Hamburger Straßennamen -
nach Personen benannt

Von-Melle-Park

Rotherbaum (1961): Werner von Melle (18.10.1853 Hamburg-18.2.1937 Hamburg), Bürgermeister von Hamburg und Ehrendekan der Universität Hamburg.


Siehe auch: Geffckenstraße
Siehe auch: Kaemmererufer

Werner von Melles Mutter, Marie Elisabeth von Melle (8.12.1827 Hamburg - 21.2.1912 Hamburg) „war die Tochter des bedeutenden kaufmännischen Senators Heinrich Geffcken [siehe: Geffckenstraße] und von Elisabeth, geborene Merckel. 1850 heiratete sie den Kaufmann Emil von Melle [1822-1891] der 1867 Senator wurde. Das Paar hatte 5 Kinder, darunter Antonie von Melle, die später Otto Wilhelm Mönckeberg heiratete, und Werner von Melle. Letzterer attestierte seiner Mutter eine ‚poetische Begabung‘. Marie von Melles Neffe, Johannes Geffcken, charakterisierte seine Tante als einen ‚echten Typus althamburgischer Vornehmheit in seiner einfachen Größe‘. Marie von Melles Haus an der Alsterterrrasse 7 bildete über viele Jahre den geselligen Mittelpunkt für die engere und weitere Familie und deren Freunde. Marie von Melles Spende an die Hamburgische Wissenschaftliche Stiftung [die 1907 auf Betreiben von Werner von Melle gegründet worden war und deren Vorsitz er übernahm] vom 9. Juni 1912 stammte aus ihrer Hinterlassenschaft.“ 1)

Werner von Melle hatte noch vier weitere Geschwister.

2236 Werner Von Melle 1905
Werner von Melle, 1905; Quelle: Rudolf Dührkoop, gemeinfrei, via Wikimedia Commons

In der Datenbank „Hamburger Persönlichkeiten“ wird von Melle wie folgt vorgestellt: „Werner von Melle nahm 1873 das Studium der Rechtswissenschaften in Heidelberg auf. Anschließend wechselte er an die Reichsuniversität Straßburg, bevor er an die Universität nach Leipzig ging und 1876 in Göttingen zum Doktor der Rechte promoviert wurde. In den folgenden Jahren war er in Hamburg als Anwalt, Autor historischer Werke und als Journalist tätig. 1886 wurde er politischer Redakteur bei den konservativen ‚Hamburger Nachrichten‘. 1891 zum Senatssyndicus gewählt und der Oberschulbehörde als Präsidialmitglied zugeordnet, avancierte er 1900 zum Senatsmitglied und vier Jahre später zum Präses der Oberschulbehörde. 1915, 1918 und 1919 bekleidete er das Amt des Ersten Bürgermeisters der Freien und Hansestadt Hamburg. Bei der Entstehung der Hamburgischen Wissenschaftlichen Stiftung spielte von Melle seit 1904 die entscheidende Rolle. Als ihr Präsident prägte er bis 1935 die Arbeit der Stiftung. Ebenso setzte er sich ganz maßgeblich für die 1919 erfolgte Gründung der Hamburgischen Universität ein. Nachdem er aus dem Senat ausgeschieden war, wählte ihn diese 1921 zum ‚Rector magnificus honoris causa‘, eine in Deutschland einmalige Auszeichnung.“ 2)

1880 heiratete Werner von Melle die Kaufmannstochter Emmy Kaemmerer (1858-1931) (siehe: Kaemmererufer). Mit ihr hatte er drei Kinder. Später wurde er Großvater von fünf Enkelkindern.

Myriam Isabell Richter, Autorin des Buches „Stadt – Mann – Universität. Werner von Melle und ein Jahrhundert-Lebenswerk“, beschreibt, welche Frauen von Melles Werdegang begleiteten und wen von Melle in seinen Erinnerungen darstellte: „ Von der durch nervliche Angegriffenheit oft abwesenden, poetisch und musisch begabten Mutter und einer in Berliner Salonkreisen (Rahel Varnhagen von Ense) sozialisierten und kultivierten Großmutter über mehrere, ein offenes Haus führende, verheiratete Tanten und kaum weiter individualisierte eigene Schwestern bzw. der von Freunden und Cousinen, (kurzfristige) Erzieherinnen der ersten Schulzeit und eine innig-vertraute und zugeneigte, etwas ältere Freundin (Caroline geb. Immermann, Frau des Onkels Geffcken) sowie Professoren-Gattinnen der verschiedenen Universitätsorte bis hin zur, dem skizzierten Muster der ,Kinderliebe‘ entsprechenden, (Wieder-)Begegnung, Verlobung und Vermählung mit der Tochter eines guten Freundes des Vaters, ‚die mein häusliches Glück begründete‘, wirkt die literarisierte Erinnerungsbühne bevölkert von einem weiblichen Ensemble, wie es ein realistischer Roman kaum vollständiger abbildet. (…). Dass von den etwa 450 Namen des Namensregisters der Jugenderinnerungen gerade einmal 44 weiblich sind, ist nicht weiter überraschend. Genauso wenig wie der Umstand, dass die etwas über 400 männlichen Charaktere ebenfalls literarisierten Darstellungsmechanismen unterliegen, die allerdings eine ausdifferenziertere Charakterisierungsskala und einen größeren, autonomen Wirkungskreis der Individuen bereitstellen.“3)

Bis zur Heirat 1880 mit Emmy Kaemmerer, die er seit Kindertagen kannte, hatte Werner von Melle bei seinen Eltern gelebt. Nun, nach der Hochzeit und den in Italien verbrachten Flitterwochen zog das junge Paar in seine erste gemeinsame Wohnung an die Kirchenallee 23, 2. Stock. 4). Die Wohnung war zugleich auch der Arbeitsplatz des Advokaten Werner von Melle. Später lebte das Paar mit seinen nun drei Töchtern in der Alfredstraße 31, dann im Graumannsweg 30a und zum Schluss ab 1911 am Rondeel 45. 5)

Werner von Melle und Kolonialismus
Werner von Melle setzte sich für die Gründung des Hamburgischen Kolonialinstituts ein (gegründet 1908). Dazu schreibt Gunnar B. Zimmer: „Die Stadt übernahm damit die Ausbildung der Kolonialbeamten des Kaiserreichs. Ob des offensichtlichen praktischen Nutzens für Hamburgs Handelsorientierung genehmigte die Bürgerschaft die dafür notwendigen Haushaltsmittel sowie neue Professuren ohne große Diskussion.“ 6) Ein großer Teil des Geldes kam allerdings von einem privaten Stifter, von dem Unternehmer Alfred Beit [Alfred-Beit-Weg], der mit dem Abbau südafrikanischer Diamantenvorkommen reich geworden war.

Benet Lehmann äußert zum Kolonialinstitut: „Eine Verwissenschaftlichung der Kolonialbeamtenausbildung sollte sicherstellen, dass die Interessen der Unternehmer und Machthaber in den deutschen Kolonien von ausgebildeten Leuten durchgesetzt wurden. Hinzu kam die Bedeutung von Forschungsergebnissen für die Erschließung und Bewirtschaftung der jeweiligen Kolonie. (…) Das Institut sollte als Beratungsstelle für die Hamburger Unternehmen dienen. Trotz aller Mühe der Mitglieder des Kolonialinstituts, öffentlich zu agieren, ist der Einfluss des Instituts auf die kaufmännischen Tätigkeiten in Hamburg als relativ gering zu bewerten. Hamburger Unternehmen wandten sich nur selten an das Institut und so blieb es in erster Linie dem akademischen Betrieb und der Ausbildung von Kolonialbeamten verschrieben.“ 7)

Und Rainer Nicolaysen kommt zu folgendem Schluss bezüglich der Gründung des Kolonialinstituts: „Die Aussicht auf ein Kolonialinstitut fiel in eine Zeit, in der von Melle den Ausbau der Wissenschaften in Hamburg intensiv vorantrieb und damit gezielt Bausteine einer späteren Universität zu schaffen suchte: In der vordemokratischen Bürgerschaft meinte eine Mehrheit noch immer, Hamburg müsse auf seiner vielbeschworenen ‚genialen Einseitigkeit‘ bestehen, sich mithin ganz auf Hafen und Handel konzentrieren: eine Universität mit ihren gelehrten und Studierenden würde das soziale Gefüge der Kaufmannstadt unterminieren. Dabei wurden die Wissenschaften in Hamburg nicht grundsätzlich vernachlässigt, sondern in Teilbereichen intensiv gefördert; an der rasanten wissenschaftlichen Entwicklung des 19. Jahrhunderts nahm die Hansestadt mit ihren (Natur-) Wissenschaftlichen Anstalten und Museen rege teil. Stets aber stand ihre Verwertbarkeit für spezifisch hamburgische Interessen im Vordergrund, die auch schon vor der Zeit eines formellen deutschen Kolonialreichs eng mit kolonialen Unterfangen verbunden waren.

In dieser Konstellation konnte, so von Melles Kalkül, gerade eine koloniale Hochschule für die in Hamburg breiteste Zustimmung zu erwarten war, auf dem Weg zu einer Universität ausgesprochen nützlich sein. “ 8)
Über den weiteren „Lebensweg“ des Kolonialinstituts schreibt Rainer Nicolaysen: „Während der gesamten Existenz des Kolonialinstituts erwarben schließlich nur 123 Personen einen Diplomabschluss, darunter maximal neun Kaufleute. Als eine Art wissenschaftliche Hochschule hat das Kolonialinstitut sein Ziel nie erreicht. (…) Für Werner von Melle war dies umso mehr Anlass, noch konsequenter für einen Ausbau zu plädieren (…) [und forderte 1909 von der Bürgerschaft sieben neue Professuren] zwei für das Kolonialinstitut, fünf für das Allgemeine Vorlesungswesen. Die Reaktion der Bürgerschaft war aufschlussreich. Umstandslos bewilligt wurden nur die beiden Professuren für das Kolonialinstitut: eine für Afrikanische Sprachen und Kulturen sowie eine für Sprache und Kultur Chinas. Beide waren die ersten ihrer Art in Deutschland und sollten dazu beitragen, das Kolonialinstitut ‚zu einer alle kolonialen Bedürfnisse gleichmäßig berücksichtigenden Bildungsstätte‘ auszugestalten.“ 9)

Rainer Nicolaysen erwähnt auch, dass ab 1911 am Kolonialinstitut Frauen studierten, meist Lehrerinnen.

1977 kam es während einer studentischen Aktion zum Sturz der im Universitätshauptgebäude aufgestellten Büste von Werner von Melle, dem Mitbegründer der Hamburger Universität. Die Büste wurde in kleine Stücke zerschlagen, die verkauft wurden. Mit dem Geld sollte der antikoloniale Befreiungskampf in Simbabwe unterstützt werden. Die offiziellen Vertreter der Universität verurteilten diese Aktion und nahmen sie nicht zum Anlass, sich mit der kolonialen Geschichte Hamburgs auseinanderzusetzen.

Von Melle und die Gründung der Hamburger Universität
Von Melles zweites für ihn wichtiges Projekt war die Gründung einer Universität in Hamburg. Lange verweigerten ihm sowohl bürgerliche Universitätsgegner als auch die Sozialdemokratie die Unterstützung. Letztere, so Gunnar Zimmermann: „sah in einer Gründung zu diesem Zeitpunkt [ 1913] eine Fortschreibung der bestehenden ungleichen Bildungschancen, solange nicht gleichzeitig die Möglichkeiten zur Volksbildung ausgebaut und der Hochschulzugang für klein- und nichtbürgerliche Milieus geöffnet werde. Zugeständnisse dieser Art lehnte von Melle aber strikt ab. Nach seiner Gründungsidee sollte sich die Hamburgische Universität zwar beim Fächerkanon von anderen deutschen Universitäten abheben (z. B. durch eine Kolonialwissenschaftliche Fakultät), es ihnen aber bei der hierarchischen Organisation und der exklusiven Bildungstradition gleichtun.

Auch während des Ersten Weltkriegs blieb die Universitätsfrage in Hamburg virulent und wurde im dafür zuständigen Bürgerschaftsausschuss beraten. Im Herbst 1918 standen hier die Zeichen günstig, dass sich die bislang widerstreitenden Lager würden einigen können. Und auch in der bald darauf ausbrechenden Revolution sah von Melle Chancen, die Universitätsgründung zu befördern. (…)

Mit dem bürgerlich-akademischen Elitedenken von Melles und dem demokratischen Reformanspruch der Sozialdemokraten standen nach der Gründung [der Universität] 1919 somit zwei unterschiedliche Vorstellungen im Raum, welchen Leitlinien die junge Hamburgische Universität folgen solle. Dabei standen die Chancen für eine erfolgreiche Neuausrichtung von Beginn an schlecht. Die Mehrheit der Professoren und Studierenden wollte an bestehende Universitätstraditionen anknüpfen und lehnte eine demokratische Öffnung der Organisationsformen und des Hochschulzugangs – so wie insgesamt die Weimarer Demokratie – ab.“10) das bedeutete auch, dass weibliche Studierende und Lehrende nicht im Fokus der Betrachter standen. Die damalige Alterspräsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft, die Frauenrechtlerin Helene Lange [Helene-Lange-Straße] war es, die in der 3. Sitzung der Hamburgischen Bürgerschaft vom 28. März 1919 den Blick auf die Frauen an der neu zu gründenden Universität richtete. In ihrer Rede während dieser Sitzung sagte sie: „Meine Herren und Damen! Ich habe nur zu einer kurzen Bemerkung das Wort erbeten. Es handelt sich um eine Frage, deren Bejahung freilich bei dem Geiste, aus dem heraus die Hamburger Universität beschlossen wird, selbstverständlich erscheint, die ich aber doch noch einmal ausdrücklich stellen möchte. Das ist die Zulassung der Frau zur Dozentur. In Preußen ist sie immer wieder abgelehnt, selbst bei Frauen, die hohes wissenschaftliches Ansehen und anerkannte Verdienste haben, wie Frau Professor Rabinowitsch-Kemper auf bakteriologischem Gebiet oder wie Gräfin Maria Linden, die eine Reihe naturwissenschaftlicher Untersuchungen gemacht hat, von denen jede einzelne genügen würde, jeden Mann zur Dozentur zuzulassen. Ihr ist die Zulassung lediglich ihres Geschlechtes wegen immer wieder versagt worden. Selbst als im Jahre 1908 die Bonner philosophische Fakultät ihre Zulassung befürwortete, wurde sie vom preußischen Kultusministerium abgelehnt. Und als ihr im Jahre 1910 das preußische Kultusministerium den Professorentitel verlieh, war auch damit kein Lehrauftrag verbunden. Ich habe gehofft, Hamburg würde die erste Universität sein, die mit diesem Vorurteil bricht; inzwischen aber ist uns München zuvorgekommen. Die Medizinerin Adele Hartmann ist dort als Dozentin der Anatomie zugelassen. Umsomehr darf ich wohl die Hoffnung aussprechen, dass Hamburg nachfolgen und die Frauen unter denselben Bedingungen wie die Männer zu Dozentur zugelassen werden.“ 11)

Die Universität wurde auch Frauen zugänglich gemacht, die damals aber noch in sehr geringer Anzahl auftraten. So gab es 1919: 1517 männliche Studierende und 212 weibliche Studierende. Vier Jahre nach Gründung der Hamburger Universität wurde 1923 erstmals eine Frau zur Professorin berufen: die Germanistin Prof. Dr. Agathe Lasch (Agathe- Lasch-Weg).

So wie Werner von Melle sich nicht für eine Reformuniversität einsetzte, so befürwortete er wohl auch nicht das 1919 eingeführte Frauenwahlrecht. Oder wie ist sonst sein Nichtreagieren auf die Petition der Hamburger Frauenverbände zu verstehen? Als der Kaiser in seiner Osterbotschaft vom 7. April 1917 eine gewisse Liberalisierung des politischen Systems ankündigte und der Hamburger Senat im Begriff war, das Wahlrecht zu demokratisieren, sah der Stadtbund der Hamburgischen Frauenverbände die Gelegenheit gekommen, für die Frauen das Bürgerrecht zu fordern. Die Vorsitzende des Stadtbundes Emma Ender überreichte am 2. November 1918 Bürgermeister von Melle eine diesbezügliche Petition mit rund 18.600 Unterschriften. Eine Antwort erhielten die Frauen nicht – 12). Kurze Zeit später, am 12.11.1918 verkündete schließlich der revolutionäre Rat der Volksbeauftragten in Berlin das allgemeine und gleiche Wahlrecht.