Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Otzenstraße

St. Pauli (1948): Prof. Johannes Otzen (8.10.1839 Sieseby – 8.6.1911 Berlin), Architekt.


2069 Otzen Friedenskirche Altona
Friedenskirche in Altona, gebaut von dem Architekten Otzen; Foto: Günter Stello

Vor 1948 hieß die Straße Paulstraße, benannt 1883 nach der dortigen Paulskirche, die später in Friedenskirche umbenannt wurde. Bereits in der NS-Zeit sollte die Straße im Zuge des Groß-Hamburg-Gesetzes in Otzenstraße umbenannt werden, da nun das bisherige Staatsgebiet Hamburg um benachbarte preußische Landkreise und kreisfreie Städte erweitert worden war und es dadurch zu Doppelungen bei Straßennamen kam. Bedingt durch den Krieg kam es nicht mehr zu dieser Umbenennung und es blieb bis 1948 bei Paulstraße. (vgl.: Staatsarchiv Hamburg 133-1 II, 26819/38 Geschäftsakten betr. Straßennamen B. Die große Umbenennung hamb. Straßen 1938-1946. Ergebnisse der Umbenennung in amtlichen Listen der alten und neuen Straßennamen vom Dez. 1938 und Dez. 1946)

Otzen setzte als „Baumeister von sechs neugotischen Kirchen (…) am Ende des 19. Jahrhunderts städtebauliche Akzente in den sich ausbreitenden Städten Hamburg und Altona. Über Hamburg hinaus gehört er im Kirchenbau zu den für seine Zeit richtungsweisenden Architekten“, 1) schreibt Kirsten Poneß in ihrem Porträt über Johannes Otzen.
Er „baute in Altona die Johanniskirche 1873, die Petrikirche 1883 und die Friedenskirche 1896. In Hamburg lieferte er Entwürfe für die Gertrudenkirche in Hohenfelde und die Christuskirche in Eimsbüttel.“ (vgl.: Staatsarchiv Hamburg, Registratur Staatsarchiv AZ. 1521-1/5 Band 3-5: Straßennamen (neue Kartei), alphabetisch geordnet mit Hinweisen).
Johannes Otzen war der Sohn von Anna Maria Christina Otzen, geborene Berg und des Dorfschullehrers und Organisten Ehlert Otzen. Als Kind besuchte Otzen die „einklassige Dorfschule in Sieseby, an der sein Vater unterrichtete. Auf dessen Wunsch begann er nach dem Ende der Schulzeit eine Kaufmannslehre in Flensburg, verrichtete aber offenbar seine Arbeiten so lustlos, daß sein Vater schließlich bereit war, den Neigungen seines Sohnes für das Baufach nachzugeben.“ 2)

Otzen erlernte den Beruf des Zimmermeisters und schloss seine Ausbildung mit der Gesellenprüfung ab. Danach besuchte er die „Baugewerkschule in Nienburg/Weser (…) fort. Als besonders begabter Schüler konnte er 1859 mit einer Sondererlaubnis auf das Polytechnikum (die spätere Technische Hochschule) in Hannover überwechseln. Dort wurde O. Schüler von Conrad Wilhelm Hase (1818–1902), einem der damals einflußreichsten deutschen Hochschullehrer der Architektur. O.s Vorliebe für den neogotischen Backsteinbau, aber vor allen Dingen seine Neigung zum funktionalen und konstruktiven Denken werden auf den Einfluß Hases zurückgehen. Das Hochschulexamen legte er im Jahre 1862 ab. 1863 nahm Hase O. in sein Atelier auf. (…). Nachdem Schleswig-Holstein als Provinz in den preußischen Staat eingegliedert worden war, trat O. 1866 als Regierungsbauführer in die schleswig-holsteinische Bauverwaltung ein. (…). 1868 wurde O. die Qualifikation für den preußischen Staatsdienst zuerkannt“ 3), schreibt Peter Genz.

Nachdem er die Baumeisterqualifikation erlangt hatte, arbeitete er als Baubeamter in Schleswig. „Nach dem Erfolg beim Wettbewerb für den Entwurf der St. Johanniskirche in Altona 1868 schied er aus dem Staatsdienst aus und widmete sich in den Jahren von 1868 bis 1873 der Errichtung seines ersten eigenen Kirchengebäudes (…).“ 4)

Neben Kirchenbauten plante und entwickelte er auch Villen. In Wikipedia heißt es dazu: „Ein weiterer Höhepunkt seines Schaffens war die Anlage repräsentativer Villenkolonien. Otzen hatte bereits früh erste Aufträge für den Bauunternehmer und Immobilien-Spekulanten Johann Anton Wilhelm von Carstenn [siehe zu ihm auch unter: Marienthaler Straße] ausgeführt“ 5) Dieser hatte „das Gut Wandsbek von Ernst Graf v. Schimmelmann erworben, es aufgesiedelt und den durchgrünten Landhaus-Vorort Marienthal gegründet (…). Carstenn hatte zu dieser Zeit bereits seinen Wirkungskreis nach Berlin verlegt und dort die Villenvororte Lichterfelde, Friedenau und Wilmersdorf gegründet. O. schied 1869 offiziell aus dem Staatsdienst aus, verlegte seinen Wohnsitz nach Berlin und übernahm die Funktion eines Generalbevollmächtigten der Carstennschen Unternehmungen.“ 6)

Otzen übernahm erfolgreich die Planung der städtebaulichen Gesamtanlage der Berliner Villenkolonie Lichterfelde und erhielt daraufhin von Carstenn auch die Planung weiterer Großanlagen in Berlin übertragen.

1869 heiratete der damals 30jährige Johannes Otzen die damals 20jährige Caroline Juliane Henriette Anna Hausmann (5.6.1849 Rottleberode – 1.10.1911 Berlin). Das Paar, das in Berlin lebte, bekam innerhalb von neun Jahren sechs Kinder, geboren: 1870, 1871. Dieses Kind lebte nur ein Jahr. Neun Tage nach seinem Tod wurde im Mai 1872 das dritte Kind geboren; weitere Geburten: 1874, 1876, 1879. 7)

Dank seiner Ehefrau, die die Aufzucht und Erziehung der Kinder sowie die Organisation des Haushaltes übernahm, konnte Johannes Otzen unbesorgt seine weitere Karriere verfolgen.

„1874 löste sich O. von Carstenn und gründete in Berlin-Moabit eine eigene Grundstücks-Erschließungsgesellschaft. Im Gegensatz zu Carstenn, den seine Unternehmungen schließlich in den Ruin führten, war O. mit seinen Grundstücksspekulationen erfolgreich und konnte offenbar ein nicht unbeträchtliches Vermögen erwerben.“ 8)

Otzen war Mitglied zahlreicher Vereinigungen, so des Architekten-Vereins in Berlin und der Königlichen Akademie des Bauwesens. Zudem lehrte er ab 1878 als Dozent und ab 1881 als ordentlicher Professor an der Technischen Hochschule Charlottenburg.

Seine Lehrtätigkeit an der Technischen Hochschule übte Otzen bis 1902 aus, ab 1885 im eingeschränkten Maße, denn er hatte damals noch „das Meisteratelier der Akademie der Künste in Berlin, deren Präsident er von 1904 bis 1907 war“ 9) übernommen.

Der fünffache Vater wurde 1885 auch noch Senator der Akademie der Künste. Sein berufliches Engagement zahlte sich aus:1888 wurde er zum Geheimen Regierungsrat ernannt.

Otzen, der sich hauptsächlich mit der mittelalterlichen Backsteinbaukunst beschäftigte und auch darüber publizierte, blieb weiterhin für Hamburg tätig, wo er in den 1880er Jahren weitere Kirchenbauten realisierte (siehe die Auflistung zu Beginn des Textes).

Kirsten Poneß berichtet, dass Otzen bis 1902 21 kirchliche Neubauten in verschiedenen deutschen Städten plante und errichten ließ.