Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Joseph-Norden-Weg

Niendorf (1982): Joseph Norden (17.6.1870 Hamburg – deportiert am 19.7.1942 nach Theresienstadt, dort gestorben am 7.2.1943), Rabbiner, Opfer des Nationalsozialismus.


Stolperstein: Kielortallee 13; Stolperstein vor Brahmsallee 8.

Mahnmal: Tisch mit 12 Stühlen, siehe dazu: Georg-Appel-Straße. Der Rabbiner Joseph Norden wurde in Hamburg als Sohn von Moses und Bertha Norden, geb. Levy, geboren. Er besuchte die Talmud-Tora-Schule (die sich in seiner Kindheit noch am Kohlhöfen 19-20 befand), später bis 1890 das Johanneum. Nach dem Abitur studierte er in Berlin Philosophie an der Friedrich-Wilhelm-Universität und ließ sich gleichzeitig am orthodoxen Rabbinerseminar ausbilden. In Halle wurde er 1895 zum Dr. phil. mit einer Arbeit über die Ethik Henry Homes promoviert.

Joseph Norden war in seiner gebildeten und religiösen Familie orthodox erzogen worden, und auch das Hildesheimersche Rabbinerseminar in Berlin war orthodox. Trotzdem entwickelte er sich zu einem Vertreter des liberalen Reformjudentums. Nach dem 1896 bestandenen Rabbinatsexamen war er ab 1897 Rabbiner in Neustettin (Szczecinek) in Pommern, dann von 1899 bis 1907 in Myslowitz, Oberschlesien, und von 1907 bis zu seiner Pensionierung am 31. März 1935 in Elberfeld, wo er am 6. September 1907 seine Arbeit als Gemeinderabbiner in der Nachfolge von Zacharias Auerbach aufgenommen hatte. Somit war Elberfeld sicher die entscheidende Station in seinem Leben. 1929 wuchs diese Gemeinde durch den Zusammenschluss der Städte Barmen und Elberfeld mit den Gemeinden Cronenberg, Ronsdorf und Vohwinkel auf mehr als 3.000 Mitglieder an.

Als Joseph Norden nach Elberfeld kam, hatte er bereits eine große Familie. Er war verheiratet mit Emilie, geb. Meseritz (1876-1931), und vier Kinder waren schon geboren: Bertha (geb. 1898), Hans (geb. 1899), Elfriede (geb. 1901) und Albert (geb. 1904). Nach dem Ersten Weltkrieg kam 1919 noch die Tochter Hanna dazu. Der Sohn Hans war 17-jährig Soldat geworden und hatte schwere Schussverletzungen erlitten, die u. a. seine Nase zerstört hatten. Sein schreckliches Siechtum dauerte bis 1926.

Nordens wohnten in Elberfeld bis Ende der 1920er-Jahre im Nachbarhaus der Synagoge in der Genügsamkeitsstraße 7.

Joseph Nordens Sohn Albert schrieb in seinen Erinnerungen: „Im Elternhaus herrschte eine Atmosphäre des liberalen Monarchismus, dessen Glaubensartikel den allwöchentlichen Aufsätzen entnommen wurden, die Chefredakteur Theodor Wolff im ‚Berliner Tageblatt‘ niederlegte, der tonangebenden Zeitung der ‚linken‘ Bourgeoisie in den ersten Dezennien unseres Jahrhunderts: Monarchie – aber temperiert durch Konstitution, allgemeines und gleiches Wahlrecht, Aufklärung und Toleranz, Ausschaltung der Antisemiten und Einschränkung des Einflusses der Junker. Liberalismus – aber mit Monarchie, die nun freilich nicht von Gottes Gnaden, sondern verfassungsmäßig regieren sollte." Joseph Nordens Verehrung für Kaiser Wilhelm II. veranlasste ihn sogar, eine Broschüre „Unser Friedenskaiser" zu veröffentlichen. Der Sohn schilderte ihn als völlig blind und ahnungslos allen politisch-ökonomischen Zusammenhängen gegenüber.

Was die jüdische Religion betrifft, war Joseph Norden jedoch fortschrittlich, gehörte der World Union for Progressive Judaism an und übersetzte Bücher von Claude Montefiore (1858-1938), der zu den Führern des Reformjudentums in England zählte. Im Laufe seines Berufslebens hatte Norden viele Ehrenämter inne und erhielt etliche Ehrungen und Auszeichnungen. Dem Zionismus stand er fern. Bei seiner Arbeit interessierten ihn das Neue Testament und das Christentum. Er verfügte über eine profunde Kenntnis der jüdischen und christlichen Literatur und publizierte zahlreiche Schriften.

Am 1. April 1935 wurde Joseph Norden pensioniert. Gleich im April 1935 kehrte er in seine Vaterstadt Hamburg zurück, trat am 17. April 1935 der Deutsch-Israelitischen Gemeinde bei und bezog eine Fünfzimmerwohnung in der Brahmsallee 8. Zwei Brüder, die Zwillinge Alexander und Carl (geb. 10.10.1875), lebten mit ihren Familien ebenfalls in Hamburg. Joseph Norden erhielt eine Pension, die aber erheblich gekürzt wurde. 1937 wurde er Mitglied im Rabbinatsgericht am Israelitischen Tempelverband, 1939 übernahm er die Rabbinatsstelle beim Hamburger Tempel als Nachfolger von Bruno Italiener, der nach der Pogromnacht nach England geflohen war. Der Tempel in der Oberstraße war in der Pogromnacht äußerlich unversehrt geblieben, allerdings wurde der Innenraum zerstört. Danach wurde das Gotteshaus des Tempelverbandes beschlagnahmt und stand als jüdischer Versammlungsraum nicht mehr zur Verfügung. Joseph Norden hielt nun liberale Gottesdienste im ehemaligen Bne-Brit-Logensaal in der Hartungstraße ab. Sein Sohn Albert schrieb, einflussreiche Engländer, deren Schriften er übersetzt hatte, hätten ihm ein Visum und Arbeitsmöglichkeiten in England angeboten. Joseph Norden habe aber abgelehnt, weil er seine Gemeinde nicht im Stich lassen wollte.

Max Plaut, ein weitläufiger Verwandter Joseph Nordens, gab an: „Während des Krieges musste er die Wohnung auf Anordnung der Aufsichtsbehörde räumen und wurde von der Gemeinde in das Gemeindehaus Kielortallee eingewiesen. In diesem Haus wohnte in der 1. Etage meine Mutter mit zwei weiteren Frauen. Da Herr Dr. Norden inzwischen im Tempelverband als Rabbiner wieder fungierte, durfte er seine Bibliothek dorthin mitnehmen. Den größten Teil seiner Einrichtung jedoch musste er in dem dafür vorgesehenen Verfahren veräußern. Anlässlich seiner Deportation wurde sein vorhandenes Vermögen beschlagnahmt und seine Wohnung versiegelt.“

Am 15. Juli 1942 wurde Dr. Joseph Norden nach Theresienstadt deportiert. Zu diesem Zeitpunkt war er 72 Jahre alt. In Theresienstadt starb er am 7. Februar 1943. Auch sein Bruder Carl lebte damals in Theresienstadt. Er starb dort ein knappes Jahr nach Joseph Norden.

Joseph Nordens Kinder überlebten – mit Ausnahme des früh verstorbenen Hans – die Zeit des Nationalsozialismus im Exil. Als Politfunktionär der DDR bekannt wurde der Sohn Albert, der schon als Schüler unter dem Eindruck der politischen Unruhen während der Weimarer Republik Kommunist geworden war.

Joseph Nordens Töchter emigrierten. Bertha war verheiratet mit Professor Werner Rohnstedt und lebte 1944 in Ohio. Elfriede Meinrath, geb. Norden, lebte 1944 in Tel Aviv. Von der Tochter Hanna wissen wir, dass sie 1935 mit dem Vater nach Hamburg übersiedelte, nachdem sie die Schule in Wuppertal hatte verlassen müssen. 1939 heiratete sie in Hamburg den Apotheker Josef Hochfeld, mit dem sie 1940 nach Tientsin in China emigrierte und 1948 in die USA übersiedelte. Sie starb hochbetagt im Februar 2011.

Text: Susanne Lohmeyer, Text entnommen www.stolpersteine-hamburg.de