Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Hans-Much-Weg

Eppendorf (1938): Prof. Dr. med. Hans Much (24.3.1880 Zechlin – 28.11.1932 Hamburg), Leiter des Tuberkulose-Instituts, Schriftsteller.


Siehe auch: Lenhartzstraße

1938 benannten die Nationalsozialisten die in Eppendorf gelegene und 1929 benannte Unnastraße wegen Gerson Unnas jüdischer Herkunft in Hans-Much-Weg um. (vgl.: Staatsarchiv Hamburg, Registratur Staatsarchiv AZ. 1521-1/5 Band 3-5: Straßennamen (neue Kartei), alphabetisch geordnet mit Hinweisen).

Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus erfolgte keine Rückbenennung der Verkehrsfläche in Unnastraße, sondern es verblieb bei Hans-Much-Weg und eine andere Verkehrsfläche in Hamburg-Eimsbüttel wurde nach Unna benannt (siehe: Unnastraße).

Hans Much war der Sohn von Martha Much, geborene Lindner und des Pfarrers Karl Much. Seine Mutter starb bei der Geburt des zweiten Kindes: Hans Much war damals 2 ½ Jahre alt. Der Vater heiratete erneut. Rainer Wirtz schreibt in seiner Abhandlung über Hans Much dazu: „Das Verhältnis der Stiefmutter zu ihrem Sohn war allem Anschein nach von grenzenloser Bewunderung geprägt; sie betete den Sohn an, ‚wie er es später in immer stärkerem Maße von allen verlangte‘.“ 1)

1898 begann Much in Marburg Medizin zu studieren. Dabei widmete er sich in den ersten Semestern mehr dem Korpsleben und wechselte später zu verschiedenen Universitäten. 1903 promovierte er an der Würzburger Universität.

Much hielt sich schon seit seiner Jugendzeit für besonders begabt und war von sich selbst sehr überzeugt. So schrieb er über den Beginn seines Studiums: „gewohnt, die erste Flöte zu spielen, geistig gerüstet, verließ ich Ostern 1896 das Gymnasium.“ 2)

Während des Studiums kamen ihm: „Zweifel, ob denn das, was ich da hörte und trieb, wirklich eine Wissenschaft sei …. So sehr mir alles Technische gefiel, als Wissenschaft konnte ich es nicht ansprechen. Und auf irgendeine tiefere Frage des Lebens entweder trostloses Schweigen oder verlegene Ausflüchte oder hoffärtige, wenn nicht verlogene Glaubensartikel.“ 3)

Schon in dieser Zeit zeigte sich Muchs Hinwendung zum „Philosophischen“. Damit „erwies er sich als Vertreter einer Denkrichtung, die auch als Reaktion gegen die einseitige ‚exakte‘ naturwissenschaftliche Ära zu verstehen ist. Innerhalb dieser ‚Gegenbewegung‘ entwickelte sich in den zwanziger und dreißiger Jahren (…) eine lebhafte medizintheoretische Diskussion. (…) Themen waren die Stellung der Medizin zwischen Mechanismus und Vitalismus, die Anwendbarkeit des Wissenschaftsbegriffs auf die Heilkunde, die Bedeutung von Philosophie und Geisteswissenschaften für das ärztliche Handeln. (…)

Mit seinem wichtigsten medizintheoretischen Werk ‚Das Wesen der Heilkunde‘ vertrat Much den Anspruch Grundlagen für eine Philosophie der Medizin gelegt zu haben (…).“ 4)

Zurück zu Muchs weiterem beruflichen Lebensweg. 1903 wurde er Assistent von Emil von Behring [siehe: Behringstraße] am Institut für Hygiene an der Universität Marburg und 1905 dort Abteilungsvorsteher. Für Much war das Forschungsgebiet Behrings prägend: die Tuberkuloseimmunität.

1907 kam Much nach Hamburg. Der ärztliche Direktor des Eppendorfer Krankenhauses, Hermann Lenhartz (1853-1910) [siehe: Lenhartzstraße], hatte Much „zum Leiter der dort neu eingerichteten Abteilung für Serologie und experimentelle Therapie berufen“. 5)

1912 heiratete Much Lenhartzs Tochter Maria (1884- 1969). Zwei Jahre zuvor war Lenhartz gestorben.
„1913 übernahm Much die Leitung des Instituts für Tuberkuloseforschung in Hamburg. Im Zuge seiner Tätigkeit unternahm Much 1913/14 Forschungsreisen nach Jerusalem und Kleinasien. Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurde er in Ägypten interniert. Nach seiner Freilassung war er im Militärsanitätsdienst tätig.“ 6)

In dieser Zeit wurde 1915 Muchs einziges Kind, Waldburg, geboren.

Als Much aus dem Krieg zurückkehrte, begann er wieder wissenschaftlich zu arbeiten: „Von dem unglücklichen Ausgang des Krieges erhoffte ich eine innere, geistige Wiedergeburt des deutschen Volkes und gab mich trotz der Krankheit einer fieberhaften Tätigkeit in Vorträgen über Wissenschaft, Heimatkultur und niederdeutsches Wesen hin. Meine literarische Tätigkeit erreichte der Menge nach ihren Höhepunkt.“ 7)

Hans Much war schon seit seiner Jugend schriftstellerisch tätig gewesen. Er war Mitglied des Pen-Clubs, zeitweise sogar sein Vorsitzender. Er verfasste plattdeutsche Gedichte, schrieb Bücher über norddeutsche Backsteingotik und Heimatkunst sowie über Buddhismus und Islam.

Rainer Wirtz schreibt über Muchs weiteren beruflichen Werdegang: „Im Jahre 1919, mit der Gründung der Universität Hamburg, wurde das Institut für experimentelle Therapie [dessen Leiter Much zuvor gewesen war] Universitätsinstitut; man unterstellte es dem anatomischen Institut. Much erhielt in diesem Jahr auch seine Ernennung zum außerordentlichen Professor für Serologie.“ 8) Einen ordentlichen Lehrstuhl erhielt er nicht, worüber Much sehr enttäuscht war. 9)

Much ging viel auf Vortragsreisen. „Fast überall wurde er voll Ehrerbietung begrüßt. Letzteres wird Much sehr genossen haben, vor allem weil ihm, besonders in den letzten Jahren, in seiner Heimat eine solche ungeteilte Bewunderung nicht mehr entgegengebracht wurde. Hier ‚ging man vielfach dazu über, alle Arbeiten und Entdeckungen Muchs zu kritisieren und abzulehnen.‘ (…). ‚Es war Muchs Fehler, jede Kritik von anderer Seite abzulehnen. Es gab wohl wenige so universalbegabte und geniale Mediziner wie ihn, wohl aber kluge, gewissenhafte, eisern fleißige Männer in der Medizin, die sorgfältig die Muchschen Arbeiten nachprüfen konnten und – mußten. Denn manchmal fehlte es Much an Ausdauer. Voll von Problemen, mit denen er einen großen Stab begabter Männer hätte beschäftigen können, drang er auf schnelle Erledigung, und dabei kam nicht selten die Gründlichkeit zu kurz. Auch das Hinwegsetzen über bereits erschienene Literatur war unzulässig; So mußte Much viel berechtigten Widerspruch erfahren, den er hätte vermeiden können. (…).‘ Hinzu kommt, daß Much dadurch, daß er sich für die Homöopathie und andere, von der Schulmedizin nicht anerkannte Heilverfahren in kämpferischer Weise einsetzte und die seiner Meinung nach arrogante Überheblichkeit, mit der sich die Schulmedizin diesen Dingen verschließt, immer wieder attachierte, zusätzlich sich keine Freunde innerhalb der offiziellen Medizin schaffte.“ 10)

In der Neuen Deutschen Biographie heißt es über Much u. a. : „ Als 1930 in Lübeck nach einer TBC-Schutzimpfung mehr als 70 Kinder starben, kritisierte M. in massiver Form den BCG-Impfstoff des franz. Bakteriologen Albert Calmette und vertrat diese Haltung auch als Sachverständiger in einem Gerichtsverfahren (‚Calmette-Prozeß‘). Es stellte sich jedoch heraus, daß ein Laborfehler die Ursache des Unglücks war, und M. geriet durch seine Stellungnahmen ins Abseits. Die Bedeutung seiner Leistungen auf dem Gebiet der Immunologie sowie seines medizinphilosophischen Werks wird in der neueren Fachliteratur eher zurückhaltend beurteilt.“11)

Hans Much war von Morphium abhängig. Zuerst hatte er die Droge gegen die Schmerzen, die seine, während des Ersten Weltkriegs ausgebrochene, rheumatische Erkrankung verursachte, eingenommen. Doch schon bald konnte er auf das Morphium nicht mehr verzichten. Dazu zitiert Rainer Wirtz Hermann Lenhartz, der eine biographische Skizze über Much verfasst hat: „‘Wochenlang konnte er nur im Stuhle sitzend die Nacht zubringen und bekam endlich zur Linderung de Schmerzen Morphium, dessen selige-unselige Wirkung er verspürte und von da ab nicht mehr missen konnte. Bei seiner Einstellung brauchte er Betäubung zur Arbeit, zum Vergessen, zur innerlichen Schau.‘ So mag die Bedeutung des Morphiums für Much auch darin gelegen haben, die, vor allem in der letzten Zeit seines Lebens, immer stärker zunehmende und höchstwahrscheinlich auch von ihm selbst wahrgenommene Divergenz von Selbstbild (‚Ich glaube einer der modernsten Mediziner zu sein …‘) und Wirklichkeit betäubend vergessen zu machen. (…) und je mehr Selbstbild und Wirklichkeit voneinander abwichen, desto grotesker wurde Muchs Selbstüberhöhung. ‚Sie (Muchs Gattin, der Verf.) mußte auf Reisen und in Hamburg die oft bis an die Grenzen des Erträglichen gehende, ja oft unerträgliche Selbstüberschätzung dämpfen‘“. 12)

„Hans Much war Miteigentümer der 1932 nach ihm benannten Prof. Dr. Much’sche Präparate AG. Chem. Pharmazeut. Erzeugnisse (später: Prof. Dr. med. Much AG), ein pharmazeutisches Unternehmen, das die Arzneimittelmarke Spalt-Tablette auf den Markt brachte.“ 13)