Ortrudstraße
Barmbek-Süd, seit 1904. Gestalt aus Richard Wagners Oper „Lohengrin“, 1850
Siehe auch: Lisztstraße, Ottensen, seit 1929: Franz Liszt (1811–1886), Komponist, Pianist
Siehe auch: Lohengrinweg, Rissen, seit 1945: Gralsritter, Hauptheld, Sohn Parzivals, mittelhochdeutsches Gedicht
Siehe auch: Tristanweg, Sentastraße, Ortrudstraße, Parsifalweg, Isoldeweg, Tannhäuserweg, Rienzistraße, Wagnerstraßenbrücke
Mit „Senta“ (siehe Sentastraße) und „Ortrud“, zwei Frauengestalten aus Richard Wagners Opern „Der fliegende Holländer“ und „Lohengrin“, sowie mit einer Benennung einer Brücke nach Feen beginnt 1904 der Reigen der weiblichen Roman-, Märchen- und Liedfiguren nach denen Verkehrsflächen in Hamburg benannt wurden. An Ortrud werden die dunklen, dämonischen, unkontrollierbaren und zugleich faszinierenden Seiten der Frau dargestellt, die ihr zugeschrieben werden, wenn sie machtbewusst und dominant eigene Interessen verfolgt.
Im „Lohengrin“ stehen sich in einem Erbfolgestreit zwei Fürstinnen gegenüber, die als Prototypen idealer und gefürchteter Weiblichkeit konstruiert wurden: die Herzogstochter Elsa von Brabant, die den Ritter Lohengrin hingebungsvoll liebt, und ihre Gegenspielerin Ortrud, Nachfahrin eines Friesenfürsten und Gattin des Friedrich von Telramund, für den sie die Herrschaft über Brabant beansprucht. Mithin ist Ortrud die als gefährlich, intrigant und zauberisch gezeichnete Gegnerin Lohengrins, die noch die alten „entweihten Götter“ Wotan und Freia anruft. Wagner schildert Ortrud als Drahtzieherin des Komplotts gegen Elsa, gestaltet sie als unkontrollierbar rachsüchtig und dämonisch – Aspekte, die Frauen zugewiesen werden, wenn sie machtbewusst und dominant eigene Interessen verfolgen. Wagner charakterisierte Ortrud 1852 in einem Brief an Franz Liszt (siehe: Lisztstraße): „Ihr Wesen ist Politik. Ein politischer Mann ist widerlich, ein politisches Weib aber ist grauenhaft: diese Grauenhaftigkeit hatte ich darzustellen. Ihre ‚Liebe‘ kann sich nur als Haß gegen alles Lebende, wirklich Existierende äußern. Beim Manne wird solche Liebe lächerlich, bei dem Weibe aber furchtbar, weil das Weib – seinem natürlichen starken Liebesbedürfnisse – etwas lieben muß und der Ahnenstolz, der Hang zum Vergangenen, somit zum mörderischen Fanatismus wird. Wir kennen in der Geschichte keine grausameren Erscheinungen als politische Frauen. (…) Mit der ganzen Wucht eines – eben nur verkümmerten, unentwickelten, gegenstandslosen – weiblichen Liebesverlangen nimmt diese Leidenschaft sie ein: und daher ist sie furchtbar großartig. Nicht das mindeste Kleinliche darf daher in ihrer Darstellung vorkommen; niemals darf sie etwa nur maliziös oder pikiert erscheinen; jede Äußerung ihres Hohnes, ihrer Tücke, muß die ganze Gewalt des entsetzlichen Wahnsinns durchblicken lassen, der nur durch die Vernichtung anderer oder – durch die eigene Vernichtung zu befriedigen ist.‘“1)
Text: Birgit Kiupel
Der Historiker Felix Sassmannshausen schreibt in seinem für das Land Berlin verfassten Dossier über Straßen- und Platznamen mit antisemitischen Bezügen in Berlin: „Wagner war überzeugter Antisemit und Verfasser der antisemitischen Schrift ‚Das Judentum in der Musik‘ (1850). Werk und Weltbild lassen sich u. a. deshalb nicht trennen.“2) Deshalb gibt Sassmannshausen für die Berliner Lohengrinstraße die Handlungsempfehlung: „Umbenennung.“3).
Auch in Hamburg gibt es eine Lohengrinstraße und noch weitere Straßen, die nach Gestalten aus Wagner-Opern benannt sind. Würde man der Empfehlung von Felix Sassmannshausen folgen, dann müssten auch diese Straßen umbenannt werden.