Mommsenstraße
Blankenese (1928): Theodor Mommsen (30.11.1817 Garding/Eiderstedt – 1.11.1903 Berlin), Historiker, Mitglied des preußischen Land- und Reichstag, Nobelpreisträger für Literatur.
Erstmals 1928 wurde in Hamburg mit der Mommsenstraße eine Verkehrsfläche nach einem Nobelpreisträger benannt. Nach einer Nobelpreisträgerin heißt seit 1947 erstmals eine Straße in Hamburg (Lagerlöfstraße). Insgesamt wurden bisher 37 Straßen in Hamburg nach Nobelpreisträger_innen benannt. Unter ihnen befinden sich zwei Nobelpreisträgerinnen (Lagerlöfstraße und Stuttnerstraße).
Der Nobelpreis wird seit 1901 jährlich in den Sparten Physik, Chemie, Medizin, Literatur, für Friedensbemühungen und seit 1968 auch auf dem Gebiet der Wirtschaft verliehen. Der Anteil der ausgezeichneten Frauen liegt bei ca. 5,3%. Dieses Zahlenverhältnis spiegelt sich auch bei den nach Nobelpreisträgerinnen und -trägern benannten Straßen wider.
Theodor Mommsens Mutter war Sophie Mommsen, geborene Krumbhaar, sein Vater der Pastor Jens Mommsen. Dieser unterrichtete seine ältesten beiden Söhne – darunter Theodor – zunächst selbst, wobei er ihnen seine Liebe zur Antike vermittelte. Ab 1834 besuchte Theodor Mommsen das Christianeum in Altona und begann 1838 ein Jurastudium an der Universität in Kiel, wobei seine Vorliebe der römischen Rechtsgeschichte galt. Nach seiner 1843 erfolgten Promotion wurde er Lehrer an der von seinen Tanten Krumbhaar betriebenen Mädchenschule in Altona. Diese Tätigkeit sah er aber nur als Übergangslösung an, denn er „bewarb sich um das große dänische Reisestipendium. ‚Die Sammlung und Bearbeitung aller aus dem römischen Altertum uns übrigen Gesetze und Volksschlüsse‘“. 1) Das Stipendium wurde ihm bewilligt und es begann ein dreijähriger Auslandsaufenthalt in Frankreich und vornehmlich in Italien. Die Studien, die er dort betrieb, wurden für seine weitere wissenschaftliche Laufbahn entscheidend. Allerdings bekam er nach seiner Rückkehr keine entsprechende Stellung, so dass er wieder in der Mädchenschule seiner Tanten arbeiten musste.
„Aber 1848 trieb ihn schon die Februarrevolution in Hamburg aus der Schulstube auf die Straße. Der Provisorischen Regierung in Schleswig-Holstein stellte er sich sofort zur Verfügung und trat auf Veranlassung Theodor Olshausens in die Redaktion der ‚Schleswig-Holsteinischen Zeitung‘ ein, der er in kurzer Zeit einen Namen schaffte. Seine brillanten Artikel galten vor allem der politischen Bildung seiner Landsleute. Die nationale Frage stand deshalb im Vordergrund; und während M. vorher und besonders später von Preußen die Führung bei der Einigung Deutschlands erwartete, forderte er in diesen Monaten der Revolution auch das Aufgehen Preußens im gemeinsamen demokratischen Staat.“ 2) Doch nach dreimonatiger publizistischer Arbeit bei der Zeitung musste er diesen Posten wieder aufgeben, weil er Kritik an der Landesversammlung geübt hatte. Er sah es „als selbstverständlich an (..), seine ‚Freiheit auch der Partei der Freiheit nicht aufzuopfern‘“. 3)
1848 erhielt er endlich eine für ihn adäquate Anstellung: er bekam das Extraordinariat für Römisches Recht in Leipzig.
Mommsen betätigte sich auch weiterhin auf politischem Gebiet, denn dies sah er als seine Bürgerpflicht an.
„Nach einer Beteiligung am Maiaufstand 1849 im Rahmen des ‚Deutschen Vereins‘ [Ziel des Aufstands war der Sturz des sächsischen Königs, um eine Republik einzurichten.] wurde er zunächst zu Gefängnis verurteilt, in der Berufung freigesprochen, aber 1851 zusammen mit seinen Freunden Moritz Haupt und O. Jahn aus dem akademischen Lehramt entlassen. Vielfältige Hilfe, die ihm geboten wurde, bezeugt die wissenschaftliche und menschliche Wertschätzung, deren er sich bereits erfreute; aber er wurde auch der ‚rote Mommsen‘ genannt. Bezeichnend für seinen politischen Einsatz in Schleswig-Holstein und Sachsen sind seine späteren Äußerungen, daß der Mensch so angelegt sei, ‚daß er sowohl von rechts wie von links gehauen werden kann‘, daß es jedoch der ‚schlimmste aller Fehler‘ sei, ‚wenn man den Rock des Bürgers auszieht, um den gelehrten Schlaf rock nicht zu kompromittieren‘.“ 4)
In Leipzig begann er seine „Römische Geschichte“ zu schreiben. Diese Publikation begründete Mommsens Weltruhm; es wurde in mehrere Sprachen übersetzt und nicht nur von wissenschaftlich Tätigen gelesen, sondern auch von dem sogenannten Bildungsbürgertum. Hierfür erhielt er 1902 den Nobelpreis für Literatur.
1852 wurde Mommsen in Zürich Professor für Römisches Recht; im selben Jahr auch Mitglied der Bayerischen und korrespondierendes Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften. In Zürich blieb er bis 1854. Im selben Jahr seines Weggangs aus Zürich – er folgte einem Ruf nach Breslau - heiratete der damals 37Jährige die damals 22-jährige Maria Auguste Reimer (1.7.1832 Leipzig - 6.3.1907 Berlin), die Tochter seines Verlegers. „Marie Auguste kam aus wohlhabendem Hause und muss jetzt mit bescheideneren Verhältnissen zurechtkommen. Die Verlegerstochter führt nun ein Leben in gewisser Einfachheit und Anspruchslosigkeit. Im Kleinen wird bis zum äußersten gespart. Marie Auguste ist still und zurückhaltend. Ihr leicht erregbarer und leidenschaftlicher Mann braucht solch eine stille und gütige Frau an seiner Seite. ‚Du Segen unserem Haus‘ so charakterisierte Mommsen einmal das stille Wirken seiner Frau. (…). 1855 wird das erste Kind der Familie geboren und 1876 das sechzehnte und letzte. Von den 16 Kindern überleben 12 die Eltern.“ 5)
Vier Jahre nach der Hochzeit, nun bereits Vater von kleinen Kindern, erhielt Mommsen endlich eine Forschungsprofessur an der Preußischen Akademie der Wissenschaften in Berlin und 1861 einen Lehrstuhl für römische Altertumskunde an der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin. Bis 1885 hielt er hier Vorlesungen, doch seine Forschungstätigkeit stand für ihn an erster Stelle. In Ruhe forschen konnte er Dank seiner Ehefrau, denn diese widmete sich den sechszehn gemeinsamen Kindern. Sie erzog sie, zog sie auf und bewältigte die vielen Schwangerschaften und Geburten neben der Haushaltsführung. Thomas Hill schreibt in seiner Biografie über Mommsen, dass dieser sich auch um die Erziehung seiner Kinder gekümmert habe. „So sorgte er dafür, daß auch seine Töchter einen Beruf erlernten, was seinerzeit die große Ausnahme war.“ 6) Das ist allerdings kein Beweis dafür, dass sich Mommsen konstant um die Erziehung seiner Kinder bekümmerte. Seiner Frau schrieb er während der Ehe immer immer wieder Liebesbriefe.
Im Alter litt Mommsen an depressiven Verstimmungen, auch ein Resultat seiner permanenten geistigen Beanspruchung. Mommsen verfasste ca. 1500 Studien, geschrieben mit Gänsekiel und später mit Federhalter mit Goldfeder.
Auf politischem Gebiet – Mommsen war 1861 Mitbegründer der liberalen deutschen Fortschrittspartei, von 1873-1879 Abgeordneter im preußischen Landtag und von 1881 bis 1884 Abgeordneter im Reichstag (für die Fortschrittspartei und später für die Nationalliberalen) – empfahl zum Schluss seines Lebens ein Zusammengehen von Liberalismus und Sozialdemokratie, denn er war von der Politik des Kaiserreiches ernüchtert.
„Aus Mißmut über die bürgerliche Politik begann M., mit den Sozialisten zu sympathisieren, was bisweilen als schockierend empfunden wurde. 1881 strengte Bismarck [siehe: Bismarckstraße] eine Beleidigungsklage gegen M. an, dessen Protest gegen die ‚Politik des Schwindels‘ und den ‚größten der Opportunisten‘ offenbar auf den Kanzler gemünzt war. M. bestritt dies und wurde freigesprochen.“ 7)
Mommsen setzte sich für die Gleichberechtigung der Menschen jüdischen Glaubens ein. „1890 [war er] einer der führenden Gründer des Vereins zur Abwehr des Antisemitismus“. 8)
„Noch im Jahre vor seinem Tod hatte er die Vision einer ‚heiligen Allianz der Völker‘, die alle Fehler vermiede, die er dem Imperium Romanum anlastete: Wohlstand vor Freiheit, Egoismus vor Patriotismus, Lebensgenuß vor Geistesarbeit.“ 9)