Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Keplerstraße

Ottensen (1950): Johannes Kepler (27.12.1571 Weil der Stadt -15.11.1630 Regensburg), Mathematiker, Astronom.


Siehe auch: Tycho-Brahe-Weg
Siehe auch: Katherina-Hanen-Weg, Mette-harden-Straße und Albeke-Bleken-Ring zum Thema Hexenverfolgung

Der Straßenname Keplerstraße ist „1950 entstanden durch die Umbenennung der a) Goebenstraße (früher Preusserstraße) und b) der Tresckowstraße.
Goebenstraße: früher Preusserstraße, ben. 1894 nach Theodor Preußer, Kommandant der Norder- und Südschanze in Eckernförde. Gefallen 1849 im Kampf gegen die dänischen Schiffe, umben. 1897 in Goebenstraße, nach August Karl von Goeben, Preußischer General, der im dänischen Feldzug 1864 bei Düppel eine Brigade befehligte. Umbenannt 1950 in (Teil) Keplerstraße wegen Doppelbenennung.
Tresckowstraße, ben. 1904 nach General von Tresckow, Kommandierender General des IX. Armeekorps 1873-1888 und der 17. Infanterie Division im dt.-fr. Krieg 1870/71. Ehrenbürger der Stadt Altona seit 1885 (aus Anlass seines 50-jährigen Dienstjubiläums). Umbenannt 1950 in (Teil) Keplerstraße, Grund: Doppelbenennung.“ (vgl.: Staatsarchiv Hamburg, Registratur Staatsarchiv AZ. 1521-1/5 Band 3-5: Straßennamen (neue Kartei), alphabetisch geordnet mit Hinweisen).

Johannes Kepler ist u. a. für die Entdeckung der ellipsenförmigen Umlaufbahnen der Planeten berühmt geworden. Martha List fasst Johannes Keplers Entdeckungen und seine daraus resultierende Weltsicht wie folgt zusammen: „Auf der Suche nach einem einheitlichen Weltbild, der ‚forma mundi‘, betrachtete er als platonisch geschulter Philosoph und als Theologe in der ‚Harmonice Mundi‘ die Schöpfung, in der sich Gott in seinen Werken offenbare, neben der Offenbarung im überlieferten Wort der Bibel. K. steht mit dieser Weltschau am Anfang der sich trennenden Wege von Theologie und Naturwissenschaft. Selbst Theologe von bedeutender Selbständigkeit, strebte er als hervorragende Gestalt im gegenreformatorischen Zeitalter in irenischer Gesinnung die Wiedervereinigung der getrennten Kirchen an. (…) Während er in Erkenntnisoptimismus wagemutig alte Vorstellungen aufgab, blieb er sich bewußt, daß noch vieles ‚in pandectis aevi sequentis‘ verborgen liege. “ 1)

Kepler, der von Haus Protestant war, lebte damals in einer Welt, die noch vom Katholizismus beherrscht wurde und in der der Hexenglaube zu einer Verfolgung von Frauen, die als Hexen beschuldigt wurden, führte. Männer, die der staatstragenden Kirche suspekt waren, wurden als Ketzer bezichtigt und verfolgt.
In dieser Zeit wurde Keplers Mutter Katharina, geborene Guldenmann (8.11.1547 Eltingen – 13.4.1622 Roßwälden) 1615 auf Grund einer Verleumdung durch eine Nachbarin als Hexe beschuldigt.

Wie kam es dazu? Katharina Kepler, eine Gastwirtstochter, war mit dem Händler Heinrich Kepler verheiratet und hatte mit ihm sieben Kinder, von denen vier das Kindesalter überlebten. Vater Kepler verließ mehrmals die Familie und verdingte sich als Söldner. Katharina Kepler folgte ihrem Mann in die Kriegslager, um ihn nach Hause zu holen, denn sie war nicht damit einverstanden, dass er sich als Soldat verdingte; die Kinder blieben bei den lieblosen Eltern des Mannes. Nachdem die Eltern 1576 von einem Kriegsschauplatz in den Niederlanden zurückgekehrt waren, kaufte der Vater ein Haus in Leonberg (Württemberg), wohin er mit seiner Familie zog. Doch wenig später pachtete er eine Gastwirtschaft in Ellmendingen – und schließlich verließ er die Familie, um sich wieder als Söldner zu verdingen – und kehrte nicht wieder zurück.

Nach dem Tod ihres Mannes erbte Katharina Kepler: „ein Haus sowie Felder und Wiesen. 1598 zog sie mit ihrer Familie in ein kleines Winzerhaus in Leonberg. Nach dem Tod ihres Vaters, der einige Jahre bei ihr gelebt hatte und von ihr gepflegt worden war (…), erbte Katharina Kepler Geld. Sie war dadurch als alleinerziehende Witwe finanziell unabhängig und konnte sich und ihre Kinder versorgen. Nach dem Auszug ihrer jüngsten Kinder lebte Katharina alleine in Leonberg. 1614 wurde sie als Steuern zahlende selbständige Bürgerin in der Steuerliste aufgeführt,“ 2) heißt es in Wikipedia. Dort wird auch von einem Streit mit der Glasersehefrau Ursula Reinbold berichtet, die von Katharina Kepler einen bitteren Trank erhalten hatte, an dem Ursula Reinbold erkrankt worden sei.

Ursula Reinbold zeigte Katharina Klepner 1615 an und forderte Schadenersatz für erlittene Schmerzen.
„Christoph Kepler [ein Sohn von Katharina Kepler] verklagte die Reinbolds daraufhin wegen Verleumdung, (…). Johannes Kepler stellte fest, dass Katharinas Alter und ihre soziale Stellung der Leonberger Gesellschaft fremd vorkam, welches als Auslöser für die Anklage gesehen werden kann. Zudem war in Leonberg Aberglaube verbreitet und die Gesellschaft suchte nach Gründen und Ursachen für Unglück, Krisen und Krankheit. (…).“ 2) Kepler gab als eine Ursache für die Anschuldigungen gegen seine Mutter an, dass man alten Frauen die Daseinsberechtigung abspräche, da sie schon zu lange auf der Welt seien. So gab es das Sprichwort – wie Ulinka Rublack in ihrem sehr lesenswerten Buch „Der Astronom und die Hexe. Johannes Kepler in seiner Zeit“ berichtet – das hieß: „Nur auf den Scheiterhaufen mit den alten Weibern“.3)

Ulinka Rublack schreibt weiter: „Die Bilder und die billigen effekthaschenden Drucke aus dem 16. Jahrhundert begannen, die Figur der schaurigen Hexe als missgünstiges, ketzerisches altes Weib zu entwerfen, das begierig war, auf dem Hexensabbat zu tanzen. Viele Zeitgenossen glaubten, diese Frauen hätten sich den Hass, der ihnen entgegenschlug, selbst zuzuschreiben. Ihre körperlichen Veränderungen verstörten. Man fürchtete, alte Frauen seien neidisch auf die Schönheit, die Fruchtbarkeit oder den Reichtum anderer Leute und wollten ihnen deshalb schaden. (…) Auf Abbildungen der Lebensabschnitte wurden Frauen ab siebzig vollkommen ‚entstellt‘ dargestellt. Neben solchen Wahrnehmungen existierte allerdings auch die Vorstellung, alte Frauen könnten aufgrund ihrer Lebenserfahrung ‚weise‘ sein. Dennoch muss es für reife Frauen schwierig gewesen sein, mit Humor und Würde zu altern.“4)

1618 wurde die Schadenersatzklage bei Gericht eingereicht. 1620 war die 280 Seiten umfassende Anklageschrift fertig und Katharina Kepler wurde am 7. August 1620 verhaftet. Der erste Gerichtstag fand am 20. August 1621 statt. Johannes Kepler trat als Verteidiger seiner Mutter auf.

„Zwei starke Männer bewachten Tag und Nacht die 73-jährige Frau. Für die Kosten hatten die Angeklagte und ihre Angehörigen aufzukommen. 14 Monate lag sie in Ketten, und die Akten ihres Prozesses häuften sich zu Bergen.

Als ihr schließlich die Folterinstrumente gezeigt wurden, um sie zu einem Bekenntnis zu zwingen, blieb sie standhaft: ‚Sie hat gesagt, man mache mit ihr, was man wolle, und wenn man ihr auch jede Ader aus dem Leibe herausziehen würde, so wüsste sie doch nichts zu bekennen … sie wolle auch darauf sterben; Gott werde nach ihrem Tode offenbaren, dass ihr Unrecht und Gewalt geschehen‘. Im Oktober 1621 konnte ihr Sohn Johannes Kepler ihre Freilassung durchsetzen. Der Prozess endete mit einem Freispruch.“ 5) Doch die damals über 70 Jahre alte Katharina Kepler war durch die Haft so geschwächt, dass sie ein halbes Jahr später verstarb.

Die Beschuldigung seiner Mutter als Hexe war auch für Kepler gefährlich gewesen. Damals lebte er mit seiner Familie in Linz. Dorthin war er 1612 mit seinen Kindern aus erster Ehe gezogen, um den wachsenden religiösen und politischen Spannungen zu entfliehen, die in Prag herrschten, wo er damals mit seiner Familie lebte. Seine Ehefrau Barbara, geborene Müller (1573-1611), mit der er seit 1597 verheiratet war, war 1611 nach langer Krankheit, die bereits 1610 begonnen hatte, verstorben. Zum Zeitpunkt ihres Kennenlernens war die damals 23-Jährige bereits zwei Mal Witwe geworden und Mutter einer Tochter. Von ihren Ehemännern hatte sie ein kleines Vermögen geerbt, so dass sie für Kepler damals eine „gute Partie“ war. „Als Kepler um sie warb, lehnte ihr Vater, ein wohlhabender Müller, eine Heirat mit dem aus seiner Sicht armen Kepler zunächst ab und brachte damit die Verbindung beinahe zum Scheitern. Er lenkte schließlich ein, als Vertreter der Kirche Druck auf ihn ausübten, Kepler als Schwiegersohn anzuerkennen.“ 6) Das Paar bekam fünf Kinder, von denen drei im Kindesalter verstarben.

Diese Flucht vor religiösen Spannungen war nicht die erste Flucht dieser Art für die Familie Kepler gewesen. Bereits im Jahr 1600 musste sie aus Graz fliehen. Dort hatte Johannes Kepler – damals noch ledig - nach seinem Studienabschluss - er hatte Theologie studiert, aber auch Mathematik und Astrologie – 1594 eine Stelle als Lehrer für Mathematik und Astronomie in der evangelischen Stiftsschule in Graz angenommen. Gleichzeitig bekam er damals den Auftrag, Jahreskalender mit einem Prognosticum zu erstellen, aus dem zu ersehen war, wie das Wetter im nächsten Jahr sein werde, ob Krankheiten ausbrechen würden und welche politischen Ereignisse auftreten werden. Diese Arbeit brachte Kepler näher an die Astrologie. „Da gleich im ersten Kalender einige seiner Prognosen zutreffend ausfielen, gewann er an Ansehen und wurde angeregt, auch nach den Ursachen der Naturgeheimnisse zu forschen.“ 7) Auch veröffentlichte er in Graz 1596 sein Werk „Weltgeheimnisses“. Dadurch wurde ihm klar, „daß seine wahre Berufung nicht in der Übernahme eines kirchlichen Lehramtes liege, sondern darin, sich der Astronomie zu widmen und in ihr Gott zu dienen.“ 8)

Doch bereits im Jahr 1600 musste die Familie Kepler Graz verlassen, denn in diesem Jahr wurde dort die Gegenreformation durchgeführt und alle Protestantinnen und Protestanten, die nicht konvertierten, wurden gezwungen, Graz zu verlassen.

Die Familie Kepler folgte der Einladung von Tycho Brahe (siehe: Tycho-Brahe-Weg) nach Prag, wo Kepler Assistent von Tycho Brahe am kaiserlichen Hof wurde. Doch die Zusammenarbeit der beiden Wissenschaftler klappte nicht, „obwohl sich ihre verschiedenen Begabungen ergänzten. Brahe war ein exzellenter Beobachter, jedoch waren seine mathematischen Fähigkeiten nur begrenzt. Der hervorragende Mathematiker Kepler hingegen konnte wegen seiner Fehlsichtigkeit kaum präzise Beobachtungen durchführen. Die mathematischen Fähigkeiten von Kepler ließen Brahe befürchten, dass am Ende einer Zusammenarbeit mit Kepler sein eigenes umfangreiches Lebenswerk, die Aufzeichnungen seiner astronomischen Beobachtungen der Planetenbahnen und die Aufzeichnungen der Positionen Hunderter Sterne, nach seinem Tod allein Keplers Ruhm begründen könnten. Erschwerend kam hinzu, dass Brahe die astronomischen Ansichten von Kepler (und Kopernikus) nur ansatzweise teilte.“9)

Nach dem plötzlichen Tod von Tycho Brahe wurde Kepler 1601 kaiserlicher Hofmathematiker und musste darüber hinaus dem Kaiser dessen Horoskope erstellen.

1611 suchte Kepler eine neue Stelle, um der Gegenreformation in Prag zu entfliehen. Er bekam eine Stelle als Mathematiker der Oberösterreichischen Stände in Linz, die er nach seinem Umzug nach Linz im Januar 1612 bis 1626 innehatte.

„Nach dem Tod seiner ersten Frau hatte er im Lauf von zwei Jahren insgesamt elf Kandidatinnen als zweite Ehefrau in Betracht gezogen. Schließlich heiratete er im Oktober 1613 die Eferdinger Bürgerstochter Susanne Reuttinger. [1589 – 1636] Von den sechs Kindern, die sie bekamen, starben die drei zuerst geborenen früh; eine Tochter (* 1621) und zwei Söhne (* 1623 und * 1625) überlebten ihre Kindheit.“ 10)

In diese Zeit fiel die Beschuldigung seiner Mutter als Hexe und ebenso endete in dieser Zeit seine: „Teilnahme am Leben der von württembergischen Geistlichen betreuten Kirchengemeinde in Linz (…), da er die Konkordienformel aus |Gewissensgründen nicht unterzeichnen konnte, mit seinem Ausschluß aus der Gemeinde. Damit blieb ihm nicht nur die Zulassung zum Abendmahl in Linz und im lutherischen Württemberg verwehrt, sondern er wurde auch der Aussicht auf eine Anstellung in der Heimat beraubt. (…). K.s Streit mit den Theologen drang an die Öffentlichkeit, die mit dem Urteil ‚Ketzer‘ nicht zurückhielt. (…)“ 11)

Die Verteidigung seiner Mutter war also auch eine Vorsichtsmaßname von Seiten Keplers, um für seine religiösen und weltanschaulichen Ansichten nicht als Ketzer beschuldigt und angeklagt zu werden.1618 hatte Kepler sein Lehrbuch „Epitome astronomiae copernicanate“ und 1619 sein Hauptwerk „Weltharmonik“ veröffentlicht. „Er behauptete, Gott habe sechstausend Jahre lang auf einen ‚geeigneten Betrachter‘ gewartet, der seine göttlichen Baupläne vollständig verstehe. Nur ein Jahr nach der Veröffentlichung der Weltharmonik wurde Katharina in den frühen Morgenstunden des 7. August 1620“ 12) verhaftet und Kepler übernahm ihre Verteidigung.

„Nachdem im Herbst 1620 Oberösterreich als Pfand in bayerische Verwaltung genommen und von bayerischen Truppen besetzt worden war, geriet K. durch die verschärften Rekatholisierungsmaßnahmen und die Lage der jetzt vom Flammentod bedrohten Mutter in zwiefache Bedrängnis. Er verließ deshalb, das Unglück seiner Mutter geheimhaltend, im September eiligst mit seiner Familie Linz unter Mitnahme seines ‚mathematischen Hausrats‘, brachte die Familie in Regensburg unter und eilte in die Heimat.“ !3)

1627 erhielt Kepler von dem kaiserlichen General Albrecht von Wallenstein, dem Kepler schon einmal „das Horoskop gestellt und 1624 rektifiziert hatte, und der ihm dafür bei gegebener Gelegenheit zu Gefallen sein wollte“ 14) den Auftrag, Horoskope für ihn zu erstellen, wofür Kepler in Sagan (Schlesien) eine Druckerei zur Verfügung gestellt bekam. „Als Wallenstein jedoch im August 1630 auf dem Reichstag in Regensburg seine Funktion als Oberbefehlshaber verlor, reiste Kepler nach Regensburg, um dort am Reichstag ausstehende Gehaltsforderungen in Höhe von 12.000 Gulden einzufordern, was ihm aber nicht gelang. Wallenstein, der zu dieser Zeit Herzog von Mecklenburg war, stellte ihm eine Professur an der Universität Rostock in Aussicht. Vor Antritt der Professur unternahm Kepler im Herbst 1630 eine Reise nach Regensburg, wo er Quartier nahm im Wohnhaus des Kaufmanns Hillebrand Billi, (…). Bereits kurz nach seiner Ankunft wurde Kepler von einem heftigen Fieber befallen. (…). Kepler starb schon bald darauf im Alter von 58 Jahren.“14)