Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Arminiusstraße

Stellingen (1928): Arminius/Hermann der Cherusker (um 17 v. u. Z. -21 nach Chr.), altgermanischer Fürst


Siehe auch: Bandelstraße
Siehe auch: Cheruskerweg
Siehe auch: Thusneldastraße, benannt nach Arminius‘ Ehefrau. Siehe hier auch mehr zu seinem Eheleben.
Siehe auch: Hermannstraße

Vorher hieß die Straße Hermannstraße.

Arminius war der Sohn des Cheruskerfürsten Segimir. Der Name seiner Mutter wird nicht genannt. Arminius war verheiratet mit Thusnelda. Siehe: Thusneldastraße.

Verbunden mit dem Namen Arminius ist die legendäre Varusschlacht im September 9 nach unserer Zeitrechnung. Mit den drei Legionen des römischen Heeres, das sich damals an der Weser befand, gingen auch Kinder und Frauen mit. Dass diese Schlacht brutal und grausam war und auch die Anführer vor keiner Unmenschlichkeit zurückschreckten, zeigte die Stadt Haltern am See 2009 in ihrer Ausstellung „2000 Jahre Varusschlacht - Imperium Konflikt Mythos“. Dazu schrieb die Süddeutsche Zeitung u. a. über Varus: „So ließ Varus in Syrien zur Abschreckung 2000 Rebellen kreuzigen, während die Germanen besiegte Römer an die Bäume nagelten oder bei einer überfallenen Familie die Frauen skalpierten, allen die Stirn einschlugen, die Gliedmaßen zerteilten und alles mit Ackergeräten und Haustieren in einem Brunnen opferten. (…)

Die Ausstellung macht auch unmissverständlich klar, dass es kein Volk der Germanen gab, sondern nur Häuptlinge, Clanchefs und deren Gefolgschaften. Die Namen von Alamannen bis zu Teutonen zeugen nur von Vielstimmigkeit und Unübersichtlichkeit. (…)

Die Gefolgschaften, deren jeweilige Zahl etwas über die Gewichtigkeit ihres Oberen aussagte, waren nur zu halten, wenn der Obere seine Leute alimentieren konnte. Doch das Leben in Wäldern und Mooren war hart, die Vorräte reichten kaum über den Winter, also blieben nur Raubzüge, und bei den Römern war am meisten zu holen.

Aber man überfiel auch andere Sippen. Kein Wunder, dass Arminius für den Geniestreich gegen Varus eine Menge Leute zusammen bekam, bei der Aussicht auf diesen Riesenlohn wollten alle mitmachen. Aber danach wandte sich jeder wieder seinem eigenen Schweinekoben zu. So bleibt von Arminius nichts außer den Zeilen, die ihm die römischen Historiographen gewidmet haben, dann verschwindet er im Orkus der Geschichte, von seinen eigenen Leuten umgebracht. In den Assoziationen und Ideologisierungen der letzten 500 Jahre überlagern sich dann in ihm die Gestalten des mediterranen Herkules ebenso wie die des nordischen Siegfried, mit dem er spätestens 1933 identisch ist. (…).“ 1)

Arminius wurde von der Deutschen Geschichte zu einem Mythos erhoben. Dabei war der „im Mythos neu geschaffene Arminius (..) in seiner langen Rezeptionsgeschichte nie ein Vorbild für Völkerverständigung und Pazifismus gewesen, sondern immer ging es um einen militärischen Sieg, der gegen alle aktuellen Gegner der Deutschen immer wieder errungen werden musste, so wie sich das nationale Bewusstsein der Deutschen immer in Abgrenzung von tatsächlichen oder eingebildeten Feinden herausbildete. Und immer war diese deutsche Identität mit der Angst vor kultureller Überfremdung und Bedrohungsszenarien verbunden.“ 2)

Anlässlich der Eröffnung der oben angeführten Ausstellung ging auch die anwesende amtierende Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Rede auf den Arminius Mythos ein und sagte: „Insbesondere der Cheruskerfürst Arminius – später zu Hermann eingedeutscht – bot über Jahrhunderte hinweg eine vielseitige Projektionsfläche. Vom römischen Schriftsteller Tacitus einst als ‚Befreier Germaniens‘ in die Geschichte eingeführt, wurde er später wahlweise zum strahlenden Vorkämpfer für staatliche Einheit der Deutschen, für ihre kulturelle und politische Selbstbestimmung oder auch für die Gleichheit aller Bürger. Auch die Nationalsozialisten instrumentalisierten bis 1945 den Hermann-Mythos für ihre menschenverachtenden Zwecke.“3)

Wie es im Nationalsozialismus zu diesem Mythos kam, dazu Mario Müller: „Spätestens seit der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die Germanenideologie und die Bezeichnung ‚Germane‘ als Synonym für ‚Deutsch‘ respektive für die deutsche Geschichte verwendet. Nach den napoleonischen Kriegen und dem Streben nach nationaler Einigung der deutschen Staaten wurde die Germanenideologie im ausgehenden 19. Jahrhundert zunehmend für rassische und sozialdarwinistische Lehren missbraucht.“ 4)

Und in Klaus Kösters Beitrag zur Wirkungsgeschichte und Rolle des Mythos Varusschlacht heißt es dazu: „1925, zum 50-jährigen Jubiläum des Hermannsdenkmals, hatte sich die politische Situation vollständig gewandelt. Das Hermannsdenkmal wurde zu einer Art Wallfahrtsort republik- und demokratiefeindlicher Nationalisten. Nach der Niederlage 1918 interpretierte diese die heldenhafte Befreiungstat des Arminius als ein neues Hoffnungszeichen, Deutschland aus tiefer Schmach und Elend zu befreien. Arminius verschmolz mit dem Siegfried des Nibelungenliedes zu einem Symbol deutscher Tragik und Größe, da beide einem Mord zum Opfer fielen - Märtyrer für die deutsche Sache. Die Mythen reicherten sich gegenseitig an und wurden in der ‚Dolchstoßlegende‘ politisch missbraucht - also der Behauptung, die deutsche Armee sei im Felde unbesiegt geblieben und nur ‚von hinten erdolcht‘ worden, von Juden, Sozialdemokraten und Kommunisten, wie sich die rechtsnationale Presse beeilte festzustellen. Die als entwürdigend empfundene Gegenwart konnte so von völkisch-nationalen Propagandisten mit Sinn erfüllt und das durch den verlorenen Krieg und Versailler Vertrag gedemütigte deutsche Volk auf eine tragische Höhe gehoben werden. Die alten Mythen wurden wieder einmal hervorgeholt, um die Gegenwart zu bewältigen. Sie wurden in den Dienst einer zersetzenden antidemokratischen Agitation gestellt. Und auch die Sehnsucht nach einer nationalen Führerfigur, die das deutsche Elend in den strahlenden Sieg eines wieder machtvoll erstarkten Reiches verwandeln kann, verbirgt sich hinter diesem Märtyrermythos. Der Schritt von dem germanischen Heerführer zu dem sich selbst als messianisch ersehnten neuen Führer aufbauschenden Adolf Hitler war dann nicht mehr weit, wie zahlreiche Arminius-Romane dieser Zeit demonstrieren.

Der Nationalsozialismus trat als Erbe des nationalen Lagers auf. Nationale Mythen wurden aufgenommen und in eine Zielperspektive umgedeutet: Das Dritte Reich als Endpunkt der deutschen Geschichte. Germanen spielten bei der NS-Identitätssuche als frühe Vertreter der überzeitlichen und edlen Züge des Deutschtums eine wichtige Rolle. Von den früheren Rassenideologen übernahmen die Nazis die Idee von der biologischen Überlegenheit der nordischen Rasse, der Arier, der Herrenmenschen. Als Blütezeit der nordischen Rasse galt das Zeitalter der Germanen. Das Deutschtum sollte wieder auf dem Germanentum gegründet werden: durch die Harmonie von Führer und Gefolgschaft, Mannentreue, Verehrung der Ahnen, Heiligkeit von Frau, Familie und Heimat. Die weltgeschichtliche Mission des ‚nordischen Blutes‘ erforderte die Verteidigung der ‚Rassereinheit‘ durch Auslese und Ausmerze, eine ‚germanische Weltanschauung‘ beschwor ‚Tugenden‘ wie Treue, Ehre und Schutz des Blutes. Die Vorgeschichtsforschung wurde jetzt zur politischen Waffe: Die Gesittung, die Taten und Leistungen der germanischen Vorfahren sollten zum Maßstab der kommenden Zeit werden. Tacitus Germania erklärte die NS-Ideologen zum ‚heiligen Buch‘ der Germanenkunde und beförderten den römischen Schriftsteller zum ‚Alt-Arier‘. Die ‚Rassereinheit‘ der Germanen, von Tacitus beglaubigt, entwickelte sich unheilvoll zur mörderischen Waffe gegen alle diejenigen, die nicht unter dieses typologisch-statische Rassenkonzept fielen. Und den Kampf der Germanen gegen Rom bog man sich zum Kampf um Lebensraum und Lebensrecht zurecht, der die zukünftigen Kriege des NS-Regimes rechtfertigen sollte.

Die Idealisierung des Arminius bekam vor dem Hintergrund des Führerprinzips einen neuen Akzent: Herausragende Gestalten der deutschen Geschichte wurden unter dem Stichwort ‚deutsche Führergestalten‘ in einer Art ‚genealogischen Reihe‘ präsentiert, die mit Hitler endete. Die im Arminius-Mythos über Jahrhunderte beschworene germanische Freiheit ist so in die diktatorische nationalsozialistische Volksgemeinschaft überführt worden, die Einheit der Gleichschaltung unter einem autokratischen Herrschaftsmodell gewichen, das nicht mehr hinterfragt werden darf. (…).“ 5)