Kirchenpauerkai
HafenCity (1888): Dr. Gustav Heinrich Kirchenpauer (2.2.1808 Hamburg - 3.3.1887 Hamburg), Senator.
Siehe auch: Kirchenpauerstraße
Siehe auch: Bismarckstraße
Siehe auch: Bismarckstein
Siehe auch: Güntherstraße
Siehe auch: Gräpelweg
Gustav Heinrich Kirchenpauer war der Sohn von Anna Katharina (Kätchen) Kirchenpauer, geborene Ruesz (1779-1811) und des Kaufmanns Johann Georg Kirchenpauer (1773-1844).
Gustav Heinrich war drei Jahre alt, als seine Mutter nach der Geburt des fünften Kindes starb, das sie während einer Geschäftsreise ihres Mannes nach Petersburg, wohin sie ihn begleitete, geboren hatte. Sie wurde gerade mal 31 Jahre alt. 1)
Gustav Heinrich wuchs mit seinem jüngeren Bruder bei seiner Tante Julie Krause, geborene Kirchenpauer (1783-1863) in St. Petersburg auf. Sie war mit dem Kaufmann Jacob Krause (1775-1857) verheiratet. Das Paar war kinderlos geblieben.
Der leibliche Vater und nun Witwer Johann Georg Kirchenpauer konnte den Tod seiner Frau nicht überwinden und führte fortan ein einsames, freudloses Dasein, „fast immer von seinen Kindern getrennt“. 2)
Nachdem Gustav Heinrich seine Schullaufbahn beendet hatte, begann er 1826 Rechts- und Staatswissenschaften in Dorpat zu studieren. 1831 schloss er sein Studium mit der Promotion zum Dr. jur. ab. Im selben Jahr fuhr er nach Schloss Weistropp bei Dresden, wo seine Zieheltern Julie und Jacob Krause und ebenfalls mehrere Cousinen und Cousins, unter ihnen Gustav Heinrichs Cousine Julie Krause (6.3.1817 Wien – 22.2.1905 Hamburg), damals 14 Jahre alt, lebten. Mit Julie Krause konnte sich der sehr schüchterne Gustav Heinrich gut unterhalten. Mehrere Jahre später wurde mehr daraus.
1832 zog Gustav Heinrich Kirchenpauer nach Hamburg, um hier als Advokat zu arbeiten.

Schon bald merkte Kirchenpauer, dass es ihm u. a. wegen seiner Schüchternheit schwer fiel, Mandanten zu akquirieren und frei vor Publikum zu sprechen, was für den Rechtsanwaltsberuf wichtig war. Eine große Begabung lag bei ihm im Verfassen von Texten. Und so wurde Kirchenpauer Redakteur verschiedener Zeitungen, wobei er sich hauptsächlich handelspolitischen Fragen widmete. „1840 wurde er Protokollist und Bibliothekar der Commerzdeputation (Vorläuferin der Handelskammer).“ 3)
Als Kirchenpauer 1843 auf Dienstreise nach Dresden fuhr, besuchte er dort auch seine Zieheltern, bei denen noch zwei ihrer Pflegekinder, darunter die 26-jährige Julie, lebten. In Julie, auf die er schon lange ein Auge geworfen hatte, verliebte er sich. „In Dresden wohnte ich zwar im Hotel, war aber täglich bei Krauses im Hause, wodurch ich meiner nachherigen Braut näher trat‘.“ 4)
Schließlich hielt Gustav Heinrich bei Julies Mutter – der Vater war bereits verstorben – um die Hand ihrer Tochter an. in dem Brief, den er Julies Mutter, die damals bei einer ihrer Töchter in Dänemark weilte, schrieb, legte er seine finanziellen Möglichkeiten auf den Tisch. Er schrieb: „Ich bitte um die Hand Ihrer Tochter. Julie hat Ihnen geschrieben, wovon unser beider Herz voll ist, und Onkel, wenn ich nicht irre, hat einiges über meine Verhältnisse hinzugefügt. Sie sind leider in pecuniärer Beziehung durchaus nicht brillant; im Gegenteil, wir werden uns etwas spärlich und eingeschränkt behelfen müssen, aber wie ich Julien und ihren Charakter kenne, denke ich, soll das nicht schwer werden. Beträgt das Amtseinkommen auch nur etwas über 5000 MK. Crt., so ist es doch ein sicheres und festes, so daß wir – wenn nicht alle menschliche Erwartung trügt – von eigentlichen Nahrungssorgen für die Zukunft frei sein können; ich kann noch hinzufügen daß auch meiner Wittwe eine kleine Pension zugesichert ist von 800 Mk. Crt. (…)
Ich liebe mit einer Wärme, einer Leidenschaft, die ich mir früher selbst kaum zugetraut hatte. Und doch sind die ersten Anfänge dieser Liebe sehr alt – 12 Jahre alt. Als ich 1832 auf Weistropp den Winter zubrachte, war mir Julie schon die liebste von allen (…) und schon damals beherrschte mich ein freilich noch sehr unbestimmtes Gefühl, daß wir füreinander geschaffen seien (…).“ 5)
Gustav Heinrich und Julie Krause (1818-1905) verlobten sich im Oktober 1843. Im Dezember 1843 wurde Gustav Heinrich in den Rat der Stadt Hamburg gewählt. Als Senator verbesserten sich auch seine pekuniären Verhältnisse.
„Kirchenpauer gehörte u. a. der Kommission für die auswärtigen Angelegenheiten an und vertrat Hamburg in verschiedenen politischen Missionen in Kopenhagen, Berlin und auf der Frankfurter Nationalversammlung.“ 6)
Am 2. Februar 1844 heiratete der 36-Jährige die 26-jährige Juliane Dorothea Krause. Das Paar bekam drei Kinder, und die Karriere des Familienvaters schritt voran. So fungierte er ab 1851 als Hamburgs Bundestagsgesandter in Frankfurt am Main, was mit vielen Reisen verbunden war, so dass er am Familienleben, bei den Geburten der Kinder und deren Aufwachsen kaum teilhaben konnte. Nachdem die Nationalversammlung in Frankfurt a. M. im Mai 1849 aufgelöst worden war, wurde Gustav Heinrich Kirchenpauer 1851 „als Gesandter in den Bundestag des wieder restaurierten Deutschen Bundes von 1815 geschickt.“ 7) Das bedeutete für die Familie: wieder Abwesenheit des Vaters. und des Ehemannes.
Kirchenpauers Wunsch war aber schon seit längerer Zeit, Amtmann in Ritzebüttel (heute Stadtteil von Cuxhaven) zu werden. Dazu schreibt Hartmut Ring: „Während der aufreibenden Jahre als Gesandter im Frankfurter Bundestag hatte Gustav Heinrich Kirchenpauer mit dem Gedanken gespielt, für ein paar Jahre dem Trubel zu entfliehen und sich nach Ritzebüttel zurückzuziehen. Sein späterer Biograph Werner von Melle [siehe: von-Melle-Park] vermutet, dass er ‚des diplomatischen Treibens in Frankfurt müde‘ war und dass es ihn bedrückte, ‚daß er, der kein eigenes Vermögen besaß, die ihm von anderer Seite gebotene Gastfreundschaft nicht in gleicher Weise zu erwidern vermochte; empfand er doch oft, daß in manchen Kreisen Hamburgs der Mann weniger nach seinen Fähigkeiten und seiner Stellung als nach der Größe seines Bankkontos geschätzt wird.‘ Da kam es auch gelegen, dass das Gehalt des Amtsmanns wesentlich höher als das Senatorengehalt war und man bei der Besetzung gewöhnlich die weniger vermögenden Senatoren bevorzugte.“ 8)
1858 war es so weit. Kirchenpauer wurde der letzte Amtmann von Ritzebüttel und verbrachte mit seiner Familie die sechsjährige Amtszeit im Schloss Ritzebüttel. „Über Jahrhunderte wurde Ritzebüttel von Hamburger Amtmännern verwaltet. Die im Zuge der Bürgerlichen Revolution von 1848 erkämpften Rechte führten zur Abschaffung der feudalen Privilegien der Amtmänner.“9)
„Seit Hamburgs notgedrungenen Beitritt zum Norddeutschen Bund im Jahr 1867 war Kirchenpauer ‚Bevollmächtigter Hamburgs zum Bundesrath‘ in Berlin, ‚nicht aus Neigung, sondern aus Pflicht, um zu retten, was noch zu retten war von Hamburgs Selbständigkeit‘.“ 10)
Auch Bismarck (siehe: Bismarckstraße) war zum Gesandten beim Bundestag ernannt worden. Bismarck und Kirchenpauer harmonisierten nicht miteinander. „Bismarck vertrat ultrakonservative Standpunkte, Kirchenpauer gemäßigt liberale. Die Verfassungsreformen, die Kirchenpauer für Hamburg erstrebte, bekämpfte Bismarck.“ 11)
Der Historiker John F. Jungclaussen schreibt dazu in seinem Buch „Risse in weissen Fassaden. Der Verfall des hanseatischen Bürgeradels“: „Kirchenpauer [der 1868 Zweiter und 1869 Erster Bürgermeister von Hamburg] geworden war, reiste nach Berlin, um mit Bismarck und den Vertretern der nördlichen Bundesstaaten über eine ‚Bundesreform‘ zu diskutieren, so nannte Bismarck seinen Plan zur Neugründung eines Norddeutschen Staates euphemistisch. Dieser Verfassungsentwurf wurde relativ schnell durch die Versammlung der Könige, Herzöge und Fürsten abgesegnet, nur der Senator stellte sich quer. Hamburg sollte nämlich dabei die Insignen seiner Unabhängigkeit aufgeben. Das eigene Post- und Telegrafenwesen, die Konsulate, die Eisenbahn, die Militärhoheit und, am schlimmsten, die Handelspolitik. Bismarck und Kirchenpauer kannten sich schon aus dem Frankfurter Parlament als erbitterte Gegner. Jetzt warf der Ministerpräsident dem Hamburger die Verteidigung von Partikularinteressen vor, und Kirchenpauer konterte mit der Unterstellung, Bismarck betreibe preußischen Imperialismus. (…) Schließlich knickten die Senatsherren ein. (…) Bei allem Entsetzen im Senat, unter den Kaufleuten löste der Beitritt eher Zufriedenheit aus. Anstatt Preußen zu unterstellen, dass es sein eigenes Imperium bauen wollte, erwartete man von dem Hohenzollern-Staat, dass er eine Rolle als Schutzmacht ausüben würde. Der politische Horizont der Kaufmannschaft endete beim Handel, und der hätte schon einige Male die Unterstützung eines festen Bundes der deutschen Staaten gebracht. (…) Preußen wurde also eher als ein Garant für eigene Interessen gesehen; ein stabiler Schirm, unter dem man sich zugleich geschützt und mit allem Freiraum den eigenen Belangen in Übersee widmen konnte.“ 12)
Da Kirchenpauer Bismarck unterlegen war, „verzichtete K. auf seine Berliner Mission. Fortan widmete er sich in erster Linie seinen Aufgaben als Präses der Oberschulbehörde. Er förderte das Volksschulwesen und gliederte die Privatschulen in das Hamburger Schulsystem ein.“ 13)