Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Oelsnerring

Osdorf (1965): Prof. Dr. Gustav Oelsner (23.2.1879 Posen - 26.4.1956 Hamburg), Senator in Altona, Architekt, Baudirektor in Hamburg.


Siehe auch: Fritz-Schumacher-Allee
Siehe auch: Max-Brauer-Allee
Siehe auch: Paul-Nevermann-Platz

Oelsner war der Sohn deutscher Juden und konvertierte in seiner Jugend zum evangelischen Glauben. Er studierte von 1896 bis 1900 Architektur im Hochbaufach an der Technischen Hochschule in Berlin Charlottenburg mit dem Abschluss Regierungsbaumeister. Außerdem studierte er noch einige Semester an der Technischen Hochschule in München mit dem Abschluss im Jahre 1900 als Regierungsbauführer. Nach Studienaufenthalten in Italien arbeitete Oelsner einige Jahre in verschiedenen Architekturbüros.

Oelsner beschäftigte sich sehr mit der Städtebaureform und der Sozialhygiene - Licht und Luft. Eine grüne Lunge etc. waren wichtig für eine gesunde Bevölkerung, besonders auch der Arbeiterschaft, die meist unter ungesunden Wohnverhältnissen litt.

Oelsner wurde Bauleiter der Technischen Hochschule in Breslau, später Bauinspektor im Gemeindedienst der Stadt Breslau und dann Stadtbaurat in Kattowitz (1911-1922). 1924 wurde Oelsner parteiloser Bausenator, später bis 1933 Stadtbaurat in Altona.

Oelsner war eng mit Fritz Schumacher (siehe: Fritz-Schumacher-Allee) befreundet. „Oelsner lebte ebenso wie Schumacher unverheiratet und tauschte sich mit ihm über Kunst und Literatur aus. Schumacher, der wesentlich mehr publizierte, würdigte häufig die Leistungen Oelsners (…) Gustav Oelsner (…) wurde neben Fritz Schumacher auf dem Friedhof Ohlsdorf im Bereich des Althamburgischen Gedächtnisfriedhofs beigesetzt.“ 1)

Als 2019 das „Bauhaus“ hundertjährigen Geburtstag feierte, schrieb Matthias Iken vom Hamburger Abendblatt einen Artikel über Gustav Oelsner, dem er den Titel gab „Der vergessene Baumeister“. Darin heißt es u. a.: „Dieser Mann hat den Bezirk Altona geprägt wie kein Zweiter, seine Werke sind fast 100 Jahre alt und zeitlos zugleich, seine Wohnungen bis heute begehrt. (…) Wer durch Ottensen oder Altona, Bahrenfeld oder Othmarschen streift, trifft fast zwangsläufig auf Oelsners Erbe. Die vielleicht bekannteste Erinnerung ist die Gewerbeschule ‚Haus der Jugend‘ gegenüber dem Altonaer Rathaus. Der kompromisslose Stahlbetonbau, errichtet zwischen 1928 und 1930, war vor dem Hintergrund der historisierenden Gebäude am Platz der Republik revolutionär – in Form wie in Funktion. Die Berufsschule rückte plötzlich die Arbeiterschaft in das repräsentative Zentrum der Stadt. (…).

2024 Oelsner Bahrenfelder Steindamm
Bahrenfelder Steindamm 39-49, als "Schichttorte" benannte von Oelsner erbaute Wohnhäuser; Quelle: Günter Stello

Diese zurückhaltende Moderne, die leichte Eleganz prägen viele Bauten von Gustav Oelsner. Die Reihenhäuser am Rulantweg gehören ebenso dazu wie die Pestalozzischule auf St. Pauli, wie die runde Ecke am Bahrenfelder Steindamm (‚Die Schichttorte‘) oder das Arbeitsamt an der Kieler Straße. Doch während Hamburgs legendärer Oberbaudirektor Fritz Schumacher [siehe: Fritz-Schumacher-Allee] als prägender Baumeister der Hansestadt jedem Grundschulkind bekannt ist, lief Gustav Oelsner lange unter dem Radar – eben weil er im damals noch preußischen Altona wirkte.“ 1) Auch Oelsner ließ wie Schumacher in Backstein bauen, was in den 1920er-Jahren en vogue war. Im Gegensatz zu vielen seiner Zeitgenossen bevorzugte Oelsner aber einen „hellen, ockergelben Klinker, dessen Grundfarbe durch elfenbeinfarbene, rote, blaue bis in Violette changierende Steine aufgelockert wird. …) Die Wohnungen haben kleine Loggien oder Balkone (…). Zwischen den Häuserzeilen gibt es großzügige Freiräume für die Bewohner, Kinderspielplätze, an den Ecken Ladenflächen für Nahversorger.“ 2)

Es handelte sich also nicht um Häuserschluchten oder um – wie im 21. Jahrhundert gern gebaute Neubaugebiete, wo der Abstand zwischen den Häusern nur noch wenige Meter beträgt und Ladenzeilen gar nicht erst geplant werden, obwohl der nächste Supermarkt fußläufig ziemlich weit entfernt liegt.

Über die Siedlungsbauweise, die durch Oelsner beeinflusst wurde, schreibt Holmer Stahncke: „Die städtische, gemeinnützige Siedlungs-Aktiengesellschaft Altona war 1922 von Max Brauer [siehe: Max-Brauer-Allee] gegründet worden, damit der Wohnungsbau nicht länger vom Profitdenken privater Investoren abhing. Das erste Prestigeobjekt der Saga war die Gartenstadt Steenkampsiedlung. Die großen Wohnbauten, die Gustav Oelsner zwischen 1926 und 1928 verwirklichte, unterscheiden sich in der Formensprache nur unwesentlich von denen, die der Hamburger Baudirektor Schumacher in der Jarrestadt, in Dulsberg oder auf der Veddel baute. Aber anders als die dunklen, fast schwarzen Hamburger Wohnblöcke, waren die meisten Oelsner-Bauten heller und freundlicher. Er baute mit verschiedenfarbigen Ziegeln, die die Fassaden gliederten. Eines seiner Gebäude in Bahrenfeld hat wegen dieser Fassadenstruktur und seiner halbrunden Form den Spitznamen ‚Schichttorte‘ erhalten. 1927/28 bebaute Oelsner die spitz zulaufende Straßennecke Bahrenfelder Steindamm/Thomasstraße mit einem Wohnblock mit 83 Wohnungen. (…) Die Fassade war nicht nur durch die parallel laufenden, verschiedenen Ziegelschichten gegliedert, sondern auch durch große Fenster. (…)

Den Nazis gefielt dieser Stil nicht. Er entsprach nicht ‚dem Verständnis arischer Architektur‘. (…) seine Bauten wurden von den Nazis verändert. Sie erhielten hohe Satteldächer, wodurch die ehemaligen Speicherböden zu Wohnungen ausgebaut werden konnten.“ 3)

Aber auch vor der Zeit des Nationalsozialismus wurden die Bauten von Oelsner nicht nur positiv aufgenommen. Christoph Timm schreibt darüber in seinem Buch „Gustav Oelsner und das neue Altona“ und führt u. a. als Beispiel das Schwesternhaus an der Allee an: „Anfang September 1927 wurde an der ‚Allee‘, dem verkehrsreichsten Straßenzug Altonas mit zahlreichen Repräsentationsgebäuden aus der Gründerzeit, ein neues Schwesternhaus eingeweiht: ein kubischer, nüchterner Bau aus warmen, ockergelbem Klinker. (…). Ein Bau von spröder Eleganz, mit großen Milchglasscheiben zur Straße und akzentuierenden Übereckfenstern im ersten und zweiten Obergeschoß, mit einem zurückgestaffelten dritten Geschoß und einem flachen Dach. (…) Oberbürgermeister Max Brauer ging in seiner Einweihungsansprache darauf ein, daß die Architektur des Hauses bei der Bevölkerung teilweise eine ‚kritische Beurteilung‘ gefunden habe. Als ‚reiner Zweckbau‘ entspreche es jedoch den ‚neuzeitlichen Anforderungen‘. (…) Sechs Jahre später hatten sich die Gemüter über den Neubau immer noch nicht beruhigt. Nachdem Bausenator Oelsner im März 1933 vom nationalsozialistischen Regime abgesetzt worden war und sich anschließend vor Gericht für die angebliche ‚Verschwendung öffentlicher Gelder‘ zu verantworten hatte, berichtete die Schleswig-Holsteinische Tageszeitung unter der ironischen Überschrift ‚Senator Oelsners segensreiche Tätigkeit‘: ‚Über die äußere Form des Baues waren seinerzeit die Architekten von Altona und Hamburg sehr geteilter Meinung. Einige dieser Herren sollen behauptet haben, daß der Bau eine Verschandelung der ganzen Gegend sei…‘ Höhepunkt der ‚Großmannssucht und Überheblichkeit‘ sei es jedoch gewesen, daß Oelsner die von der Krankenhausverwaltung bereits beschaffte Inneneinrichtung als ‚formal unzulänglich‘ abgelehnt habe und den Kauf neuer Möbel durchsetzte, die der umstrittenen Architektur entsprachen. ‚(…)

Die Kontroverse um das Schwesternhaus zeugt vom Aufsehen, das Bausenator Oelsner über Jahre hinweg mit seinen Neubauten auszulösen imstande war. Unter seiner Leitung mauserte sich das kommunale Hochbauamt Altona zum Wegbereiter einer architektonischen Moderne, die die Ideen der internationalen Avantgarde aufnahm und verarbeitete. Mit der Ablösung von vertrauten Konventionen sprengte er den regionalen Traditionalismus einer kleinteiligen bürgerlichen Baukunst, die sich noch an vorindustriellen-handwerklichen Vorbildern orientierte.“ 4)

Nach seiner Entlassung durch die Nationalsozialisten strengten diese einen Prozess gegen Oelsner wegen Amtsmissbrauchs und der Verschwendung öffentlicher Gelder an. „Der Versuch, dieses Verfahren in ein politisches Tribunal zu verwandeln mißlingt“, 5) schreibt Jan Lubitz in seinem Porträt über Oelsner, „da Oelsner sämtliche Anklagepunkte widerlegen kann und freigesprochen wird. Seinen erzwungenen Ruhestand nutzt Oelsner zu reisen und erkundet 1937 die Möglichkeit der Emigration in die USA.“ 5)

Der zehn Jahre ältere Fritz Schumacher, der ebenfalls von den Nationalsozialisten seines Amtes enthoben worden war, blieb Oelsner als Freund erhalten, andere wandten sich von ihm ab.

1937 bekam Oelsner „die Erlaubnis, zu einem Städtebaukongress nach Cleveland zu reisen, wo er den Emigranten Max Brauer traf, der ihm von einer Rückkehr nach Deutschland abriet.

Durch Vermittlung Schumachers übernahm Oelsner im Juli 1939 eine Beratungsaufgabe für Stadtbaufragen beim Türkischen Ministerium für öffentliche Arbeiten in Ankara. Hier baute er eine Organisation für die Planungen in der sich modernisierenden Türkei auf. Ab 1940 teilte sich seine Tätigkeit zwischen Ankara und Istanbul auf, wo er mit dem Aufbau eines Lehrstuhls für Städtebau an der Technischen Universität berufen wurde und lehrte außerdem an der Akademie der schönen Künste in Istanbul und war schließlich vom 1. März 1943 bis zum 31. Dezember 1949 Professor für Städtebau an der Akademie. (…).

Nach dem Krieg holte ihn Max Brauer 1949 nach Hamburg zurück, wo er im Rahmen der Wiederaufbauplanung als Referent unter dem Bausenator Paul Nevermann [siehe: Paul-Nevermann-Platz] an der Gestaltung der Ost-West-Straße und an der Binnenalsterbauordnung mitarbeitete. (…) (…)“. 1)

Christoph Timm schreibt über Oelsners Tätigkeit in der Wiederaufbauphase der Nachkriegszeit: „Oelsner hatte keine Theorie, keine fertigen Antworten parat. Er gab Denkanstöße. ‚Wenn nicht die unselige Atombombe eine Radikallösung erzwingt‘, schrieb er 1954, ‚ist … (die) tragische Stufenleiter: Metropolis, Megalopolis, Nekropolis noch aufzuhalten. Das Grün muß helfen … Hamburg ist seinem Stadtkörper nach eine der gesündesten Großstädte der Welt. Die wird es bleiben, wenn es sein Grün erhält …‘ Im Manuskript folgt als gestrichene Schlußpassage: ‚Die Verkehrsfragen kann es lösen, wenn es die freigelegten Flächen der inneren Stadt zu einem Teil nicht der Bebauung zuführt, sondern mit ihnen die Verkehrs- und Parknot zu lösen sucht.‘ Endgültig formulierte er: ‚(Grün) … auch innerhalb der Wohnblöcke entstehen läßt, das Grün in sie hineinführt: Metropolis, Megalopolis, Nekropolis. Es ist gut, wenn die schaurige Melodie den Verantwortlichen im Ohre klingt. Dann werden ihre Wege zum Menschen führen.‘“6)

Oelsner ging 1952 in den Ruhestand.