Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Heinrich-Hertz-Straße

Uhlenhorst (1945): Heinrich Hertz (22.2.1857 Hamburg – 1.1.1894 Bonn), Physiker, Erfinder der Hertzschen Wellen.


Siehe auch: Helmholtzstraße

Bereits 1899 wurde diese Straße nach Heinrich-Hertz benannt. Davor hieß sie Bleicherstraße. Weil Heinrich Hertz jüdischer Herkunft war, benannten die Nationalsozialisten die Straße in Leipziger Straße um. Seit Oktober 1945 heißt die Straße wieder Heinrich-Hertz-Straße. Registratur Staatsarchiv Az. 1520-3/0. Antwort auf Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Prosch (CDU), Straßen mit Namen jüdischer Bürger, Bürgerschaftsdrucksache 11/2389 vom 7.5.1984.)

1171 Heinrich Hertz
Heinrich Rudolf Hertz, Fotografie ca 1890; Quelle: via Wikimedia Commons

Nach Informationen aus dem „Bericht über Umbenennungen von Straßennamen in Hamburg seit 1918“, Stand März 1987 des Staatsarchives, soll die Umbenennung in der NS-Zeit „erhebliche Probleme bereitet haben. Bereits im Jahre 1934 hatte Bürgermeister Krogmann die Umbenennung dieser (…) Straße verhindert. Es ist anzunehmen, daß im Jahre 1938 die zuständigen unteren Instanzen auch bei Karl Kaufmann interveniert haben, um eine Umbenennung zu verhindern. Kaufmann leitete dieses Anliegen in einem Schreiben an das Reichsministerium des Innern weiter und bat indirekt um die Beibehaltung der Heinrich-Hertz-Straße. Er teilte ferner seine Absicht mit, die sogenannten ‚jüdischen Straßennamen‘ erst mit den geplanten anderen Umbenennungen im Rahmen des Groß-Hamburg-Gesetzes in Kraft treten zu lassen.

In einem im scharfen Ton verfaßten Schreiben ersuchte das Reichsministerium Karl Kaufmann, alle in Frage kommenden Namen dieses Personenkreises ohne Rücksicht auf Verdienste der Betroffenen sofort umzubenennen und bis zum 1. November 1938 dem Reichsminister Bericht zu erstatten. Daraufhin beschloß der Senat, die betroffenen Straßen in einer Sonderaktion umzubenennen, darunter auch die Heinrich-Hertz-Straße.“ (S. 11. des Berichtes über Umbenennungen von Straßennamen....)

Auch der damalige Direktor des Hamburger Staatsarchives, Heinrich Reincke, der in der NS-Zeit Menschen jüdischer Herkunft denunziert hatte und nach dem und seinem Vater 1975 der Reinckeweg benannt wurde (siehe: Reinckeweg), wollte eine Umbenennung der Heinrich Hertz-Straße verhindern. In seinem Vermerk zum Thema „Straßenbezeichnungen, hinsichtlich deren eine besondere Entscheidung des Herrn Reichstatthalters erbeten wird, ob eine Namensänderung erfolgen soll“ argumentierte er folgendermaßen: „Professor Heinrich Hertz, der berühmte Physiker, 1857-1894, Mischling ersten Grades, Vater Senator Dr. Gustav Hertz (Volljude), Mutter aus arischer Arztfamilie. Vorschlag: Keine Änderung. Das Reichsinstitut für die Geschichte des neuen Deutschlands, Abteilung Judenfrage, hat in einem offiziösen Artikel den Juden das Recht bestritten, Heinrich Hertz als den Ihrigen zu bezeichnen.“ (Staatsarchiv Hamburg, 133-1 II, 38)

Nicht nur der Straßenname, auch das Medaillon von Heinrich Hertz, das an einer der Säulen in der Diele des Hamburger Rathauses angebracht war, wurde 1938 auf Anweisung des damaligen Reichsstatthalters Karl Kaufmann entfernt. Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus wurde das Medaillon 1949 wieder angebracht.

„Heinrich Rudolf Hertz entstammte einer angesehenen hanseatischen Familie. Sein Vater Gustav Ferdinand Hertz (ursprünglicher Name David Gustav Hertz, 1827–1914) entstammte einer jüdischen Familie, konvertierte aber zum Christentum. [Er war promovierter Rechtsanwalt, seit 1877 Richter und von 1887 bis 1904 Senator und Präses der Hamburger Justizverwaltung. Die Mutter, Anna Elisabeth Hertz, geborene Pfefferkorn war die Tochter eines Garnisonsarztes.]

(…) 1886 heiratete Heinrich Hertz Elisabeth Doll (26.6.1864–28.12.1941),“ 1) Tochter eines Kollegen. Zum Zeitpunkt der Hochzeit war Hertz schon seit einem Jahr ordentlicher Professor für Physik an der Technischen Hochschule Karlsruhe. Ein Jahr nach der Hochzeit wurde die Tochter Johanna (1887-1967) geboren. Die zweite Tochter Mathilde kam 1891 auf die Welt. Mathilde (1891-1975) wurde eine bedeutende Biologin. Siehe zu ihr weiter unten.
Heinrich Hertz‘ Ehefrau unterstützte ihren Mann nicht nur „beim Verfassen wissenschaftlicher Artikel, sondern auch bei seinen Experimenten“. 2)

In der Neuen Deutschen Biographie heißt es über Heinrich Hertz‘ Werdegang: „H. zeigte schon während der Schulzeit außergewöhnliche sprachliche, mathematische und technisch-handwerkliche Begabung. Nach dem Absolutorium 1875 am Hamburger Johanneum ging er als Praktikant für ein Jahr nach Frankfurt und begann 1876 am Polytechnikum Dresden das Studium des Bauingenieurwesens, widmete sich aber fast ausschließlich der Mathematik und den exakten Naturwissenschaften. 1876/77 leistete er seine Militärdienstpflicht beim Eisenbahnregiment in Berlin ab und setzte im Wintersemester 1877/78 am Polytechnikum München sein Studium der exakten Naturwissenschaften fort. 1878 ging er nach Berlin, wo Helmholtz [siehe: Helmholtzstraße] mit seiner Schule das Gebiet der Elektrodynamik, noch Jahrzehnte nach den Arbeiten von Maxwell ‚eine unwegsame Wüste‘, zu klären versuchte. (…). . 1880 promovierte er mit der (theor.) Arbeit ‚Über die Induktion in rotierenden Kugeln‘, wurde Assistent von Helmholtz und arbeitete über Verdunstung und Kondensation von Flüssigkeiten, über Elastizität (…) und über die Glimmentladung; (…).

1883 habilitierte sich H. in Kiel mit seinen schon in Berlin ausgeführten ‚Versuchen über die Glimmentladung‘. (…). 1886 wurde H. als Nachfolger von F. Braun zum ordentlichen Professor am Polytechnikum Karlsruhe berufen. (…) H. wurde 1889 als Nachfolger von R. Clausius ordentlicher Professor für Physik in Bonn. Hier widmete er sich mehr theoretischen Problemen. (…)..“ 3)

Das Heinrich Hertz Gymnasium in Berlin schreibt über die Forschungen ihres Namensgebers: „Die Forschung an den elektromagnetischen Wellen begann Hertz 1886, als er eher zufällig eine interessante Beobachtung machte: Er bemerkte, dass bei einer Entladung eines Kondensators über eine Funkenstrecke einer spiralförmigen Spule auch an einer benachbarten Spule ein Funke erzeugt werden konnte. Damit machte er eine Entdeckung, die Maxwell bereits theoretisch vorausgesagt hatte: Eine schwingende elektromagnetische Störung (zum Beispiel Funkenentladung) erzeugt elektromagnetische Wellen, die sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten. (…)

In den Folgejahren machte sich Hertz daran, die Eigenschaften der elektromagnetischen Wellen zu erforschen. „(…). Er fand heraus, dass sich die Wellen mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiteten und bestätigte die Wesensgleichheit mit dem Licht auch in Bezug auf die anderen untersuchten Eigenschaften. Seine Experimente mit diesen Wellen führten später zur Entwicklung des drahtlosen Telegraphen, des Radios, des Fernsehens und noch vieler weiterer Dinge. (…)“ 4)
Heinrich Hertz starb bereits im Alter von 36 Jahren an einer Blutvergiftung.

Die Tochter: Mathilde Hertz (14.1.1891 Bonn – 20.11.1975 Cambridge)
Über sie heißt es auf der Website „Frauenpersönlichkeiten in Berlin-Mitte“: sie war Bildhauerin, Biologin und Pionierin im Bereich der Komparativen Psychologie.

Mathilde war drei Jahre alt, als ihr Vater starb. Die wirtschaftlichen Verhältnisse waren auf Grund des frühen Todes ihres Vaters für sie, ihre ältere Schwester und ihre Mutter nicht sehr gut. Zuvor hatte die Familie in gut situierten Verhältnissen leben können. Durch den Tod des „Ernährers“ war dies nicht mehr möglich.

Nach dem Abitur 1910 studierte Mathilde Hertz Philosophie, brach das Studium aber bald ab und absolvierte eine künstlerische Ausbildung an den Kunstschulen in Karlsruhe und Weimar. Nach dieser Ausbildung war Mathilde Hertz als Bildhauerin in Weimar, Berlin und München tätig. Sie schuf auch mehrere Büsten ihres Vaters.

„Im Herbst 1918 erhält sie eine Stelle in der Bibliothek des Deutschen Museums in München. Bis 1923 verdient sie hier ihren Lebensunterhalt.“ 5) Eine ihrer Aufgaben war es, fossile Zähne zu rekonstruieren. In dieser Zeit studierte sie neben ihrer Erwerbsarbeit Zoologie und Paläontologie an der Universität München. 1925 promovierte sie mit der Dissertation „Beobachtungen an primitiven Säugetiergebissen“.

„Nach Beendigung ihrer Doktorarbeit lenkt sie ihre Aufmerksamkeit durch den Einfluss von Wolfgang Koehler, einem der Begründer der Gestaltpsychologie, auf das Gebiet der Tierpsychologie.“ 6) Zwischen 1925 und 1929 erhielt sie ein Stipendium der Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft, womit sie finanziell ein wenig abgesichert war. „Zunächst arbeitete sie als Hilfskraft in der Zoologischen Sammlung in München, dann ab 1927 als Gastwissenschaftlerin der von Richard Goldschmidt geleiteten Abteilung des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Biologie in Berlin.“ 7)

„1929 erhält sie hier eine Assistentenstelle. Mit Unterstützung des Genetikers und Biologen Richard Goldschmidt führt sie in Berlin bald ihr eigenes Laboratorium. Ende 1929 reicht sie ihre Habilitationsschrift ‚Die Organisation des optischen Feldes bei der Biene‘ ein. Diese wird von den Gutachtern als äußerst positiv bewertet. Im Rahmen ihrer Untersuchungen zur Tierpsychologie gilt weiterhin ihre Aufmerksamkeit dem Verhalten von Raben, speziell der Sehwahrnehmung dieser Vögel. Später konzentriert sie sich auch auf andere Tiere und studiert zum Beispiel den blauen Eichelhäher, Einsiedlerkrebse und Fliegen,“ 8) heißt es unter „Frauenpersönlichkeiten in Berlin-Mitte.
1930 wurde ihr „die Venia legendi für Zoologie der Philosophischen Fakultät erteilt: In der Folge hielt sie neben ihrer Forschungsarbeit am Kaiser-Wilhelm-Institut bis 1933 Vorlesungen an dieser Universität.“ 9)

Mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten war Mathilde Hertz‘ wissenschaftliche Karriere abrupt beendet. Wegen ihrer jüdischen Herkunft „wird ihr die Lehrbefugnis an der Universität Berlin entzogen. Aber sie kämpft um ihre Anstellung am Kaiser-Wilhelm-Institut. So verweist sie in einem Schreiben an das zuständige Ministerium darauf, dass alle ihre acht Urgroßelternteile evangelisch getauft gewesen seien und es sich mütterlicherseits um Pastorenfamilien gehandelt habe. Nach mehreren Anträgen erreicht Max Planck, Präsident der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft und die unbestrittene Autorität der deutschen Wissenschaft, überraschenderweise eine Erlaubnis zur Weiterführung ihrer Arbeit im Labor. Dennoch ist die politische Situation für Mathilde untragbar, sodass sie kurze Zeit später nach Cambridge in England emigriert. Hier kann sie 1935 ihre Forschungen weiterführen. Ein Angebot der Columbia-Universität der USA schlägt sie aus.“ 10)

Grabstein von Mathilde Hertz
Grabstein von Mathilde Hertz auf dem Ohlsdorfer Friedhof; Foto: © kulturkarte.de / Hans-Jürgen Schirmer

Mathilde Hertz holte auch ihre Mutter und ihre Schwester, eine promovierte Medizinerin, nach England. Finanzielle Unterstützung erhielten die drei Frauen aus einem „Hertz-Fonds, den britische Unternehmen der Radioindustrie in Erinnerung an Heinrich Hertz auf Bitten führender Wissenschaftler geschaffen hatten. Trotz dieser vergleichsweise vorteilhaften Bedingungen nahm Hertz‘ wissenschaftliche Schaffenskraft bald erheblich ab, was in der Literatur auf gesundheitliche und familiäre Probleme (Tod der Mutter, mentale Erkrankung der Schwester), sowie die belastende Situation der Vertreibung zurückgeführt wird. Um 1939 stellte sie ihre Forschungsarbeiten völlig ein und nahm sie auch später nicht mehr auf.“ 11)

Sie entzog sich „dem öffentlichen Leben. Mathilde Hertz lebt sehr bescheiden in den Nachkriegsjahren. Manche Besucher bezeichnen ihre Verhältnisse sogar als ‚armselig‘. Aus Stolz will sie keine Wohltätigkeiten akzeptieren. Max von Laue allerdings setzt sich 1957 dafür ein, dass sie im Rahmen der Wiedergutmachung ein entsprechendes Ruhegehalt erhält. 1975 verstirbt Mathilde Hertz in Armut und relativer Einsamkeit in Cambridge.“ 12)
Mathilde Hertz wurde – wie sie es wünschte – neben ihrem Vater auf dem Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg beerdigt.