Heinrich-Kaufmann-Ring
Horn (1966): Heinrich Kaufmann (23.11.1864 Bredegatt/Steinbergkirche – 2.7.1928 Hamburg), Leitungsfunktion im Zentralverband deutscher Konsumgenossenschaften.
Siehe auch: Ernst-Scherling-Weg
Heinrich Friedrich Kaufmann war der Sohn von Dorothea Maria Kaufmann, geborene Sörnsen und des Gastwirtes, Kaufmanns und Landwirts Heinrich Christoph Kaufmann.1) Nach dem Besuch der Volksschule ging er von 1881 bis 1883 auf das Präparandeum in Apenrade und anschließend bis 1887 auf das Lehrerseminar in Hadersleben. Er arbeitete dann von 1887 bis 1891 als Lehrer an einer Knabenschule in Kiel. „Der politische Druck, der von der preußischen Schulaufsicht ausging, veranlasste ihn, im liberaleren Hamburg eine Stelle zu suchen, wodurch er an die private Paßmannsche Schule kam, eine damals hoch geachtete Schule aus alter kirchlicher Tradition. Hier arbeitete er bis 1894. In dieser Zeit bekam er Kontakt zur Hamburger Arbeiterbewegung“, 2) schreibt Burchard Bösche vom Zentralverband deutscher Konsumgenossenschaften e.V.
1893 hatte der damals 29-Jährige die damals 28-jährige Arbeitertochter Anna Catharina Wilhelmine Emma Witt (geboren 7.9.1866 Neustadt/Holstein) geheiratet, die eine 1891 geborene Tochter mit in die Ehe brachte.3) Das Paar bekam drei Kinder, geboren 1894, 1903, 1906.
Heinrich Kaufmann bildete sich selbst fort, so hörte er zum Beispiel Vorlesungen an der Universität Kiel und ergänzte sein Wissen in Mathematik, Naturwissenschaften, Geschichte, Literatur und Nationalökonomie. Ebenso bildete er auch Arbeiter weiter; er unterrichtete im Barmbek-Uhlenhorster Bildungsverein.
Heinrich Kaufmann war an der Gründung der Freien Volksbühne Hamburg beteiligt. Hier trat er gemeinsam mit Helma Steinbach [siehe: Helma-Steinbach-Weg] und Adolph von Elm [siehe: Von-Elm-Weg, Von-Elm-Stieg] auf. „Aufgeführt wurden Stücke verfemter Autoren, wie Gerhart Hauptmanns Vor dem Sonnenaufgang [siehe: Gerhart-Hauptmann-Platz] oder gar Die Weber.“ 4)
Nachdem er die Lehrertätigkeit an den Nagel gehängt hatte, wandte sich Kaufmann dem Journalismus zu. Er wurde Geschäftsführer und Redakteur des SPD/Harburg Parteiblattes „Volksblatt für Harburg-Wilhelmsburg und Umgebung", verdiente hier aber nur die Hälfe von dem, was er als Lehrer bekommen hatte.
Burchard Bösche schreibt über Kaufmanns Tätigkeit als Redakteur: „Seine Tätigkeit für die Zeitung, die Partei und den Consumverein machte Kaufmann in Harburg bald zu einer prominenten und bei den Gegnern der Arbeiterbewegung durchaus verhassten Persönlichkeit. Wie es damals nicht unüblich war, wurde er immer wieder wegen Pressevergehen unter Anklage gestellt und auch mehrfach verurteilt. Als schließlich vier Monate Gefängnis beieinander waren, musste er sie in Hameln absitzen. Besondere Erregung löste dieser Gefängnisaufenthalt dadurch aus, dass entgegen der üblichen Praxis bei den Haftbedingungen Kaufmanns Status als politischer Redakteur nicht respektiert wurde, sondern er wie ein schlichter Krimineller behandelt wurde. Man steckte ihn in Sträflingsuniform, ließ ihn Rohrstühle flechten und schnitt ihm, wie einem Zuchthäusler, Haupt- und Barthaar ab. Als er während seiner Haftzeit in Stade in einem Beleidigungsprozess als Zeuge aussagen musste, wurde er, an gemeine Sträflinge angekettet, mit einem Sammeltransport zum Gericht gebracht.“ 5)
Neben seiner parteipolitischen Tätigkeit für die SPD engagierte er sich für den Konsumverein. Dies wurde allerdings von der SPD nicht gern gesehen. Sie war dem Genossenschaftswesen gegenüber skeptisch eingestellt und warnte vor einer Mitgliedschaft. Kaufmann ließ sich davon nicht beirren. Er war von der Konsumgenossenschaft überzeugt. So fungierte er als Aufsichtsrat des Harburger Konsumvereins und wurde schließlich im Jahr 1900 Redakteur des Wochenberichts der Großeinkaufs-Gesellschaft Deutscher Consumvereine m.b.H., Hamburg (GEG), ab 1904 „Konsumgenossenschaftliche Rundschau“ genannt.
Sein konsequentes Engagement für die Konsumgenossenschaft und seine Mitarbeit am Wochenbericht der GEG führten dazu, dass die SPD ihn vor die Wahl stellte, wenn er seine Mitarbeit am Wochenbericht nicht einstelle, dann müsse er seine Arbeit beim SPD Parteiblatt aufgeben. Kaufmann zog die Konsequenz, gab seine Stellung bei der SPD auf, und widmete sich fortan ganz der Konsumgenossenschaft.
„1901 übernahm er die Errichtung der Schriftleitung der GEG. Diese Position nutzte er zur Verbreitung konsumgenossenschaftlicher Gedanken und zur ideologischen Ausrichtung der Konsumgenossenschaftsbewegung der Hamburger Richtung. Dazu diente auch die April 1902 erfolgte Gründung des Frauen-Genossenschaftsblattes, [ab 1908 „Konsumgenossenschaftliches Volksblatt“, R. B.] dessen Schriftleitung Kaufmann übernahm.“ 6)
In der ersten Ausgabe des Frauen-Genossenschaftsblattes sprach Kaufmann die Frauen so an, wie sie es in einem patriarchalen Gesellschaftssystem gewohnt waren, etikettiert zu werden; zugleich aber legte er den Frauen nahe, dass sie durch ihr Einkaufsverhalten die Gegenwart und die Zukunft mitgestalten würden: „Wissen Sie, wie das Frauen-Genossenschaftsblatt sein möchte? Es möchte sein wie Sie, es möchte sein wie unsere Frauen, die still und anspruchslos und bescheiden im häuslichen Kreise ihre Pflicht thun. Das ist wenig, werden Sie sagen, geehrte Frau, und Ihre Lippen lächeln. O nein, das ist viel, das ist unaussprechlich viel! In der Hand der Frauen liegt die Gegenwart und die Gestaltung der Zukunft.“ 7)
Gleichzeitig wandelte sich in dieser Zeit die Einstellung der SPD gegenüber den Konsumgenossenschaften. Burchard Bösche dazu: „Adolph von Elm war es mit der von ihm vorangetriebenen Gründung der Hamburger ‚Produktion‘ maßgeblich zu verdanken, dass die Gewerkschaften eine positive Haltung zur Gründung von Konsumgenossenschaften einnahmen und dass auch die Position der SPD sich von strikter Ablehnung über Neutralität bis hin zur wohlwollenden Unterstützung wandelte.“ 8)
Damals gab es heftige Auseinandersetzungen mit dem „bürgerlich-konservativen, von Kreditgenossenschaften beherrschten ‚Allgemeinen Verband‘ der Genossenschaften“, welche 1903 in der Gründung einer eigenständigen Dachorganisation für die sozialdemokratisch orientierten Konsumvereine der ‚Hamburger Richtung‘ in Gestalt des ZdK resultierten.“ 9)
Kaufmann wurde 1903 Sekretär des Zentralverbands deutscher Konsumvereine (ZdK). Im selben Jahr wurde das dritte Kind geboren. Er gab die Jahrbücher des Zentralverbandes (ZdK) heraus, er übernahm auch „die Abteilung Schriftleitung mit der zugehörenden Presse, dem Wochenbericht (der 1895 aus der Warenpreisliste hervorgegangen ist) und dem Frauen-Genossenschaftsblatt, sowie den Drucksachenvertrieb. Als Trägerin dieser geschäftlichen Unternehmungen wurde die Verlagsanstalt des Zentralverbandes deutscher Konsumvereine von Heinrich Kaufmann & Co. errichtet. Kaufmann war Geschäftsführer, (…). Die Erträge dienten der Finanzierung des gesamten Vorstandes. (…) 1907 wurde in dem neuen Verwaltungsgebäude der GEG die erste Druckerei der Verlagsanstalt eröffnet. 1909 erfolgte die Einrichtung der Papierwarenfabrik in der Hammerbrookstraße. (…).“ 10)
Weil die Arbeiten für den Zentralverband und die Verlagsanstalt immer umfangreicher wurden, wurde die Verlagsanstalt in eine GmbH umgewandelt und drei geschäftsführende Vorstandsmitglieder eingestellt. Kaufmann war einer von ihnen. Zugleich wurde er Vorstandsmitglied des Zentralverbandes deutscher Konsumvereine. Im Juni 1907 wurde Kaufmann Mitglied des Aufsichtsrats der GEG.
Kaufmann wie auch Adolph von Elm wurden nicht müde, immer wieder die parteipolitische Neutralität der Konsumgenossenschaften zu betonen – zum Leidwesen vieler Parteimitglieder der SPD. „Gerade bei von Elm, der die Neutralitätsdebatte nicht nur bei den Konsumgenossenschaften, sondern auch bei den Gewerkschaften führte, wird deutlich, dass es dabei um ein grundlegendes politisches Konzept der möglichst vollständigen Organisation der Konsumenten ging.“11)
Kaufmann setzte für die Beschäftigten der Konsumgenossen Tarifverträge durch, ebenso 1905 eine Pensionskasse des Zentralverbandes deutscher Konsumvereine. Ein Jahr später wurde 1906 das vierte Kind geboren.
„Die Erfahrungen mit der Gründung der Pensionskasse kamen Kaufmann zugute bei den Vorbereitungen für die Gründung der Volksfürsorge gewerkschaftlich-genossenschaftliche Versicherungs-Aktiengesellschaft. Diese Gründung war eine Reaktion auf die Erfahrung, dass die privaten Lebensversicherungsgesellschaften bei Kleinlebensversicherungen, wie sie vorrangig Arbeiter abschlossen, diese unter außerordentlich ungünstige Bedingungen anboten, während die Versicherungsgesellschaften geradezu astronomische Profite kassierten. So fand die Volksfürsorge-Gründung unter schwerem Störfeuer der interessierten Kreise der Versicherungswirtschaft statt, (…). Kaufmann gehörte dem Vorstand der Volksfürsorge bis zu seinem Tode an,“12) schreibt Burchard Bösche.
Kaufmann starb nach einem vorangegangenen Zusammenbruch im Alter von 64 Jahren. Nach seinem Tod rief die Verlagsanstalt des Zentralverbandes deutscher Konsumvereine die Heinrich-Kaufmann-Stiftung ins Leben. „Sie (…) sollte der Förderung wissenschaftlicher Arbeiten auf dem Gebiet der Volkswirtschaftslehre und insbesondere des Genossenschaftswesens dienen. 10 Jahre nach Ende des Dritten Reichs wurde sie 1955 vom Zentralverband deutscher Konsumgenossenschaften e. V. (ZdK) wieder gegründet.“ 13)