zu neuen Ehren gekommen war; daß sie wieder anfingen, seinen Mut zu rühmen, das wußte er auch nicht. Er glaubte, sie lachten nun alle über ihn, und kroch beschämt in seine Koje.“7)

Am nächsten Tag sticht Guste mit ihrem Vater und Bruder zum Fischen in See. Auch andere Fischer fahren mit ihren Booten hinaus, darunter auch Hans Hinnik mit seinem alten Kutter. Als die Fischer den alten Kahn, der schon lange keine Farbe und keinen Teer mehr gesehen hatte, mit seinen geflickten Segeln gewahr werden, müssen sie lachen. „Der alte Ornd aber lachte nicht mit. ‚Dat is Hans Hinnik,‘ sagte er ernst und bedeutsam. ‚Hans Hinnik?‘ fragte Guste, und auch sie konnte nicht lachen. Wohl sah der Ewer ärmlich und erbärmlich aus, aber zum Lachen war das nicht. ‚Jo‘, sagte Orndt, ‚den Eber hett he sik ihrgüstern van Blankenese köst.‘

Da erschrak Guste heftig, denn nun wußte sie mit einem Male, warum Hans Hinnik sie gestern abend zum Tanz aufgefordert hatte. Vorher hatte sie gemeint, der Grog sei ihm zu Kopf gestiegen gewesen.“ 8)

Als das Schiff ihres Vaters und Hans Hinniks Schiff sich begegnen und Guste und Hans Hinnik sich gewahr werden: „blickte Hans Hinnik nach dem Kutter hinüber und sah Guste an. Groß und fragend, als sähe er sie zum erstenmal, und als wunderte er sich über sie. Und sie blickte nicht zur Seite: ruhig und groß erwiderte sie seinen Blick. Das war ein Augenblick der Herzen. Gustes Augen baten: vergib! Er verstand es, und seine Augen leuchteten auf (…).“ 9)
Doch es kommt nicht zu einem Happy End. Als die Fischer drei Tage lang vor Wangerooge fischen, hält Guste immer wieder Ausschau nach dem alten Kutter von Hans Hinnik. Doch sie kann ihn nicht erblicken. Als Sturm und Gewitter aufkommt, wird sie unruhig. Endlich entdeckt sie den Ewer. „Als Guste durch das Nachtglas guckte, erkannte sie deutlich und mit großer Freude, daß es Hans Hinnik war. Er lebte, lebte!

Hans Hinnik! Da, - wenn die Blitze leuchteten und See und Schiff wie mit Geisterhänden in die Höhe hoben, dann erkannte sie ihn.“ 10)

In der Nacht beginnt plötzlich ein Schiff – vom Blitz getroffen - zu brennen. Niemand wollte und konnte bei diesem Gewitter dem Schiff und seiner Besatzung zu Hilfe eilen. Doch Hans Hinnik tat es. Guste schrie: „‘Hans Hinnik! Hans Hinnik! Bliew hier! Bliew hier!‘ Er hörte es aber nur halb und nahm es für einen Gruß. (…) Der Ewer ging in der Nacht aus den Augen, und der rote Feuerschein schien allmählich zu verlöschen.“ 11) Hans Hinnik blieb mit seinem Kutter verschollen „Hans Hinnik hat sich aus jener Gewitternacht nicht wieder an den sonnigen Tag gegeben. Seine Segel waren zu mürbe gewesen, und seine Planken hatten den anprallenden Seen nicht standhalten können: so konnte er es mit dem schweren Sturm wohl aufnehmen, aber er mußte ihm unterliegen.

Und auf seiner letzten Fahrt war ihm eine Rose erblüht.

Er aber wußte nichts von ihrem Duft, … der wunderliche Mensch, der alles wagte und nichts gewann.“ 12)