Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Heinrich-Helbing-Straße

Bramfeld (1945): Heinrich Helbing (23.1.1833 Stormarn -10.10.1886 Wandsbek), Chemiker, Unternehmer, Besitzer der Brennerei „Helbingkümmel“, besaß hier Land. Er verdiente am Branntweinexport nach Afrika.


Siehe auch: Helbingtwiete
Siehe auch: Helbingstraße

Diese Verkehrsfläche hieß vor 1933 schon Heinrich-Helbing-Straße und wurde in der NS-Zeit in Horst-Wessel-Straße umbenannt. Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus wurde die Straße 1945 rückbenannt in Heinrich-Helbing-Straße. (vgl: Staatsarchiv Hamburg 131-14, III 2 Bd. 2. Verbindungsstelle zur Militärregierung III 2 Band 2. Briefe des Bürgermeisters an die Militärregierung, Kopien für das Bürgermeisteramt 18.8.1945 – 19.9.1945: Der Bürgermeister der Hansestadt Hamburg 18.9.1945 an die Militärregierung. Subject: Rückbenennung vorheriger Straßennamen, die von den Nationalsozialisten benannt wurden.)

Heinrich Helbing war der Sohn von Anna Catharina Helbing, geb. Hinsch und von Johann Peter Hinrich Helbing. 1863 heiratete Heinrich Helbing im Alter von 30 Jahren die damals 18-jährige Sophie Agneta „Neta“ Margaretha Holst (4.12.1846 Trittau – 5.10.1927 Wandsbek). Das Paar bekam 13 Kinder, von denen ca. drei Kinder im Kleinkindalter verstarben). (Geburten u. a.: 1866, 1867, 1869, 1870, 1872, 1873, 1876, 1878, 1880, 1881.)
Über das Helbingsche Unternehmen schreibt Georg-Wilhelm Röpke: „Größter Betrieb bis zur Jahrhundertwende war [in Wandsbek] die Kornbrennerei von Helbing. Sie beschäftigte bis zu 500 Arbeiter. Firmengründer war 1836 Johann Peter Hinrich Helbing mit einer Kornbrennerei in der Mühle am Holzmühlenteich. Sein Großvater Samuel Ernst war von Heinrich Carl Schimmelmann [siehe: Schimmelmannstraße] aus Dresden nach Wandsbek gerufen worden. Er hatte zuerst die Gutsbrauerei in Erbpacht erhalten und 1789 die Brauerei an der Hopfenkarre gekauft. Sein Urenkel Heinrich übernahm vom Vater 1861 den kleinen Brennereibetrieb in der Holzmühle. Er brachte die Firma Heinrich Helbing zur Blüte, so dass bald mehrere hundert Arbeiter bei Helbing tätig waren. 1881 erwarb er auf Bramfelder Gebiet nördlich der Osterbek, dem Grenzbach zwischen Bramfeld und Wandsbek, ein über 100 ha großes Landstück mit vielen nassen, sumpfigen Flächen. Er kultivierte das Gebiet und legte den nach seiner Frau benannten Sophienhof an. Dieser diente vorwiegend der Milchwirtschaft und wurde mit Abfällen aus der Produktion der Wandsbeker Fabrik gedüngt, die auch die Herstellung von Preßhefe übernommen hatte. 1886 feierte Heinrich Helbing, der auch Stadtverordneter war, sein 25jähriges Geschäftsjubiläum mit den 400 Betriebsangehörigen in Reisners Hotel [siehe: Reisners Kamp]. (…)
Helbings Erben kauften 1889 den auf Hinschenfelder Gebiet gelegenen Lomerhof [siehe: Lomerstraße] (…) und vereinigten ihn mit dem Sophienhof zum Helbinghof. Zeitweise lieferten über 100 Kühe Milch für die Hamburger Milchläden und über 150 Ochsen und Bullen wurden gemästet. Da Heinrich Helbing ohne testamentarische Regelung verstorben war, schieden die Familienmitglieder aus der unfirmierten Firma Dampfkornbrennerei und Preßhefefabriken AG (vorm. Heinrich Helbung) 1899 aus. (…) Der Helbinghof löste sich 1910 auf. Einen Teil der Ländereien übernahm die Gartenstadt Hamburg für ihre Siedlungszwecke. Das Gebiet des früheren Lomerhofes kaufte die Stadt Wandsbek auf, die auch den Restbesitz, der vorübergehend in Privathand war, 1921 ankaufte und hier vorwiegend Kleingärten anlegte.“ 1)
„1927 wurde die Heinrich Helbing GmbH Tochtergesellschaft der Norddeutschen Hefeindustrie AG, aus der sich die ‚Deutsche Hefewerke GmbH‘ – einer der größten Hefehersteller des Kontinents – entwickelte.“ 2) Auch heute gibt es noch den Helbing Kümmel Schnaps.
Die Helbingwerke werden auch in Bezug zum Kolonialismus gesehen. Siehe dazu unter:

Koloniale Spuren im öffentlichen Straßenraum www.google.com/maps/d/viewer?mid=19ofi7hSFkKY0Ixjar9GjarxBgyg&hl=de&ll=53.623809000000016%2C10.029569000000038&z=11.

Siehe zum Thema Kolonialismus und Firma Helbing unter: www.afrika-hamburg.de/globalplayers2.html

Schnaps, wie z. B. der von der Firma Helbing gebrannte Kornschnaps, wurde nach Afrika exportiert, was z. B. durch die Firma Woermann geschah (siehe zu Woermann unter: Cornelius-Fredericks-Stieg).

„Kritik an den Branntweinexporten kam von Missionaren, die die verheerende Alkoholsucht weiter Teile der afrikanischen Bevölkerung anprangerten. Im Staatsdienst angestellte Togolesenn und Kameruner wurden mit Branntwein bezahlt, bei Gericht war es üblich, Strafen mit Schnaps abzugelten. Auf den Schiffen und Plantagen Woermanns wurde ein Teil des Lohns in Branntwein ausgezahlt.

Selbst Gustav Nachtigal, der als Reichskommissar in Westafrika 1884 Togo annektierte, griff die Kaufmannschaft an: ‚Was soll ich aber an dieser Westküste...? Die Hamburger Schnapsinteressen stärken? Damit ist wenig Ehre zu holen.‘ Und der sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete August Bebel kritisierte: ‚Die Besitzer des Feuerwassers benutzen das als Lockmittel, sie (die AfrikanerInnen) dazu zu bringen, für sie zu arbeiten, sich an sie zu verkaufen und in jeder Weise sich von ihnen ausbeuten zu lassen.‘ (…)

Die Alkoholeinfuhren nach Afrika wurden trotz der Kritik staatlich subventioniert und konnten unkontrolliert passieren. In und um Hamburg existierten zahlreiche Schnapsbrennereien (u.a. Harder & de Voss, Heinrich Helbing, J.F. Nagel), und selbst Bismarck besaß solcher vier. Der Billigfusel, bestehend aus verwässertem Rohspiritus mit einigen Zugaben und bunten Etiketten, wurde in Hamburg spottend 'N*****tod' benannt.“ 3)

Das Familienunternehmen Matthiesen, das 1974 die Firma Heinrich Helbing übernahm, ließ die Verstrickung der Firma mit dem Kolonialismus aufarbeiten und hat die Ergebnisse auf ihre Website gestellt. Daraus soll im Folgenden zitiert werden: „Es ist davon auszugehen, dass Helbing Spirituosen in die Kolonien exportiert hat. Im Jahr 1884 betrug der Export von Hamburger Spirituosen nach Afrika 66 Prozent. Welche Mengen von Spirituosen der Firma Helbing nach Afrika gingen und welchen Umsatz die Firma aus diesem Handel schöpfen konnte, lassen sich aufgrund fehlender eindeutiger Quellen nicht beziffern. Es lässt sich jedoch mit Sicherheit sagen, dass die Firma Helbing wie auch andere Akteure von der kolonialen Ausbeutungsstruktur profitierte, die von staatlichen und wirtschaftlichen Institutionen geprägt waren und von der Gesellschaft weitestgehend akzeptiert wurden. Grundsätzlich stellte der Export von Spirituosen (vorrangig ‚Branntwein‘) in die deutschen Kolonien einen bedeutenden Geschäftszweig für Spirituosenhersteller in Hamburg und Bremen dar. Kritik an dem Export von Spirituosen gab es von Zeitgenossen vor allem aus Missionarskreise, die sich in ihrem Widerstand jedoch ebenfalls Elemente eines rassistischen Menschenbildes bedienten. Zusammenhänge zu weiteren wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aktivitäten der Firma und Familie Helbing, die mit dem Kolonialismus in Verbindung stehen, lassen sich aufgrund der dünnen Quellenlage nicht erkennen.“ 4)