Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Lienhardstraße

Barmbek-Nord (1910): Zur Erinnerung an das hier gelegene Pestalozzistift, nach der Titelfigur des Werkes Pestalozzis „Lienhard und Gertrud“


Siehe auch: Pestalozzistraße

Diese Straße müsste besser nach Gertrud, seiner Frau, benannt werden. Sie ist die weitaus wichtigere Romanfigur, da sie eine vorbildliche Rolle spielt. Lienhard trinkt und spielt und bringt damit seine Frau und die gemeinsamen sieben Kinder in Not und Elend. Sie hingegen ist maßgeblich beteiligt an der Befreiung der Bauern aus ökonomischer Not. (Siehe auch in der Rubrik „Verschwiegene Frauen“ auf der Startseite der Straßennamendatenbank)

Mit Straßenbenennungen nach männlichen Roman- und Märchenfiguren begann Hamburg im Jahre 1910, mit nach weiblichen Roman- und Märchenfiguren bereits im Jahr 1904 (siehe dazu: Sentastraße und Ortrudstraße). 1910 war das Jahr, als in Berlin Demonstrationen gegen das Dreiklassenwahlrecht stattfanden und die deutsche Sozialistin und Frauenrechtlerin Clara Zetkin auf der Zweiten Internationalen Sozialistischen Frauenkonferenz in Kopenhagen die Einführung eines internationalen Frauentages vorschlug. In diesem, für die Gleichstellung der Frau und die „unteren“ Klassen politisch bemerkenswerten Jahr benannte Hamburg eine Straße am ehemaligen Pestalozzistift in Barmbek-Nord nach der Romanfigur „Lienhard“ aus dem zwischen 1781 und 1787 erschienenen vierbändigen Roman „Lienhard und Gertrud“ von Johann Heinrich Pestalozzi. Eine vorbildliche, wichtige Rolle in diesem Roman, der u. a. auch von den „unteren“ Klassen handelt, spielt die mutige und starke „Gertrud“. Die Mutter von sieben Kindern war maßgeblich beteiligt an der Befreiung der Bauern aus ökonomischer Not, in das sie Tyrannei und Korruption der Herrschenden gestürzt hatten. Unerschrocken hatte sich Gertrud zum neuen Grundherrn aufs Schloss begeben und den Dorfvorsteher verklagt. Dieser hatte als Besitzer und Wirt der Dorfschenke – in Absprache mit dem alten adligen Grundherren – die Bauern, Tagelöhner und Handwerker dazu verleitet, bei ihm Trinkschulden zu machen, und sie dadurch von ihm abhängig gemacht. Auch Gertruds Mann Lienhard war durch seine Trunksucht in die Fänge des Dorfvorstehers geraten und hatte damit seine Familie in Not und Elend gestürzt. Warum nach ihm die Straße benannt wurde, wir wissen es nicht. Gertrud hätte als Retterin ihrer Familie und der Bauernfamilien bestimmt einen Platz auf dem Straßenschild verdient.