Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Neanderstraße

Neustadt (1948): Johannes August Wilhelm Neander (16.1.1789 Göttingen – 14.7.1850 Berlin), Theologe, Prof. für Kirchengeschichte.


Siehe auch: Gurlittstraße
Siehe auch: Sievekingsallee
Siehe auch: Perthesweg

Wegen Neanders jüdischer Herkunft wurde die Straße in der NS-Zeit 1938 umbenannt in Quellenweg. Nach der Befreiung vom Nationalsozialismus erfolgte keine Rückbenennung. 1948 wurde im Hamburger Stadtteil Neustadt eine andere Straße nach Neander benannt. Registratur Staatsarchiv Az. 1520-3/0. Antwort auf Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Prosch (CDU), Straßen mit Namen jüdischer Bürger, Bürgerschaftsdrucksache 11/2389 vom 7.5.1984.)

August Neanders Geburtsname war David Mendel. Er war der Sohn von Esther Mendel, geborene Gottschalk und des Kaufmanns und Geldverleihers Emanuel Mendel und hatte noch fünf Geschwister.

„Da Emanuel Gumprecht Mendel illegale Kleinkredite an Studenten vergeben hatte, verlor er 1796 das Aufenthaltsrecht in Göttingen. Um 1800 wohnte er in Hamburg, verließ seine Familie aber spätestens 1806 und war danach in prekären finanziellen Verhältnissen. Mutter und Kinder lebten seitdem getrennt vom Vater in Hamburg“ 1), wo auch Esther Mendels Schwager Martin Joseph Haller lebte.

Neander kam mit der Literatur der Romantik in Berührung, las Platon. 1806 konvertierte er zum Luthertum und nahm den Namen Neander an. „Ausschlaggebend für seine Konversion zum Christentum war (…) wahrscheinlich, dass sein Onkel väterlicherseits, der Hannoveraner Mediziner Johann Stieglitz, diese zur Bedingung für die Finanzierung seines Studiums gemacht hatte. Der Entschluss wurde ihm dadurch erleichtert, dass sein Bruder Ludwig Carl Adolph bereits 1804 getauft worden war.“ 2) Johannes Gurlitt (siehe: Gurlittstraße) war Neanders Taufpate und Förderer.
Neander studierte zwischen 1806 und 1809 Theologie und wandte sich besonders der Kirchengeschichte zu. 1811 folgte die Habilitation und danach sein Werk „Ueber den Kayser Julianus und sein Zeitalter“. Dirk Moldenhauer schreibt über Neanders weiteren Werdegang u. a.: „Spätestens hierdurch, und zwar vermutlich auf Vermittlung seines Verlegers Friedrich Perthes [siehe: Perthesweg], wurden die preußischen Ministerialbeamten Ludwig Nicolovius und Barthold Georg Niebuhr auf ihn aufmerksam und bewirkten 1813 Neanders Berufung auf den Lehrstuhl für Kirchengeschichte an der neuen Berliner Universität. Kurz darauf führte ihn sein Hamburger Freund Karl Sieveking [siehe: Sievekingsallee] in die Berliner Erweckungsbewegung um die Gerlach-Brüder ein. Unter diesem Einfluss gab er 1823 gemeinsam mit August Tholuck die ‚Denkwürdigkeiten aus der Geschichte des Christenthums und des christlichen Lebens‘ heraus, eine theologische Zeitschrift für das breitere Publikum.“ 2)
Später „distanzierte sich [Neander] von der Bibel- und Bekenntnisorthodoxie des Gerlach-Kreises. (…) Sein Hauptwerk, die ‚Allgemeine Geschichte der christlichen Religion und Kirche‘ erschien ab 1825 und wuchs bis 1852 auf insgesamt sechs Bände an. Es umfasst den Zeitraum von Christi Geburt bis zum Konzil von Basel (1431-49) und zählt wegen seiner Verwurzelung in der Erweckungsbewegung, der breiten Quellenauswertung und der einfühlsamen biografischen Skizzen zu den bedeutendsten Kirchen geschichtlichen Darstellungen des 18. Jahrhunderts,“ 3) so Dirk Moldenhauer.

Neander trat für die Freiheit der Wissenschaft ein und lehnte eine staatliche Zensur ab. Er unterstützte begabte Studenten und rief 1828 einen Verein zu Unterstützung kranker Studenten ins Leben.
Neander, der seit 1839 Mitglied der Berliner Akademie der Wissenschaften war, stellte in seinen Schriften: „die Kirchengeschichte als Frömmigkeitsgeschichte dar, sie laden ein zur persönlichen ‚Erbauung‘. Er verband die historische Darstellung mit dem Anliegen der Erweckung. (…) Nicht in einem dogmatischen Kanon, der durch die Jahrhunderte zu tradieren wäre, sondern in einer von Jesus Christus als dem ‚Urquell‘ ausgehenden Vitalität sah Neander die Kontinuität des christlichen Glaubens gewährleistet. Dies ermöglichte ihm, alle Persönlichkeiten der Christentumsgeschichte als individuelle Ausformungen dieser Vitalität zu würdigen; problematische Aspekte (‚unreine Elemente‘) zeigten in diesem Sinne die Kraft und Lebendigkeit des christlichen Glaubens. Weder teilte Neander das lineare Fortschrittsdenken der Aufklärung, noch machte er sich die moralistische Geschichtsbetrachtung der Erweckungsbewegung zu eigen, die dazu neigte, die Kirchengeschichte in der nachapostolischen Zeit als Verfallsgeschichte zu deuten.“4)

In der Neuen Deutschen Biographie heißt es u. a. über Neanders theologische Einstellung: „N. glaubte an die Möglichkeit eines weltweiten freien Freundschaftsbundes der Christen in allen Kirchen im Sinne einer die Humanisierung der Menschheit fördernden Kraft; orthodoxe und erweckte Intoleranz lehnte er ab. Er förderte als 'Direktor' im Vorstand der preuß. Hauptbibelgesellschaft sowie durch seine Geschichtsschreibung, die wesentlich Missionsgeschichte ist, die Weltmission, hielt aber Judenmission für unnötig. Die Aufklärung sah er als notwendiges Durchgangsstadium, das nur durch freie Entwicklung kritischen und christlichen Geistes überwunden werden könne.“ 5)

August Neander blieb unverheiratet. Seinen Haushalt führte ihm seine 1782 geborene Schwester Johanna Carolina (Hannchen).