Lißmannseck
Barmbek-Nord, seit 1929; nach dem Maler Fritz Lißmann (4.10.1880 Bremen - 27.9.1915 Flandern) und seinen Eltern, dem Opernsänger Friedrich Lißmann (26.5.1847 Berlin - 5.1.1894 Hamburg) und der Opernsängerin Anna Marie Lißmann (22.4.1847 Döbeln/Sachsen - 1928)
1929 wurde in Hamburg erstmals eine Straße nach einer Musikerin benannt. Die Ehre galt der Sopranistin Anna Marie Lißmann-Gutzschbach. Doch heißt die Straße nicht nach ihr allein, sondern ebenfalls nach ihrem Ehemann, dem Bass-Bariton Friedrich Heinrich Lißmann, und ihrem Sohn, dem Maler Fritz Lißmann. 70 Jahre später, 1999 das gleiche Spiel: Der Geschwister-Mendelssohn-Stieg wurde nach Fanny Hensel, geb. Mendelssohn, und ihrem Bruder Felix Mendelssohn benannt. Erst im Jahre 2003 wurde erstmals eine Straße allein nach einer Musikerin benannt: Mit dem Amália-Rodrigues-Weg wird an die portugiesische Fado-Sängerin erinnert.
Nach einem Musiker wurde bereits 1860 eine Straße benannt: Bachstraße.
Warum bislang nur wenige Musikerinnen mit Straßenbenennungen geehrt wurden, obwohl etliche professionelle Sängerinnen und Musikerinnen in den früheren Jahrhunderten zu Ruhm und Vermögen gelangten, liegt wohl auch an ihrer damals umstrittenen gesellschaftlichen Stellung, denn öffentliche Auftritte von Frauen, ihre Körperlichkeit und Stimme, wurden lange Zeit als verführerisch beargwöhnt. Vielen Sängerinnen wurde freizügige Sexualität, ja Prostitution unterstellt, und noch bis weit ins 18. Jahrhundert hinein durften Sängerinnen nicht in der Kirche ihre Stimme erheben. Deshalb stammten viele Sängerinnen aus Musikerfamilien, in denen das Wirken in der Öffentlichkeit nicht als Makel galt, sondern als unerlässliche Voraussetzung für ihre Ausbildung und die Ausübung ihres Berufes. Viele Sängerinnen waren ohnehin darauf bedacht, sich den Ruf einer „ehrbaren Frau“ zu erwerben, und führten ihre Karriere als Ehefrau eines Musikers oder Komponisten fort. Wenn Sängerinnen Männer außerhalb des Berufsfeldes „Musik“ heirateten, mussten sie in der Regel nach ihrer Eheschließung ihren Abschied von der Bühne nehmen, da ihre Profession in adligen und bürgerlichen Kreisen nicht anerkannt war und die so genannten guten Sitten verletzte.
Eine Ausbildung als Musikerin auf professionellem Niveau war zwar etlichen Mädchen und Frauen möglich, doch nur durch Privatunterricht. Mädchen hatten nicht die Möglichkeit wie Jungen, etwa in Lateinschulen und Kirchenchören musikalische Theorie und Praxis zu lernen und zu üben. Auch durften sie später nicht als professionelle Musikerinnen etwa in Orchestern oder als Kapellmeisterinnen arbeiten. Etliche Instrumente galten als „unschicklich“ für Frauen, wie beispielsweise das Cello oder auch Blasinstrumente. Aber als Virtuosinnen an Tasteninstrumenten oder der Harfe und als Musikpädagoginnen konnten sich einige Frauen eine anerkannte Existenz erarbeiten.
Die Arbeitsmöglichkeiten für professionelle Musikerinnen in Orchestern und als Dirigentinnen verbesserten sich nach dem Zweiten Weltkrieg nur langsam, insbesondere waren die Vorbehalte gegen Dirigentinnen zäh und dauerhaft. Diskriminierungen bekannter Musikerinnen und frauenfeindliche Ausfälle gefeierter Dirigenten-Patriarchen sollen jedoch nicht wiederholt werden. Denn auch hier wirkten sich der gesellschaftliche Wandel und der Mut von Musikerinnen und Musikern positiv aus, insbesondere in der Alten Musik und bei kleinen Orchestern.
Die Sopranistin Anna Marie Gutzschebauch, verheiratete Lißmann war die Tochter eines Pfarrers. 1871 begann sie ihre Bühnenkarriere als Soubrette am Opernhaus in Leipzig. Ihre Antrittsrolle war die Leonore in „Alessandro Stradella“ von Flotow. (siehe: Stradellakehre).
1875, mit 28 Jahren, heiratete sie ihren Sängerkollegen am Leipziger Opernhaus, den Baß-Bariton Friedrich Heinrich Lißmann. Das Paar bekam drei Kinder: Fritz 1880-1915), Maler, Hans (1885 - 1964), der später ein Bühnen- und Konzerttenor wurde, und Eva-Katharina (1883-26.4.1945), die zu einer bedeutenden Konzertsängerin avancierte. 1879 erhielt Anna Marie Lißmann ein festes Engagement am Hamburger Stadttheater. Von 1880 bis 1883 war sie mit ihrem Mann am Stadttheater in Bremen engagiert und von 1883 bis 1893 wieder in Hamburg. 1893 nahm sie von der Bühne Abschied. Ihre letzte Rolle war die Maria im „Waffenschmied“ von Lortzing. Sie war aber weiterhin als Konzertsängerin und Pädagogin in Hamburg tätig. 1)
Der Ehemann: Friedrich Heinrich Lißmann
Heinrich Friedrich sollte nach dem Wunsch seines Vaters, einem Mühlenbaumeister, Kaufmann werden. „Er machte daher auch, wenn auch mit innerlichem Widerstreben, seine Lehrzeit pünktlich durch. Da es sich jedoch zeigte, daß er eine kräftige Baß-Bariton-Stimme besaß, die sich immer prächtiger entwickelte, und seine Versuche bei den ersten Autoritäten des damaligen musikalischen Berlin Aufmunterung fanden, ertheilte ihm der Vater die Erlaubniß, sich bei Joseph Hilmer, einem Schüler Garcia's, im Gesang ausbilden zu lassen. Gleichzeitig nahm er bei Julius Hein, dem Director des kgl. Schauspiels in Berlin, dramatischen Unterricht. Als er sich ein Repertoire von zwanzig Opern angeeignet hatte, betrat er, kaum zwanzig Jahre alt, am 21. September 1868, auf dem Aktien-Theater in Zürich als Alfonso in ‚Lucrezia Borgia‘ die Bretter, die die Welt bedeuten.“ 2) Ab 1872 war er am Stadttheater in Lübeck engagiert und ging von dort aus mehrmals auf Gastspiele. 1873 erhielt er dort ein festes Engagement und lernte seine spätere Ehefrau kennen.
Das Paar verließ 1878 Leipzig und ging „nach Frankfurt a. M., um sich noch zwei Jahre lang bei Julius Stockhausen im Gesang zu vervollkommnen und für den Concert- und Oratoriengesang auszubilden.“ 3)
1879 erhielt Friedrich Lißmann ein Engagement am Bremer Stadttheater, Anna Maria Lißmann eines am Hamburger Stadttheater. Ein Jahr später, 1880 wurde das erste Kind geboren.
Ab 1883, im Jahr, als das zweite Kind des Paares zur Welt kam, waren Friedrich und Anne Marie Lißmann gemeinsam am Hamburger Stadttheater engagiert. 1885 wurde das dritte Kind geboren.
Ein Jahr, nachdem Anna Marie Lißmann ihre Bühnenkarriere aufgegeben hatte – sie war damals 46 Jahre alt – starb Friedrich Lißmann plötzlich an einem Schlaganfall.
Der Sohn: Fritz Lißmann
Der Sohn Fritz Lißmann wurde ein bekannter Maler, besonders für seine Vogelbilder. Fritz Lißmann besaß gute zoologische und ornithologische Kenntnisse.
„Der Künstler übersiedelte bereits im Alter von drei Jahren mit den Eltern (…) nach Hamburg. Seine Neigungen zeigten sich früh und so bezog er nach Abschluß der Schule die Kunstakademie in Karlsruhe, wo Trübner [siehe: Trübnerweg] und Weißhaupt seine Lehrer waren.
1906 machte sich Lißmann selbständig. Studienreisen führten ihn zweimal auf die Insel Hiddensee, zur Insel Sylt, nach Dänemark und dreimal nach Island. Ein großer Teil seiner Werke ist auf Island entstanden. In dieser unverfälschten Natur mit ihren Vulkan -, Fjord - und Gletscherlandschaften hat er die stärksten Impulse empfangen. (…) Ein häufiges Ziel in der engeren Heimat war das Gebiet um Otterndorf an der Niederelbe. (…).“ 4)
Während des Ersten Weltkriegs wurde Fritz Lißmann im Alter von 34 Jahren in Flandern als Soldat getötet.