Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Brahmsallee

Harvestehude (1899): Johannes Brahms (7.5.1833 Hamburg -3.4.1897 Wien), Komponist.


Siehe auch: Schumannstraße
Siehe auch: Grädenerstraße
Siehe auch: Marxsenweg
Siehe auch: Johannes-Brahms-Platz

Johannes Brahms wurde 1889 die Ehrenbürgerwürde der Hansestadt Hamburg verliehen, weil er seiner Vaterstadt „durch hervorragende Werke Ehre und Ruhm bereitet“ hat.

Johannes Brahms war der Sohn des Musikanten Johann Jacob Brahms (1.6.1806 Heide/Holstein – 11.2.1872 Hamburg) und der Näherin Johanna Henrika Christiane, geb. Nissen (4.7.1789 Hamburg -1.2.1865 Hamburg). Bereits ab dem Alter von dreizehn Jahren hatte die gehbehinderte Johanna Henrika Christiane Nissen zum Lebensunterhalt ihrer Familie beitragen müssen. Später betrieb sie gemeinsam mit ihrer Schwester in der Hamburger Ulricusstraße 91 ein Warengeschäft, in dem sie Knöpfe, Zwirn und Weißzeug verkaufte.
Johanna Henrike soll außergewöhnlich belesen gewesen sein und Kunstverstand besessen haben. Eine ihrer künstlerisch gestalteten Handarbeiten soll ihr Sohn Johannes Brahm bis zu seinem Lebensende aufbewahrt haben.

Neben ihrem Geschäft verdiente sie sich durch die Vermietung eines Zimmers in ihrer Wohnung etwas hinzu. Einer ihrer Untermieter war der 1826 nach Hamburg gezogene Johann Jakob Brahms. Er verdiente damals seinen Lebensunterhalt als Straßenmusikant. Am 9. Juni 1830 heiratete die 41-jährige Johanna Henrika Christiane Nissen den 24-jährigen Johann Jakob Brahms, der im selben Jahr in das Hornistenkorps der Bürgerwehr aufgenommen wurde. Das Paar bekam drei Kinder. Ihr zweites Kind Johannes (1833–1897) wurde später ein berühmter Komponist.

In den ersten Jahren ihrer Ehe war das finanzielle Auskommen der Familie nicht gesichert, denn die Einkünfte von Johann Jakob Brahms waren sehr unregelmäßig. Außerdem soll er zum Leidwesen seiner Frau nicht sehr sparsam gewesen sein. Wegen der finanziell unsicheren Lage musste die Familie mehrmals umziehen. So wohnte sie z. B. eine Zeit lang in der Speckstraße 60, dort im Schlüterhof, wo Johannes Brahms geboren wurde, und von 1842 bis 1850 am Dammtorwall.

Ab seinem siebten Lebensjahr erhielt Johannes Brahms Klavierunterricht und trat bereits wenige Jahre später öffentlich auf. Ab seinem 13. Lebensjahr musste er zum Unterhalt seiner Familie beitragen und nachts in der Öffentlichkeit spielen. Als Johannes Brahms zwanzig Jahre alt war, verließ er Hamburg und lernte auf einer Reise den Geigenvirtuosen und Komponisten Joseph Joachim kennen, der ihn mit Clara und Robert Schumann bekannt machte (siehe: Schumannstraße). Diese befreundeten sich mit dem weitaus jüngeren Johannes Brahms und unterstützten ihn künstlerisch. (Siehe dazu weiter bei Schumannstraße).

Nach dem Tod von Robert Schumann und der gescheiterten Liebe Johannes Brahms‘ zu Clara Schumann versuchte Brahms eine neue Beziehung einzugehen. 1858 lernte er die Professorentochter Agathe von Siebold (5.7.1835 Göttingen – 1.3.1909 Göttingen) kennen. Das Paar verlobte sich heimlich 1858.

„Viele Lieder, darunter das ‚Ständchen‘, ‚Gute Nacht, mein lieber Schatz‘ und der ‚Brautgesang‘ (nie gedruckt) wurden von diesem ‚Liebesssommer‘ 1858 beeinflusst.“ 1) Clara Schumann reagierte allerdings eifersüchtig auf diese Verbindung, und es kam zu einem Eklat zwischen Brahms und ihr. Die Folge war: Brahms schrieb in seiner Zerrissenheit an seine Verlobte: „Ich liebe Dich Agathe, ich muß Dich wiedersehen! Aber Fesseln tragen kann ich nicht. Schreibe mir, ob ich wiederkommen soll, Dich in meine Arme zu schließen, Dich zu küssen, Dir zu sagen, daß ich Dich liebe!“ 2) Doch Agathe wollte geheiratet werden, und so brach sie die Beziehung ab. „Im Agathen-Sextett (Sextett Nr. 2 G-dur op. 36) von 1864/1865 hat er sich dann von seiner ‚letzten Liebe‘ gelöst. (…) Agathe von Siebold heiratete am 28. April 1868 den Kgl. Preußischen Sanitätsrat und praktischen Arzt Carl Schütte.“ 3)
Für Brahms gab es nach dem Bruch dieser Liebesbeziehung nur eine Liebe, eine Geliebte: die Musik. Im Hamburg gründete er am 6. Juni 1859 in der Pastorenstraße 16 (die Straße gibt es heute nicht mehr. Sie befand sich beim Michel) den Hamburger Frauenchor. Er existierte bis 1863 und war folgendermaßen zustande gekommen: Anlässlich einer Hochzeit am 19. Mai 1859 in der Hauptkirche St. Michaelis führten Friedchen Wagner und einige Kolleginnen aus Carl Grädeners (siehe: Grädenerstraße) Gesangs-Akademie für gemischten Chor Brahms Motette „Wo Gott sein Haus nicht selber baut“ auf. Dass Frauen in der Kirche sangen, war nicht immer selbstverständlich gewesen. Diese wichtige Stätte der Gesangsausbildung war Frauen bis in die ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts verschlossen gewesen. Gegen diesen Zustand protestierte der Musikschriftsteller und Komponist Johann Mattheson (siehe: Matthesonstraße) bereits im 18. Jahrhundert. Von ihm erfahren wir auch die Argumente, die diesen Ausschluss begründeten: „(...) a propos, vom Frauenzimmer! Es stehet nicht zu begreifen, warum man diesem schönen Geschlechte verbieten will, das Lob Gottes, an dem dazu gewidmeten Orte, öffentlich in seinem Mund zu führen. Sagt einer: die Person singt in der Opera: so singen ja die Männer auch allda. Sagt der andere: sie ist zu hübsch; so müssen nur alle artigen Gesichter aus der Kirche bleiben. Sagt der dritte: Sie singt gar zu lieblich; so hat man ja Ursache, Gottes Wunder in der Menschen-stimme zu preisen.“ Bezaubert von dem Gesang der Frauen war auch Johannes Brahms, der sich im Mai 1859 in St. Michaelis unter den Hochzeitsgästen befand. Er fragte nach, ob die Damen mit ihm sein „Ave Maria für Frauenchor und Orchester- bzw. Orgelbegleitung“ op. 12 einstudieren würden. Friedchen Wagner (geb. 1831), seit 1855 seine Klavierschülerin, organisierte in ihrem Elternhaus in der Pastorenstraße 16 die erste Probe, zu der 28 Sängerinnen erschienen. Der Hamburger Frauenchor war geboren. Mit Eifer ging man an die Arbeit. Die Choristinnen entwarfen ein Medaillon aus vier Kreiselementen mit den Buchstaben H F C für Hamburger Frauenchor und B für Brahms. Der Chorleiter verfasste ein als „Avertimento“ bezeichnetes Statut mit folgender Präambel: „Sonder weilen es absolute dem Plaisire fördersam ist, wenn es fein und ordentlich dabei einhergeht, als wird denen curieusen Gemüthern, so Mitglieder des sehr nutz- und lieblichen Frauenchors wünschen zu werden (...) jetzt und kund und offenbar gethan, daß sie partoute die Clausuln und Puncti hiefolgenden Geschreibsels unter zu zeichnen haben ehe sie sich obgenannten Tituls erfreuen und an der musikalischen Erlustigung und Divertirung parte nehmen können“ 4). Unterschrieben hatte er das Ganze mit „Der ich verharre in tiefster Devotion und Veneration des Frauenchors allzeit dienstbeflissener und schreibfertiger und taktfester Johannes Kreisler, Jun. alias: Brahms.“ 5) Zahlreiche Sängerinnen, unter ihnen auch Clara Schumann, die an den Chorproben teilnahm, wenn sie in Hamburg weilte, unterzeichneten das heitere Statut.

Unbeschwert und fröhlich ging es auch bei den Proben zu. Die meistens fanden bei Wagners, aber auch im Hause des Musiklehrers Johann Theodor Friedrich Avé-Lallemant statt. Zunehmend traf man sich auch bei Auguste Brandt in der Böckmannstraße sowie bei den Schwestern Betty und Marie Völckers in Hamm und im Landhaus der Halliers in Eppendorf (damals zwischen Erika- und Tarpenbekstraße gelegen). Die gesellige Komponente hatte eben einen genauso großen Stellenwert wie die musikalische. Über ihre erste Chorprobe am 1. August 1859 schrieb Franziska Meier: „Wir sangen Psalm 23 von Schubert und das Ständchen ‚Zögernd leis‘. Wir übten tüchtig, er ist prachtvoll genau beim Üben. Wenn die jungen Mädchen ihn doch alle ansehen möchten, würde das Dirigieren leichter sein.“ 4) Und Brahms schwärmte: „Mir gefällt der helle silberne Klang außerordentlich, und namentlich in der Kirche mit Orgel klingen die Frauenstimmen ganz reizend.“ 5)

Neben Werken von Schubert, Hasse (siehe: Hassestraße), Mendelssohn (siehe: Geschwister-Mendelssohn-Stieg) und Schumann wurden die älterer Komponisten wie Palestrina und Isaac gesungen, die Brahms für Frauenchor bearbeitete. Einen erheblichen Raum nahmen seine für drei- oder vierstimmigen Frauenchor gesetzten Volkslieder ein. Vor allem aber regte der Chor Brahms zu eigenen Kompositionen an. Nach einem Sommer mit Montagmorgendlichen Chorproben schrieb er am 30. September 1859 aus Detmold, wo er im Winter am Hof engagiert war, an Clara Schumann: „Ich sage Dir eine der lieblichsten Erinnerungen ist mir dieser Frauenchor. (...) Was werden nächsten Sommer da für Lieder kommen und für Freudenpsalmen! Eigentlich wird wohl schon etwas Cultus in Hamburg mit mir getrieben, das kann aber gar nichts schaden, denke ich. Ich schreibe wenigstens immer lustiger und es tönt in mir als müßte mit der Zeit Himmlisches herauskommen.“ 4) U. a. entstanden „Vier Gesänge für Frauenchor mit Begleitung von zwei Hörnern und Harfe“ op. 17. Dem ersten der vier Gesänge ist ein Gedicht von Friedrich Ruperti unterlegt: „Es tönt ein voller Harfenklang, den Lieb und Sehnsucht schwellen, er dringt zum Herzen tief und bang und lässt das Auge quellen.“ Die Ausschreibung der Einzelstimmen übernahmen die Sängerinnen in ihren Stimmheften häufig selbst. In ihnen sind nicht nur die meisten der von Brahms für den Chor komponierten Werke überliefert. Auch viele der gesungenen Volkslieder finden sich hier.

Ganz besonderen Spaß am Singen hatten offenbar die Damen Marie und Betty Völckers sowie Marie Reuter und Laura Garbe. Sie gründeten ein Quartett, das sich unter der Leitung von Friedchen Wagner auch im Winter traf. „Kleine Gesang-Republik“ nannte Brahms sie scherzhaft.

Als Brahms 1863 nach Wien ging, löste sich der Chor auf. Zusammenkünfte wie die bei Halliers existierten nur noch in der Erinnerung: „Die Damen hatten Papierlaternen mitgebracht, mit denen der Teich umkränzt wurde, während die Herren mit Feuerwerk die Gesangspausen ausfüllten. Der Chor hatte sich vor dem Tempel aufgestellt, und Brahms, oft heiter bis zur Ausgelassenheit, bestieg einen der Bäume und dirigierte von da aus den Gesang. Schließlich ging die Gesellschaft in heiterster Stimmung, von den brennenden Laternen beleuchtet, singend durch das Dorf von dannen.“ 5)

1863 wurde Brahms Chef der Singakademie in Wien, wo er sich auch endgültig niederließ. Eine seiner Schülerinnen wurde Elisabeth von Herzogenberg (13.4.1847 Paris - 7.1.1892 Sanremo), geb. von Stockhausen. 1863 begann sie bei ihm Unterricht zu nehmen. Doch nach kurzer Zeit brach Brahms den Unterricht mit ihr ab. „Der sensible Meister fühlte sich wehrlos gegen dieses Mädchen voll von genialer Musikalität, wehrlos gegen den Zauber ihres Wesens. Später, als sie Heinrich von Herzogenberg geheiratet hatte, wurde sie Brahms‘ engste musikalische Vertraute. Wie hoch der Meister ihr Urteil schätzte, geht aus der Tatsache hervor, daß er ein Lied, das ihr mißfiel, sofort vom Druck zurückzog. Die Zuneigung, die er ihr bewahrte, spricht aus der Widmung der beiden berühmten, leidenschaftlich bewegten Rhapsodien op. 79 an sie. (…) Als ausgezeichnete Pianistin mit wunderbarem Anschlag, ungewöhnlicher Einfühlungskraft und einem phänomenalen Gedächtnis hätte Elisabeth von Herzogenberg zweifellos eine große künstlerische Karriere vor sich gehabt. Die Musik blieb ihr Lebenselement, tatkräftig unterstützte sie beruflich ihren Mann, besonders während seiner Kapellmeisterzeit 1875 bis 1885 in Leipzig, und war ständig um Durchsetzung seiner Werke bemüht. Ihr Leben war indes überschattet von ihrer Kinderlosigkeit; sehr früh schon, kaum 45 Jahre alt, starb sie an einem Herzleiden.“ 6)

1865 starb Brahms Mutter. Seit er es sich finanziell leisten konnte, hatte er seine Mutter unterstützt. Ein Jahr nach ihrem Tod heiratete sein Vater Karoline Paasche, verw. Schnack aus Pinneberg.

Auch seine Schwester Elise (11.2.1831-11.6.1892) wurde von Brahms unterstützt. Elise litt an schweren Anfällen von Kopfschmerzen, deshalb erlernte sie auch keinen Beruf und blieb bei der Mutter bis zu deren Tod. Durch ihren Bruder Johannes bekam Elise ein wenig von der Welt draußen mit, wenn er z. B. Gäste einlud. Auch Clara Schumann nahm Elise mehrmals mit auf Reisen, damit sie der häuslichen Enge entfliehen konnte. Die beiden Frauen hatten sich 1854/55 kennengelernt, als Clara Schumann bei der Familie Brahms in der Lilienstraße zu Gast gewesen war.

Nach dem Tod der Mutter im Jahre 1865 blieb Elise allein und versuchte als Schneiderin, sich ein finanzielles Auskommen zu sichern. Damals fiel es Johannes Brahms finanziell noch schwer, seine Schwester zu unterstützen. Er hatte aber vor, sie in ein städtisches Stift einzukaufen, was Elise allerdings ablehnte. So versorgte er sie finanziell weiter, bis sie im Alter von 40 Jahren den vierzehn Jahre älteren Witwer mit sechs Kindern, den Hamburger Uhrmacher Christian Grund, heiratete. Da Elise auch hier in finanziell engen Verhältnissen leben musste, bezahlte Johannes Brahms seiner Schwester die für ihre Gesundheit erforderlichen Erholungsreisen. Das Geschwisterpaar war sich sehr zugeneigt und schrieb sich jahrelang viele Briefe.

Text zum Damenchor: Brita Reimers