Monetastraße
Rotherbaum (1948): Ernesto Teodoro Moneta (20.9.1833 Mailand -10.2.1918 Mailand), Politiker, Friedensnobelpreisträger.
Vor 1948 hieß die Straße Casernenweg, benannt 1872. Der Weg führte zum Eingang der Kaserne des 2. Hanseatischen Infanterie-Regiments Nr. 76. (vgl.: Staatsarchiv Hamburg 133-1 II, 26819/38 Geschäftsakten betr. Straßennamen B. Die große Umbenennung hamb. Straßen 1938-1946. Ergebnisse der Umbenennung in amtlichen Listen der alten und neuen Straßennamen vom Dez. 1938 und Dez. 1946) und (vgl.: Staatsarchiv Hamburg, Registratur Staatsarchiv AZ. 1521-1/5 Band 3-5: Straßennamen (neue Kartei), alphabetisch geordnet mit Hinweisen).
Die Umbenennung - wie auch andere Umbenennungen - erfolgten auf Anweisung der britischen Militärregierung, denn „vor dem Hintergrund der veränderten politischen Landschaft gerieten die sogenannten ‚militärischen‘ Namen erstmals ins Blickfeld. Die Umbenennung dieser Namensgruppe wurde durch eine ausdrückliche Anweisung der Militärregierung veranlaßt und stellte die zweite Welle von politisch motivierten Umbenennungen der Nachkriegszeit dar. Im Jahre 1946 gab es nach einer Aufstellung des Bauamtes 145 Straßen, die nach ‚Militärpersonen, militärischen Ereignissen und militärischen Einrichtungen‘ benannt worden waren. Etwa 18 davon waren in der Zeit zwischen 1933 bis 1945 entstanden. (…). Der Senat erörterte dieses Thema in seiner Sitzung am 22. Januar 1946. Man betrachtete lediglich 37 Namen als nicht akzeptabel, darunter 28 Namen von Generälen und Admirälen und einigen militärischen Einrichtungen aus der Zeit des Ersten Weltkrieges. Sie wurden im Laufe der nächsten zwei Jahre umbenannt.“ (Siehe auch unter Kriegerdankweg und Paul-Bäumer-Brücke). (Bericht über Umbenennungen von Straßennamen in Hamburg seit 1918, März 1987, Staatsarchiv Hamburg, S. 16.)
Ernesto Teodoro Moneta war der Sohn von Giuseppina Muzio und Carlo Aurelio Moneta. Beide entstammten dem gutsituierten lombardischen Bürgertum. Von seinem Vater hatte Carlo Moneta eine Fabrik zur Produktion moderner Reinigungsmittel übernommen; später war er im Eisenwarenhandel tätig. Seinen Angestellten und Arbeitern gegenüber war Carlo Moneta sozial eingestellt. Damit beeinflusste er auch die Wertevorstellungen seines Sohnes Ernesto. 1) Gleichzeitig erzog er seinen Sohn im patriotischen Sinne, ohne dabei aber „Haß oder Ressentiments gegen andere Völker“ 2) zu schüren.
Bereits im Alter von 15 Jahren nahm Ernesto Moneta 1848 am Mailänder Aufstand teil, der sich gegen die österreichische Besetzung richtetet. Gemeinsam mit seinem Vater verteidigte er das Elternhaus. Dabei sah er drei österreichische Soldaten sterben. Hier scheinen die Wurzeln für Monetas Engagement für den Frieden, aber auch für den Kampf um Freiheit für ein Volk, dessen Land von einer anderen Nation besetzt wurde, zu liegen.
1859 meldetet er sich beim Alpenregiment und kämpfte 1860 mit dem italienischen Freiheitskämpfer „Giuseppe Garibaldi in Kalabrien als Adjutant seines Generals, (…). 1866 verließ er nach der verlorenen Schlacht bei Custoza die Armee und wurde Redakteur bei der Mailänder Zeitung Il Secolo.“ 3)
In seinen Artikeln „unterstützte er die 1870 endlich vollzogene Einigung Italiens. Zum Pazifismus führte ihn die Sorge um die zukünftige Rolle des vereinigten Italiens im [Zusammenwirken] der europäischen Staaten. Frieden war für ihn kein Wert an sich, sondern Garant für den Bestand des neuen Italiens. ‚Il secolo‘ wurde zum Forum seiner leidenschaftlichen Appelle für die Aussöhnung der Völker und entwickelte sich damit zur einflussreichsten Zeitung Italiens.“4) Auch Bertha von Suttner (siehe: Suttnerstraße) schrieb Artikel für diese Zeitung.
1874 heiratete der damals 41-Jährige Ersillia Caglio. Sie war eine Freundin seiner beiden ledigen Schwestern. Das Paar bekam zwei Söhne, doch die Ehe soll nicht glücklich gewesen sein. Nach außen hin zeigte sich das Paar dennoch harmonisch. „Ersillia wird als verschlossen, scheu, allen weltlichen Freuden gegenüber mißtrauisch und als überaus sittenstrenge Katholikin charakterisiert“, 5) so Ute Buse. Diese religiöse Einstellung war kaum kompatibel mit der des eher freidenkenden Ehemannes. Dieser war zwar auch zutiefst religiös, aber gleichzeitig antiklerikal, denn er war der Auffassung, „dass spezifische Missbräuche unter den Geistlichen die italienische Vereinigung und den sozialen Fortschritt behinderten“. 6)
1899 starb seine Frau an Brustkrebs. Fortan unterstützt wurde er im familiären Kreis von seinen beiden unverheirateten Schwestern, zu denen er eine liebevolle Beziehung pflegte. 7)
1887 gründete Moneta die Lombardische Friedensliga Unione Lombarda per la Pace e l'Arbitrariato. Sie wurde zur wichtigsten Friedensorganisation Italiens. Drei Jahre später, rief er die Zeitschrift „Der Friedensfreund“ („Almenace della Pace“) ins Leben. „1891 wurde er der Vertreter Italiens in dem von Elie Ducommun (Nobelpreis 1902) gegründeten ‚Internationalen Ständigen Friedensbüro‘. 1896 gründete Moneta die Zeitschrift ‚La vita internazionale‘ (‚Das internationale Leben‘), in der er für einen friedlichen Ausgleich zwischen Italien und Frankreich eintrat. 1903 erschien der erste Band seines literarischen Hauptwerks ‚Die Kriege, die Aufstände und der Friede im 19. Jahrhundert‘. Hier kam der einstige militante Kämpfer für die Freiheit Italiens zu der Erkenntnis, dass der Krieg keine Lösung für internationale Konflikte biete,“ 8) steht im Universal Lexikon geschrieben.
Moneta, der schon seit Jahren an einem Glaukom im linken Auge litt, drohte ab 1900 völlig zu erblinden. Trotz dieser Beeinträchtigung engagierte er sich weiterhin.
1907 erhielt er gemeinsam mit dem französischen Juristen Louis Renault den Friedensnobelpreis.
Unterstützt in seinen Friedensaktivitäten wurde Moneta von Rosalia Gwiss Adami (1880-1930), die seine Friedenseinstellung teilte. 1908 war sie, die zuvor als Romanschriftstellerin aufgetreten war, der Friedensbewegung beigetreten. Sie war damals „eine der wenigen Frauen aus der breiten Mittelschicht, die an der Friedensbewegung teilnahm und die eine wichtige Position in einer der bedeutenderen Friedensgesellschaften erlangt hatte.“ 9)
Als Monetas Sehkraft immer mehr nachließ, wurde Rosalia Gwiss Adami seine Assistentin. „1909 brachte sie eine eigene Zeitschrift ‚Giovine Europa‘ (…) heraus. In den Jahren von 1909 bis 1914 erschienen zahlreiche Artikel aus ihrer Feder in ‚La Vita Internazionale‘. So fungierte sie u. a. als Berichterstatterin über den XVIII. Internationalen Friedenskongreß und den VI. Nationalkongreß in Como,“ 10) schreibt Ute Buse.
Rosalia Gwiss Adami setzte sich auch für die Rechte der Frau ein. Sie forderte eine einheitliche Erziehung von Jungen und Mädchen und ein Zusammenwirken von Mann und Frau auf Augenhöhe und gleichberechtigt.
Sie war Präsidentin der Società delle giovinette italiane, einer Friedensgesellschaft junger Italienerinnen, deren Ehrenpräsident Moneta 1910 wurde und „entwickelte“, so Ute Buse, „ein ganz eigenwilliges Frauenbild. Die Frau könne viel für die universelle Verbrüderung tun. Instinktmäßig meide sie jede Form von Gewalt. Die praktische Aktion der Frau im Pazifismus müsse in erster Linie erzieherisch wirken.“ 11) Auch zur Stellung der Frau im Krieg war ihre Position, die sie mit Moneta teilte, mehr als eigenwillig. Sie vertrat die These, so Ute Buse: „der Krieg könne viele auf den Frauen lastende Vorurteile abbauen, denn er gebe ihnen die Möglichkeit, alles Weibliche und Gekünzelte abzulegen und ohne die Maske des bisherigen oberflächlichen Lebens die wahren Energien freizulegen.“12)
Zurück zu Moneta:
Obwohl Moneta Pazifist war, war er der Auffassung, dass ein von anderen Mächten okkupiertes Volk seine Freiheit auch mit Waffengewalt durchsetzen dürfe. Diese Meinung lag sicherlich in seiner Kindheit und Jugend begründet, in der er bereits die Unterdrückung seines Volkes durch eine andere Staatsmacht zu spüren bekommen hatte. Man nannte ihn deshalb auch einen „militanten Pazifisten“. Ute Buse schreibt in ihrer wissenschaftlichen Abhandlung über Ernesto Teodoro Moneta, dieser sah mit anderen Führern „großer pazifistischer Bewegungen (…) bestimmte Arten von Kriegen als erlaubt oder sogar als heilig an, ebenso wie Revolutionen zur Beseitigung absolutistischer Monarchien.“13)
1911 unterstützte er allerdings: „den imperialistischen Kurs der italienischen Regierung gegen die Türkei im Konflikt um Nordafrika.“ 14) Damals hatte Italien der Türkei den Krieg erklärt. Ute Buse erläutert, mit welchen Argumenten sich Moneta rechtfertigte, wobei er seine europäische Kultur über die anderer Kulturen stellte: „Da Italien von den anderen europäischen Nationen zu diesem kriegerischen Vorgehen gezwungen worden sei, müsse es nun eine doppelte Pflicht erfüllen: erstens, in politischer Hinsicht gehe es um die Wiederherstellung des Gleichgewichts im Mittelmeerraum; zweitens, in zivilisatorischer Hinsicht handele es sich darum, den betreffenden Ländern Afrikas die Segnungen der europäischen Kultur zu erschließen.“ 15)
Auch der Eintritt Italiens in den Ersten Weltkrieg wurde von Moneta befürwortet. Ute Buse kommt zu dem Schluss: „Moneta vertrat einen mit irrationalem Pathos befrachteten Nationalismus (…). [Er] hatte die Vision einer friedlich koexistierenden Menschheitsfamilie, die auf der Pluralität individueller Nationen mit unterschiedlicher Sprache, Charakter und Tradition basierte. (…) Zur Verwirklichung des hohen Zieles ist für Moneta ein demokratischer Staat erforderlich, jedoch basierend auf einer Elite, die durch Vorbild und Erziehung das Volk zu einem harmonischen Miteinander führen soll.“ 16)
In dieses Bild passt auch seine Befürwortung des Kolonialismus, denn er war „von der Notwendigkeit kolonialer Eroberungen der zivilisierten Länder überzeugt“, 17) schreibt Ute Buse.